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Als Christine Wagner nach Hause kam, saßen Uli Gaulitz und Wenzel Reyer niedergeschlagen im Wohnzimmer.

„Was ist passiert?“, fragte sie sogleich beunruhigt.

„Wolf ist nach Hause gekommen“, berichtete Uli mit belegter Stimme.

„Und?“ Christines Kehle wurde eng. „Was hat man in der Paracelsus-Klinik festgestellt?“

„Seine Nieren drohen zu versagen“, meinte Wenzel, und seine Stimme klang heiser.

Ein eisiger Schreck fuhr Christine in die Glieder. „O mein Gott.“ Ihr Herz fing an zu rasen. „Ist er in seinem Zimmer?“

Uli und Wenzel nickten. „Wir haben versucht, ihm Mut zu machen“, sagte Uli, „aber wir kamen irgendwie nicht zu ihm durch.“

„Er hört einen nicht, sieht einen nicht, erweckt den Eindruck, als befände er sich in tiefer Trance“, sagte Wenzel.

„Vielleicht nimmt er mich wahr“, sagte Christine.

Uli schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er jemanden sehen möchte.“

„Ich kann ihn in dieser schweren Stunde unmöglich allein lassen“, flüsterte Christine. Augenblicke später klopfte sie an Wolf Rossbergs Tür.

Mit einem Mal spürte sie sehr deutlich, dass sie ihn am meisten mochte. Uli und Wenzel, die hatte sie zwar sehr gern, aber für Wolf empfand sie mehr.

Wieso hat es so lange gedauert, bis mir das klar wurde?, fragte sie sich verstört. Wieso musste es erst zu so etwas Schrecklichem kommen, um mich erkennen zu lassen, wen ich liebe?

Wolf reagierte nicht auf ihr Klopfen. Sie klopfte noch einmal. „Wolf?“

Keine Antwort.

Christine legte ihre Hand auf die Türklinke. Durfte sie Wolfs Zimmer ohne sein Einverständnis betreten? Er braucht mich, sagte sie sich. Ich darf ihn jetzt nicht sich selbst überlassen. Er muss spüren, dass jemand an seiner Seite ist, der mit ihm fühlt.

Sie drückte die Klinke langsam nach unten und öffnete die Tür. „Wolf?“

Er stand am Fenster und starrte unverwandt hinaus.

„Darf ich reinkommen?“

Er sagte nichts. Sie erteilte sich selbst die Erlaubnis und schloss die Tür hinter sich.

„Haben Uli und Wenzel es dir gesagt?“, fragte Wolf unvermittelt. Seine Stimme klang ganz fremd.

„Ja“, antwortete Christine.

„Kaputte Nieren. Einfach so. Keiner kann dir sagen, warum sie auf einmal nicht mehr arbeiten wollen. Und niemand kann dir helfen.“ Sein Rücken war gekrümmt, als würde er eine schwere, unsichtbare Last tragen.

„Das stimmt nicht“, widersprach Christine.

„Ja“, krächzte er, „sie hängen dich in regelmäßigen Abständen an eine Maschine, aber was ist denn das noch für eine Lebensqualität?“

„Sie wird besser sein als deine derzeitige“, versicherte Christine. „Du wirst dich bedeutend wohler fühlen, wenn dein Blut gereinigt ist. Du wirst dich wieder wie früher konzentrieren können, wirst nicht bei der kleinsten Anstrengung furchtbar ermüden, und der quälende Juckreiz wird auch aufhören. Du wirst ein fast normales Leben führen. An die Dialyse wirst du dich gewöhnen.“

„Das hat Dr. Härtling auch gesagt.“

„Er weiß, wovon er spricht. Er ist als Arzt ganz hervorragend, das hört man immer wieder.“

„Abhängig zu sein von einer Maschine ...“ Wolf Rossberg schüttelte den Kopf. „Ein Alptraum!“ Er seufzte schwer. „Ich komme mir vor wie Frankensteins Monster.“

„Dreh dich bitte um, Wolf“, verlangte Christine.

Er blieb steif stehen.

„Würdest du mich bitte ansehen, Wolf?“, bat Christine eindringlich.

Er drehte sich hölzern um. Sein Gesicht war fahl. Seine Augen glänzten feucht. Christine konnte sich vorstellen, wie es in seinem Inneren aussah.

Sie trat näher zu ihm. „Du hast Freunde, Wolf“, sagte sie leise. „Wir sind für dich da. “ Sie streichelte zärtlich seine Wange. „Du bist nicht allein. Wenn du Hilfe brauchst, genügt ein Wort, und wir tun für dich, was wir können.“

„Ich bin kein richtiger Mensch mehr. “ Es klang wie ein verzweifeltes Schluchzen.

„Red keinen Unsinn, Wolf. Du kannst nichts dafür, dass du krank geworden bist. Du bist für uns noch immer derselbe. Wir lieben dich. Ich liebe dich, Wolf. Und ich möchte, dass du mich in deine Arme nimmst und küsst.“

Seine Augen weiteten sich. Er schien nicht fassen zu können, was sie soeben gesagt hatte. Er schluckte. Sein Adamsapfel hüpfte aufgeregt.

Sie nickte lächelnd. „ Du hast richtig gehört. Ich liebe dich – und ich möchte von dir geküsst werden. Tust du mir den Gefallen?“

Er zog sie mit einem tiefen Aufseufzen in die Arme. Sie schmiegte sich an ihn, und im nächsten Augenblick fanden sich ihre Lippen zu einem langen, nicht enden wollenden Kuss.

„Christine, o Christine“, murmelte er später an ihrem Ohr. „Du du liebst mich! Mein Gott, warum sagst du mir das erst heute?“

„Ich bin mir erst seit heute sicher. “

„Ganz sicher?“, fragte Wolf.

„Absolut sicher“, antwortete Christine. „Und es hat garantiert nichts mit Mitleid zu tun. “

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

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