Читать книгу 8 Arztromane: Engel in Weiß und ein Arzt aus Leidenschaft - Sammelband - A. F. Morland - Страница 60
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Mit Wolf Kretschmer ging es zufriedenstellend aufwärts. Man brauchte sich um ihn keine Sorgen mehr zu machen. Mario Schönberg hatte seine nächste Premiere, und alles ging gut, weil sein Talisman Michaela in der ersten Reihe saß und ihm zu jenem Selbstvertrauen verhalf, das er brauchte, um die schwierige Partie zu singen. Er mochte nicht daran denken, wie schlecht er gewesen wäre, wenn Michaela ihm nicht den nötigen Halt gegeben hätte. Sie belächelte ihn immer, sagte, er wäre ganz entsetzlich abergläubisch, doch er hatte Beweise dafür, dass er sich nicht nur einbildete, sie zu brauchen.
An zwei wichtigen Premieren hatte sie nicht teilgenommen - und prompt war’s schiefgegangen. Das war eine leicht belegbare Tatsache - kein Aberglaube.
Nach der Aufführung wurde die Premiere gebührend gefeiert. Alle waren glücklich und zufrieden, und als die ersten großartigen Kritiken kolportiert wurden, fiel man sich um den Hals und jubelte.
Als die Schönbergs nach Hause wollten, gab es kein Taxi für sie. Sie mussten ein großes Stück laufen, aber das machte ihnen nichts aus. Vor allem Mario war so selig, dass er am liebsten die ganze Welt umarmt hätte.
„Ich habe heute ein wichtiges Tor aufgestoßen”, sagte er freudestrahlend. „Ohne dich hätte ich das nicht geschafft. Oh, ich liebe dich, Michaela! Ich kann dir nicht sagen, wie sehr. Und ich bin dir unendlich dankbar für deine Geduld, deine Güte, dein Verständnis - und dafür, dass du immer bei mir bist, wenn ich dich brauche. Es wäre schlecht um mich bestellt, wenn es dich nicht gäbe.” „Unsinn, Mario”, widersprach ihm seine Frau. „Du bist auch ohne mich ein großer Künstler.”
Er schlang die Arme um sie, umklammerte sie, presste sie ganz fest an sich.
„Ein Nichts bin ich ohne dich, deshalb darfst du mich auch nie verlassen. Versprich mir, dass du mich nie verlassen wirst! Versprich es mir, mein wunderbarer Liebling!”
„Warum sollte ich dich jemals verlassen, mein kleiner Dummkopf?”
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie sanft.
„Ich liebe dich. Ich brauche dich. Ich kann ohne dich nicht sein. Du ahnst nicht, wieviel du mir bedeutest. Ich bin ein reicher Mann, der reichste und glücklichste Mann von der Welt, denn ich habe dich, den größten Schatz des Universums.”
Michaela lachte leise.
„Ich habe noch nie jemanden so sehr übertreiben gehört. Weißt du, was du bist, Mario Schönberg? Ein ganz verrückter Kerl bist du. Der liebenswerteste Dummkopf, der mir je begegnet ist, deshalb bin ich deine Frau geworden, und ich denke nicht im Traum daran, dich jemals zu verlassen.”
Er rollte die Augen.
„Welch wunderbaren Klang haben diese Worte.”
Ein Wagen bog um die Ecke. Mario hob die Hand und rief: „Taxi!”
Der Wagen blieb stehen, die Schönbergs stiegen ein, und Mario nannte dem Fahrer, einem von schlimmer Akne geplagten jungen Mann, seine Adresse.
Die gelungene Premiere zog Kreise wie ein Stein, den man in einen stillen Teich wirft. Journalisten riefen an und baten um ein Interview. In der Regenbogenpresse erschienen Fotos von Michaela und Mario Schönberg. Ihre Namen wurden an der Gerüchtebörse gehandelt. War auch nicht immer alles schmeichelhaft, was man über sie berichtete, so versuchten sie doch, großzügig darüber hinwegzusehen, weil sie wussten, dass es keinen Zweck hatte, zu dementieren und zu prozessieren. Die Massenblätter hatten den längeren Atem, deshalb war es vernünftiger, mit den Halbwahrheiten zu leben und sich über die Unwahrheiten nicht zu ärgern. Es gab Gastauftritte im Fernsehen für Mario, er wurde auf Partys herumgereicht, wanderte von einer Talkshow zur anderen, und die privaten Sender überhäuften ihn mit Einladungen.
Auf einer der vielen Partys, die die Schönbergs besuchten, lernte Mario das Multitalent Hartmut Kutter kennen. Kutter war einer der gefragtesten zeitgenössischen Komponisten, ein ideenreicher Regisseur und ein großartiger Dirigent. Sein einfühlsames Wesen stand im krassen Gegensatz zu seinem grobknochigen Äußeren. Der schwere, elegante, bärtige Mann hatte dichtes graues Haar und hätte Mario Adorfs Bruder sein können. Er hatte Mario Schönberg auf der Bühne gesehen und war von dessen kraftvoller Präsenz beeindruckt gewesen.
„Wir müssen mal etwas zusammen machen”, sagte er. „Sind Sie interessiert?”
„Es wäre eine Freude und eine Ehre für mich, mit Ihnen zu arbeiten”, erwiderte Mario.
„Darf ich Sie in den nächsten Tagen mal anrufen?”
„Selbstverständlich”, antwortete Mario. „Jederzeit.”
„Sie haben einen äußerst begabten Mann”, sagte Hartmut Kutter dann zu Michaela.
Sie schob ihre Hand unter Marios Arm, schmiegte sich an ihn und erwiderte: „Das weiß ich.”
Man stand im Park einer feudalen Industriellenvilla. Im Hintergrund spielte ein Streichquartett Mozarts „Eine kleine Nachtmusik”.
Michaela trug ein Kleid aus weißem Musselin mit Spaghettiträgem. Ihren schlanken Hals zierte eine hübsche Perlenkette. Es war ein kühler Abend, doch der Sekt, den Michaela getrunken hatte, ließ sie das nicht wahrnehmen, erwärmte sie von innen. Hartmut Kutter bat die Schönbergs, ihn zu entschuldigen. Er hatte einen Gast entdeckt, mit dem er unbedingt reden musste. Sobald er weg war, strahlte Michaela ihren Mann an.
„Ist das nicht fantastisch? Hartmut Kutter möchte mit dir arbeiten!”
Mario machte eine abwiegelnde Handbewegung.
„Ich wage mich noch nicht zu freuen.”
„Aber warum denn nicht? Er hat doch gesagt ...”
„Ach, Liebling, sagen kann man viel”, erwiderte Mario. „Du weißt doch, wie es auf diesen Festen zugeht: Man trifft sich, macht ein bisschen Smalltalk, und wenn man heimgeht, hat man all die lieben Leute, mit denen man sich unterhalten hat, schon wieder vergessen.”
Michaela musterte ihren Mann mit vorwurfsvollem Blick.
„Gott, was bist du nur für ein Pessimist! ”
„Ich bin Realist”, stellte Mario richtig.
„Ich wette mit dir, dass Hartmut Kutter dich noch in dieser Woche anrufen wird.”
Mario atmete schwer aus. ,,Schön wär’s.”
„Er wird anrufen, du wirst schon sehen.“
Mario schmunzelte. „Ich habe nichts dagegen. Sag mal, ist dir nicht kalt?”
„Nein.”
Er legte den Arm um ihre Schultern.
„Lass uns trotzdem hineingehen. Ich möchte nicht, dass du dich erkältest.”