Читать книгу 8 Arztromane: Engel in Weiß und ein Arzt aus Leidenschaft - Sammelband - A. F. Morland - Страница 45
Оглавление41
Danach vergingen ein paar grauenvolle Tage für Ben Härtling. Er hatte das entsetzliche Gefühl, etwas sehr Kostbares kaputtgemacht zu haben und litt darunter ganz furchtbar. Seine Tage waren leer. Es gab nichts mehr, worauf er sich freuen konnte. Er hing auf eine eigenartige Weise in der Luft, war lustlos und hatte keinen Appetit.
Du hast dich wirklich wie ein dummer Junge benommen!, warf er sich vor. Nun sei ein Mann und bring das wieder in Ordnung! Diesmal wird sie dich nicht anrufen. Diesmal musst du den ersten Schritt tun. Oder du bist Ulla für immer los. Willst du das? Willst du das wirklich?
Natürlich wollte er das nicht. Also entschloss er sich schweren Herzens, Ulla aufzusuchen und sich für sein bescheuertes Benehmen zu entschuldigen.
Er hätte sie anrufen können, aber das war ihm zu unpersönlich. Er wollte Ulla in die Augen sehen, wenn er sich entschuldigte. Und er wollte, dass sie ihn danach in die Arme nahm, küsste und sagte, dass wieder alles in Ordnung wäre.
„Brauchst du heute Nachmittag den Wagen, Ben?“, fragte Dana nach dem Mittagessen.
Er sah seine Zwillingsschwester geistesabwesend an. „Wie, bitte? Was hast du gesagt?“
„Ob du unseren kleinen roten Hüpfer brauchst.“
„Wann?“
„Heute Nachmittag.“
„Eigentlich ja“, sagte Ben verlegen.
„Ich wollte mit Tamara und Erika zu einer Kleintierausstellung fahren...“ „Okay.“ Ben kramte die Fahrzeugschlüssel aus seiner Hosentasche und hielt sie seiner Schwester hin.
Doch Dana nahm sie nicht. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wenn du unser Auto brauchst, behalt die Schlüssel. Tamara kann den Wagen ihrer Eltern kriegen.“
Ben klimperte mit den Schlüsseln. „Du kannst sie gerne haben.“
„Lass nur, der Wagen von Tamaras Eltern ist größer und bequemer.“ Ben zuckte mit den Schultern. „Wie du willst.“ Er steckte die Schlüssel wieder ein.
Dana sah ihren Zwillingsbruder besorgt an. „Bist du in Ordnung?“
„Ja.“
„Du siehst nicht so aus. Du hast Kummer, nicht wahr?“
Ben schwieg.
„Wenn du mit jemandem darüber reden möchtest...“
„Ich komm’ damit schon klar.“
„Ich bin deine Schwester und ich bin eine gute Zuhörerin, wie du weißt.“ Er legte die Hand auf ihren Arm und zwang sich zu einem Lächeln. „Danke, Dana. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber es ist nicht nötig, dass ich es in Anspruch nehme. Im Moment läuft einiges nicht ganz nach Wunsch...“
„Mit Ulla?“
„... aber ich kriege das schon wieder auf die Reihe“, beendete Ben mit belegter Stimme seinen Satz.
Er verließ wenig später die Villa seiner Eltern. Während er in den roten Kleinwagen stieg, dachte er: Du bist nicht der einzige, der zur Zeit Sorgen hat. Alle in der Paracelsus-Klinik bangen im Moment zum Beispiel um Schwester Alexandra, die vor zwei Tagen vor zwei Tagen schon entführt wurde und von der man nicht weiß, ob sie noch lebt. Was ist im Vergleich dazu schon eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Ulla?
Er fuhr los.
„Blumen“, murmelte er. „Ich brauche Blumen. Einen wunderschönen Strauß, um Ulla versöhnlich zu stimmen. Sie hat sich über mich geärgert, aber das lässt sich mit hübschen Blumen bestimmt wieder einrenken.“
Er hielt kurz an einem Kiosk und ließ sich einen farbenprächtigen Strauß zusammenstellen. Er legte diesen behutsam auf die Rücksitze und fuhr weiter.
