Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 54
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ОглавлениеEin Klappern ließ den Schriftsteller im Bett hochschrecken. Es war Morgen.
Das Bett an seiner Seite war leer. Erika war bereits aufgestanden.
Schramm fühlte sich müde und zerschlagen. Benommen rieb er sich den pochenden Schädel. Seine Augen brannten, als hätte er kaum geschlafen.
Der furchtbare Traum fiel ihm wieder ein.
In diesem Moment wurde die Schlafzimmertür aufgemacht.
Erika kam mit einem strahlenden Lächeln herein. Sie schob einen kleinen Servierwagen vor sich her, auf dem ein Frühstück angerichtet war.
"Guten Morgen", sagte sie. Sie schien glücklich zu sein, etwas für ihn tun zu können.
"Guten Morgen", erwiderte Schramm. Es klang wie ein verzweifeltes Ächzen.
Nein, es war kein guter Morgen. Es gab keinen guten Morgen nach einer so schrecklichen Nacht.
Erika setzte sich aufs Bett und sah ihn besorgt an.
"Du hast wieder so furchtbar geträumt, nicht wahr?"
Schramm fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
"So schlimm wie diesmal war es noch nie."
"Armer Schatz", sagte Erika bedauernd und strich ihm liebevoll über das Haar,
Sie forderte ihn auf, zu frühstücken und aß mit ihm. Danach holte sie die Morgenzeitung. Schramm nahm sie ihr nervös aus der Hand. Sie schaute ihn fragend an.
"Da steht es!", presste er entsetzt hervor. "Da steht es."
"Was, Helmut?"
Er wies auf die riesige Schlagzeile:
Wahnsinniger zerfleischt im Blutrausch Tennisspieler.
Im Bericht stand der Name Peter Dimko und was mit ihm passiert war. Vom Täter fehlte wie in allen anderen Fällen jede Spur.
Der Schriftsteller verließ das Bett und ging ins Wohnzimmer.
Er öffnete mechanisch die Tür des Wandschrankes und nahm ein paar Zeitungen älteren Datums heraus. Er legte sie auf den Tisch.
Erika kam zu ihm und schaute ihm über die Schulter.
Schramm legte die neue Zeitung auf die anderen.
"Warum hebst du die alten Zeitungen auf, Helmut?", fragte Erika verwundert.
Der Schriftsteller zuckte die Achseln. "Eigentlich weiß ich es nicht." Jetzt, wo Erika ihn nach dem Grund seines Handelns fragte, kam ihm erst zum Bewusstsein, was er machte.
Er begann nachdenklich in den Zeitungen zu blättern. Plötzlich begriff er.
Er hatte irgendwann mit einem Rotstift die Artikel markiert, die für ihn interessant zu sein schienen.
Er brauchte nur den ersten Namen zu lesen, um alles zu verstehen: Werner Hahn.
Der zweite Name: Kurt Trost.
Und so ging es weiter. Er hatte nur jene Zeitungen aufgehoben, in denen Berichte über die Opfer "eines unbekannten Wahnsinnigen" standen.
"Hebst du die Zeitungen vielleicht deshalb auf, weil du die Opfer alle gekannt hast?", fragte Erika erstaunt.
Er hatte keine Ahnung, warum er die Zeitungen aufgehoben hatte. Er hatte von so vielem keine Ahnung.
"Ich weiß es nicht", sagte Schramm verzweifelt. Er schaute Erika benommen an. "Ich tue in letzter Zeit Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe."
"Was für Dinge?", fragte Erika teilnahmsvoll.
"Es drängt mich manchmal an die Schreibmaschine. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich muss mir etwas von der Seele schreiben…"
Er rückte einen Stuhl zurecht und sagte: "Komm, Erika. Setz dich. Ich glaube, ich muss dir von meinem Traum erzählen. Du bist der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden kann, von dem ich erwarten kann, dass er mich nicht auslacht oder einfach für verrückt ansieht."
Erika sank langsam auf den Stuhl nieder. "Es scheint sehr schlimm gewesen zu sein. Ich sehe es dir an, Helmut, ich - ich will es nicht hören."
"Ich muss mit jemandem darüber reden", sagte der Schriftsteller verzweifelt. "Bitte, hör mich an. Ich werde sonst noch tatsächlich verrückt, wenn ich es für mich behalten muss."
Er ließ sich auf den zweiten Stuhl fallen und begann stockend zu erzählen.
Erika hörte aufmerksam zu.
Es war zuviel für sie, was Schramm ihr da erzählte. Er quälte sich jedes Wort ab. Es fiel ihm nicht leicht, zu sagen, wer er war, wer sein Vater war, was mit ihm los war.
Als er geendet hatte, schwieg das Mädchen eine Weile.
