Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 55
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ОглавлениеDer Tag verging. Helmut Schramm war wieder allein zu Hause, als es Abend wurde.
Er war allein und hatte Angst vor sich und seiner schrecklichen Fähigkeit. Er konnte also Leute töten, indem er sich an die Schreibmaschine setzte, intensiv an sie dachte und ihnen in seinem Roman Gorra an den Hals hetzte. Es war furchtbar. Er ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernsehapparat ein.
"Sensationen unter der Zirkuskuppel!"
Er hatte nicht viel dafür übrig. Um sich aber abzulenken, setzte er sich in den Sessel, rauchte eine Zigarette nach der anderen und starrte unkonzentriert auf den Bildschirm.
Kinder jonglierten mit Keulen. Tiger fauchten. Ein Mann, der sich Taras Bulba nannte, jagte sie mit knallender Peitsche durch den Käfig.
Schramm holte eine Whiskyflasche und ein Glas. Er stellte sie vor sich auf den Tisch und trank ziemlich viel.
Er wollte sich betrinken. Wollte sich unfähig für die Arbeit machen, weil er den Moment fürchtete, wo er sich an die Schreibmaschine setzte.
Doch der Alkohol hatte keine Wirkung. Er konnte trinken, soviel er wollte. Das benebelnde Gefühl des Rausches, der den Geist lähmt und jeden klaren Gedanken verhindert, stellte sich nicht ein.
Im Gegenteil.
Der Alkohol forcierte seinen Aggressionstrieb in erschreckendem Maße.
Nach der Zirkusschau kam ein banaler Liebesfilm. Die unzähligen Liebesszenen machten Schramm krank.
Eine schreckliche Unruhe befiel ihn. Ärger quälte ihn. Wut fraß sich in seinem Inneren fest. Plötzlich hob er sein Glas und schleuderte es nach dem Bildschirm.
Die Mattscheibe zerplatzte mit einem satten Knall. Qualm stieg aus dem zerstörten Fernsehgerät.
Schramm erhob sich schnell, schaltete den Apparat aus und begann ruhelos im Wohnzimmer auf und ab zu rennen. Sein Blick wanderte, ohne dass er es wollte - ja, er wehrte sich sogar dagegen -, zur Tür des Arbeitszimmers.
Sie stand halb offen. Als wollte sie ihn einladen, einzutreten.
Er näherte sich der Tür. Er wollte stehenbleiben. Er wollte sich umdrehen und fortgehen, doch der innere Zwang war stärker. Seine Hand stieß die Tür auf. Sobald er seinen Schreibtisch erblickte, strömte Ruhe in ihn. Eine Ruhe, nach der er sich so sehr sehnte, dass er einen furchtbaren Schmerz in der Brust verspürte, Alles in ihm schrie, er solle diesem Drängen nachgeben, dann würde er Ruhe haben.
"Nein!", stöhnte er.
Er stemmte sich gegen den Türrahmen. Er wollte nicht ins Arbeitszimmer gehen. Obwohl ihn der unsichtbare Magnet unwiderstehlich anzog, wollte er diesmal nicht nachgeben.
Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
"Nein! Heute nicht. Nicht schon wieder! Ich will nicht schon wieder töten!"
Er schlug sich mit den Fäusten ins Gesicht. Die Hiebe schmerzten ihn. Er wollte damit das schreckliche Gefühl abstellen, doch es war immer noch da. Und es lockte ihn, drängte ihn, zwang ihn…
Mit einem verzweifelten Schrei wandte er sich von der Tür ab.
Die Schreibmaschine verlor jedoch dadurch nichts von ihrer Anziehungskraft.
Das war der Teufel.
Er spielte sein höhnisches Spiel mit ihm. Und er konnte sich nicht dagegen wehren.
Schramm stürzte sich auf die Whiskyflasche. Er schraubte mit einer wilden Drehung den Verschluss vom Flaschenhals und trank fiebrig. Immer mehr Whisky trank er in sich hinein. Bis er husten musste. Bis er nach Luft japsen musste. Bis ihm von dem Getränk übel wurde.
Dann stürmte er gehetzt, mit schweißnassem Gesicht aus dem Haus. Er setzte sich hastig in seinen Wagen und fuhr los. Er hatte keine Ahnung, wohin er fahren sollte. Er wusste nur, dass er nicht zu Hause bleiben durfte, sonst musste in dieser Nacht wieder ein Mensch sterben.
Sonst würde sich Gorra ein neues Opfer holen. Schramm hasste die grausame Bestie, die er in seiner Phantasie geschaffen hatte, um seine Leser damit zu schocken.
Er hasste den Satan, der dieses schreckliche Wesen lebendig werden ließ.
Schramm fuhr mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Stadtzentrum.
Trotz des vielen Whiskys, den er getrunken hatte, war er vollkommen nüchtern. Das war auch ein Werk des Teufels. Es sollte keine Gnade für ihn geben.
Sein weißer Rover fuhr über die Reichsbrücke. In der Ferne hob sich die schlanke beleuchtete Spitze des Stefansdomes zum nächtlichen Himmel empor.
Schramm fuhr über den Praterstern, durch die Praterstraße, über den Ring und landete schließlich beim Stadtpark.
Dort stieg er aus.
Ruhelos sah er sich um. Leute warteten auf die Straßenbahn. Andere aßen an einem Kiosk heiße Würstchen. Niemand kümmerte sich um ihn. Niemand wusste, was für schreckliche Fähigkeiten ihm der Satan in die Wiege mitgegeben hatte.
Er hoffte, in der düsteren Stille des Stadtparks Ruhe und Erholung zu finden.
Die Schwäne schliefen bereits.
Der Springbrunnen, von vielen bunten, stets die Farbe wechselnden Scheinwerfern angestrahlt, plätscherte leise.
Auf den Bänken zwischen dichten Büschen saßen junge Pärchen.
Schramm erschrak zutiefst, als er feststellte, dass bei jedem Gedanken an Liebe in ihm ein glühender Hass aufglomm.
Er konnte diese harmlosen Zärtlichkeiten der jungen Pärchen nicht sehen. Sie machten ihn wütend. Sie hetzten ihn weiter. Immer weiter. Quer durch den Park und irgendwann wieder zurück.
Rasend vor Wut warf er sich wieder in seinen Wagen.
Er fuhr dieselbe Strecke, die er vor wenigen Minuten erst gekommen war, mit zornig funkelnden Augen zurück.
Es drängte ihn nach Hause. Er konnte es kaum noch erwarten, bis er da war.
Er musste arbeiten. Arbeiten!
Er nannte es arbeiten und meinte töten.
Zu Hause angekommen, sprang er hastig aus dem Rover. Er hatte es eilig. Nun war er nicht mehr zu bremsen. Er musste ins Arbeitszimmer. Er musste arbeiten. Er musste schreiben. Jetzt. Sofort. Er konnte nicht mehr länger warten. Sein Kopf zersprang fast. Er musste seine Gedanken zu Papier bringen.
Wild stürmte er durch das Haus. Keuchend setzte er sich an den Schreibtisch. Die Hände taten die vertrauten Griffe. Fiebernd, wie besessen, mit glasigen Augen, vollkommen der Welt entrückt, begann er zu schreiben.
Dr. Wilhelm Zant…
Dr. W. Z.
Dr. Wulf Zimmermann!
Die Finger flogen über die Tasten der Schreibmaschine.
Dr. Wilhelm Zant besaß nahe der Burg Kreuzenstein ein herrliches Sommerhaus…