Als Ulla Eggerths Haus in Sicht kam, wurde Bens Magen zu einem Klumpen. Er verlangsamte die Fahrt und der Mut verließ ihn immer mehr. Was, wenn Ulla sich noch immer über ihn ärgerte? So lange?, hielt er im Geist dagegen. Lächerlich. Doch nicht wegen so einer Lappalie. Nein, sie freut sich ganz sicher, mich wiederzusehen.
Er trat mit den schönen, duftenden Blumen in der Hand an die Haustür, fuhr sich mit den Fingern aufgeregt durchs Haar, räusperte sich nervös und drückte dann gespannt auf den Klingelknopf. Genau wusste er nicht, was er sagen, womit er beginnen sollte. Es würde sich ergeben. Vielleicht sagte er erst mal auch nichts und ließ die Blumen für sich sprechen. Aufgeregt wartete er auf den Moment, wo Ulla die Tür öffnete. Ben vernahm ein Geräusch. Ihm stockte unwillkürlich der Atem. Er vermeinte Ullas unmittelbare Nähe zu spüren.
Gleich würde er sie wiedersehen und... Die Tür schwang auf. Ben hob die Blumen ein wenig, Es hatte fast den Anschein, als wollte er sich dahinter verstecken. Er sah einen weißen Bademantel, aber... O Gott! Den Bademantel trug nicht Ulla Eggerth, sondern ein Mann! Der Mann, dessen gerahmtes Foto in der Kommodenlade gelegen hatte.
Der Mann, an dem sich Bens Eifersucht entzündet hatte. Der Mann, dessentwegen er mit Ulla diese unschöne Auseinandersetzung gehabt hatte.
Georg Wolf!
Er war aus Südamerika zurückgekommen und Ulla hatte ihn sogleich mit offenen Armen empfangen, obwohl sie gesagt hatte, er würde ihr nichts mehr bedeuten. Ulla hatte zugegeben, diesen Georg Wolf geliebt zu haben und sie hatte behauptet, es wäre vorbei. Ben hatte das bezweifelt. Er hatte gesagt, sie hätte Wolfs Bild nicht aufgehoben, wenn sie nichts mehr für ihn empfinden würde und sie hatte sich daraufhin über ihn lustig gemacht. Aber er hatte Recht gehabt.
„Wenn Georg Wolf wieder in München ist, wirst du ihn dann wiedersehen?“, hatte er Ulla gefragt.
„Nein. Ich glaube nicht“, hatte Ulla geantwortet.
Und nun... Nun... Nun stand Georg Wolf in einem weißen Bademantel vor ihm. Das tat ihm mehr weh als ein Faustschlag mitten ins Gesicht.
Kein Wunder, dass er keinen Ton herausbrachte. Wie gelähmt stand er da und starrte den Mann, der zu Ulla Eggerth zurückgekehrt war, entgeistert an.
„Liebling, wer ist da?“, fragte Ulla im Hintergrund.
LIEBLING!
Sie hatte Liebling zu Georg Wolf gesagt. Das war zu viel für Ben Härtling. Das konnte er nicht ertragen. Er wollte weg, weg, nur weg von hier.
„Ein Blumenbote“, antwortete Georg Wolf. Er trat vor und nahm Ben die Blumen aus der Hand.
Willenlos überließ Ben ihm den Strauß.
„Warten Sie“, sagte Georg Wolf gönnerhaft. „Ich gebe Ihnen was.“
Doch Ben wartete nicht. Er wollte sich von diesem Mann nicht auch noch mit einem Trinkgeld demütigen lassen. Mit einem trotzigen Ruck drehte er sich um.
Er lief zu seinem kleinen roten Wagen, sprang hinein und raste davon. Nie wieder. Nie wieder wollte er so etwas Schreckliches erleben.