Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 46
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ОглавлениеIm Nordwesten von Wien liegt Stammersdorf, ein hübscher Weinort. Noch nicht so stark von Fremden überlaufen wie Grinzing. Deshalb weichen viele Wiener hierher aus.
Die Hochzeitsgesellschaft war in Stimmung. Man hatte dem süffigen Wein und dem guten Essen tüchtig zugesprochen. Ein mitgebrachtes Tonbandgerät sorgte für stimmungsvolle Heurigenmusik.
Man saß an einem langen Tisch beisammen. Da der Abend milde war, saß man im Garten. Für heute war der Heurige nur geladenen Gästen zugänglich. Vor dem Eingang hing eine Tafel mit der Aufschrift: Geschlossene Gesellschaft.
Gegrillte Hähnchen und Schweinshaxen wanderten immer noch von der Grillstube auf die Teller der Gäste. Es war ein rauschendes, ausgelassenes Fest.
Es war das Fest der Irmgard Jodorowski, der Tochter des Polizisten Alex Jodorowski.
Eine schwammige Frau beugte sich über die Schulter des stolzen, leicht betrunkenen Vaters.
"Ich habe noch keine schönere Braut als Ihre Irmgard gesehen, Herr Jodorowski."
Der Polizist warf sich begeistert und geschmeichelt in die Brust.
"Das glaube ich Ihnen gern", lachte er. "Schließlich ist sie meine Tochter."
Die Frau lachte schrill. Das Brautpaar küßte sich. Die Hochzeitsgäste klatschten Beifall.
"He!", rief einer der Gäste amüsiert. "Könnt ihr damit nicht warten, bis ihr zu Hause seid?"
Die anderen Gäste lachten.
Alex Jodorowski griff nach seinem Weinglas und trank mit schnellen Zügen.
"Ich habe das Gefühl, dass die beiden sehr glücklich werden", sagte er zu seiner Frau.
Adelheid Jodorowski schaute ihren Mann ärgerlich an.
"Und ich habe das Gefühl, dass ich dich heute noch nach Hause tragen muss. Trink doch nicht soviel, Alex. Das Kind muss sich für dich schämen.
Ein Polizist. Du musst auch in Zivil wissen, wie du dich zu benehmen hast."
Jodorowski winkte ärgerlich ab. "Ach was. Ich habe nur diese eine Tochter. Und sie heiratet nur einmal. Es ist mein gutes Recht, das zu feiern, Adelheid. Die neuen Verwandten sollen froh sein, dass ich zu dieser Heirat meine Einwilligung gegeben habe…"
"Pst!", machte Adelheid Jodorowski erschrocken. "Nicht so laut. Man könnte dich hören."
Jodorowskis Bruder kam, Ihm gehörte das Lokal.
Er legte dem betrunkenen Brautvater die Hand auf die Schulter.
"Gibt's was?", fragte der Polizist.
Sein Bruder beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Jodorowski nickte. "In Ordnung", sagte er mit der den Betrunkenen eigenen Lautstärke. "Das mach' ich schon. Darum brauchst du dich nicht zu kümmern."
Adelheid war neugierig. Sie stieß ihren Mann in die Seite.
"Was ist denn, Alex?"
"Jemand muss in den Weinkeller fahren und noch ein paar Flaschen holen."
"Aber du hast doch schon zuviel getrunken. Du kannst doch nicht mehr fahren."
Jodorowski lachte. "Ich bitte dich, Adelheid. Was ist denn schon dabei? Ich fahre die Straße ungefähr fünfhundert Meter hinauf. Es gibt weit und breit keinen Verkehr. Ist nicht mehr als ein Feldweg. Was sollte denn da passieren? Ich bin gleich wieder da, Amüsier dich inzwischen gut."
Jodorowski erhob sich. Er riss sich zusammen, um gerade zu gehen. Es musste ja nicht jeder merken, wie viel er schon getrunken hatte.
Er holte den Weinkellerschlüssel und den Wagenschlüssel für den geräumigen Kombi.
Augenblicke später fuhr er los. Die Straße war schlecht. Rumpelnd holperte der Wagen die Steigung hinauf. Die Umgebung war stockfinster. Nur die Scheinwerfer spendeten etwas Licht. Jodorowski hätte den Weg aber auch im Schlaf gefunden.
Für einen Moment glaubte er, jemanden aus der Dunkelheit auftauchen zu sehen. Einen Mönch oder so etwas.
Er lachte über sich selbst.
"Mann, du bist wirklich schon ganz schön blau. Andere Leute sehen weiße Mäuse. Du siehst gleich einen ausgewachsenen Mönch."
Da war der Weinkeller schon. Jodorowski hielt den Kombiwagen an und stieg aus.