Sie konnte diese unglaubliche Geschichte nicht fassen.
Schließlich schüttelte sie energisch den Kopf.
"Das ist doch Unsinn, Helmut. Du bist doch nicht der Sohn eines Teufels. So etwas gibt es nicht. Du bist ein ganz normaler Mensch. So wie jeder andere. Mit Schwächen und Fehlern."
Schramm hob den Blick. Ein trauriger Schleier hatte sich über seine Augen gelegt. Eigentlich hatte er nicht erwartet, dass Erika das alles für bare Münze nehmen würde. Dafür war sie zu intelligent.
"Das habe ich bisher auch immer geglaubt", nickte der Schriftsteller gebrochen. "Aber an diesem furchtbaren Traum ist etwas dran."
"Unsinn, Helmut!"
"Ich werde es dir beweisen!" Schramm erhob sich schnell. "Komm! Nimm die Zeitungen mit."
Erika raffte die Zeitungen zusammen. Er ging mit ihr in sein Arbeitszimmer.
"Wann und wo wurde Werner Hahn umgebracht?", fragte der Schriftsteller aufgeregt.
"Am Semmering. Vor ungefähr vier Wochen."
Schramm nickte. Er blätterte die vielen Romanseiten zurück.
"Hier", sagte er, als er die Stelle, die er gesucht hatte, gefunden hatte. "In meinem Roman heißt Werner Hahn Walter Hart… W. H. Werner Hahn - Walter Hart! Ich habe nur den Namen geändert."
"Das besagt doch nichts, Helmut!"
"Warte ab!", erwiderte Schramm aufgeregt. Er begann zu lesen: "Der grelle Blitz zerriss die Nacht. Gleich darauf wurde die Atmosphäre von einem ohrenbetäubenden Donner wie mit einer Riesenfaust geschüttelt. Dicke, schwere Tropfen fielen vom schwarzen Himmel. Wassermassen. Wie bei einer Sintflut.
Noch ungefähr hundert Kilometer bis Wien, dachte der Verleger Walter Hart…"
Schramm las von dem Mönch, der am Straßenrand stand. Er las, wie der Verleger von dem Monster angefallen und getötet wurde.
So hatte man Werner Hahns Leiche vorgefunden. Genauso.
Erika schüttelte erregt den Kopf. "Unsinn, Helmut. Du hast das in der Zeitung gelesen, hast dich davon inspirieren lassen und hast es erst dann niedergeschrieben." Schramm las weiter. Kurt Trosts entsetzlicher Tod. Genau wie es die Polizei rekonstruiert hatte. Und die Leiche hatte ein Fischer aus dem Donaukanal gezogen. Wie in Schramms Roman. "Die Zeitungen haben eben einen gewissen Eindruck auf dich gemacht", sagte Erika.
Er packte sie und schüttelte sie verzweifelt. "Willst du denn nicht verstehen, Erika? Die Morde sind in dem Moment verübt worden, wo ich sie zu Papier gebracht habe."
"Das gibt es doch nicht, Helmut!" Schramm lachte bitter. "In diesem Punkt stimme ich teilweise mit dir überein. Es gäbe es nicht, wenn ich ein normaler Mensch wäre. Da ich das aber anscheinend nicht bin, muss ich ein Sohn des Teufels sein."
Erika legte ihm ihren Arm um die Schultern. "Helmut", sagte sie sanft. "Du bist überarbeitet."
"Das ist es nicht…"
"Denke doch an gestern Abend." Schramm nickte eifrig. "Ja. Ja, denke an gestern Abend. Das ist ein guter Beweis. Ich musste unbedingt noch ein paar Zeilen schreiben, erinnerst du dich?"
"Ja."
Schramm blätterte die letzten Seiten um, die er gestern geschrieben hatte. Seine Hände zitterten vor Aufregung. "Hier!", keuchte er. "Das habe ich geschrieben. Paul Dora. P. D. Peter Dimko. Begreifst du?"
"Es muss ein Zufall sein…"
"Lies! Lies, was ich geschrieben habe, Erika!", schrie Schramm beinahe.
Sie las mit Schaudern, wie Paul Dora in Helmut Schramms Roman endete.
Als sie damit fertig war, schaute er ihr verzweifelt in die Augen.
"Sag selbst, kann ich das aus der Zeitung haben?"
Erika schwieg.
"Dimko wurde auf dieselbe grausame Art, wie ich es schilderte, zum selben Zeitpunkt umgebracht, wo ich hier gesessen und geschrieben habe. Zum selben Zeitpunkt. Es passierte, während ich schrieb, verstehst du? Glaubst du immer noch, dass der Traum blanker Unsinn ist?"
Erika schloss benommen die Augen…