Die Tür zum Weinkeller war mit einem Vorhängeschloss gesichert. Über der Tür wölbte sich ein dicker Erdwall. Und ein Stück oberhalb erstreckte sich der weite Weingarten, den sein Bruder bewirtschaftete.
Jodorowski öffnete die Kofferraumhaube des Kombiwagens und holte die beiden Drahttragen heraus, in denen insgesamt zwölf Zweiliterflaschen Platz hatten.
"Zwölf Flaschen werden auf jeden Fall genügen. Vierundzwanzig Liter. Das reicht!", nickte Alex Jodorowski.
Er schloß die Tür auf. Sie wimmerte zur Seite und fiel gegen die Wand aus Ziegelstein.
Ein dumpfer Donner rollte durch den tiefen kühlen Weinkeller. Jodorowski hörte hinter sich ein leises Geräusch und wandte sich langsam um. Nichts war zu sehen. Da lag nur eine dunkle Nacht. Ohne jegliches Leben.
Er zuckte die Achseln. "Natürlich ist niemand da. Wer sollte sich in dieser einsamen Gegend denn schon mitten in der Nacht herumtreiben?"
Er stieg die steile Treppe hinunter. Sie war feucht und rutschig. Er stolperte und fing sich gerade noch im letzten Moment.
"O Himmel!", stöhnte er und schüttelte den Kopf. "Jetzt hätte ich mir beinahe das Genick gebrochen."
Er ging nun wesentlich vorsichtiger weiter und erreichte heil das Ende der steilen Treppe.
Da er oben vergessen hatte, das Licht anzumachen, knipste er es beim nächsten Schalter an. Der Keller reichte bis tief in den Weinberg hinein. Riesige Weinfässer reihten sich aneinander.
Eine Legion von Weinflaschen war dazwischen aufgestapelt. Die Flaschen mit dem Spezialwein befanden sich am Ende des Kellers. Alex Jodorowski stellte die beiden Drahttragen ab. Er begann sie mit Zweiliterflaschen zu füllen.
Plötzlich hörte er Schritte. Oben. Jemand näherte sich dem Kellereingang. Vielleicht war er auch schon drinnen. Das war von hier unten nicht zu erkennen. Jodorowski richtete sich lauschend auf.
Erstaunt blickte er zur steilen Treppe. War ihm einer der Hochzeitsgäste gefolgt, um ihm zu helfen? Die Schritte kamen langsam die Stufen herunter. Schwere Schritte.
Jodorowski wartete.
Als er das Ende der Kutte bemerkte, weiteten sich seine Augen erstaunt.
Augenblicke später hatte der Mönch das Ende der Treppe erreicht.
Er kam langsam näher. Die Hände hatte er in den Ärmeln versteckt. Die Kapuze war so weit über den Kopf gestülpt, dass statt des Gesichts nur ein schwarzer Fleck zu sehen war. Jodorowski schüttelte verwirrt den Kopf.
"Na, so was. Dann hab' ich vorhin also doch richtig gesehen. Grüß Gott, Bruder. Was führt Sie hierher? Mitten in der Nacht?"
Der Mönch gab keine Antwort.
Jodorowski kicherte.
"Oh, ich kann mir schon vorstellen, weshalb Sie gekommen sind. Entschuldigen Sie die dumme Frage. Mein Geist ist schon ein wenig benebelt, wissen Sie. Darf ich Ihnen vielleicht eine Flasche Wein anbieten? Es ist ein ganz vorzüglicher Tropfen. Den rückt mein Bruder nur zu ganz besonderen Anlässen heraus."
Der Mönch sagte immer noch nichts.
Schritt um Schritt kam er näher.
Jodorowski wurde unsicher. Er konnte das Gesicht des Mönchs nicht sehen. Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte.
Er nahm eine Flasche und hielt sie dem Mönch hin.
"Da. Nehmen Sie. Dieses Geschenk kommt vom Herzen."
Der Mönch machte noch einen Schritt. Jodorowski zuckte unwillkürlich zusammen. Der Fremde griff nach der Flasche. Jodorowski traute seinen Augen nicht. Der Mann hatte statt eines Armes eine riesige Krebsschere.
Nun schien die Deckenlampe in das grauenerregende Gesicht des Fremden.
Jodorowski ließ entsetzt die Flasche fallen.
"O Gott!", stöhnte er und fasste sich ans Herz, das sich in seiner Brust schmerzhaft zusammengekrampft hatte.
Er wankte zurück. Gorra stürzte sich mit einem mordlüsternen Knurren auf ihn. Die schrecklichen Krebsscheren packten den Mann. Ein markerschütternder Schrei zitterte gellend durch den langen Weinkeller…