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4. Die Lage nach der Verfassungsnovelle des Jahres 2001

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Im Jahre 2001 wurden verschiedene Artikel über die Regionen und die lokalen Körperschaften in Titel V der Verfassung durch Verfassungsgesetz Nr. 3 vom 18.10.2001 geändert. Dabei wurde u.a. Art. 117 Abs. 1 Cost. über die Grenzen der staatlichen und regionalen Gesetzgebung neu gefasst. Der neue Art. 117 Abs. 1 Cost. zählt zu diesen Schranken neben der „Beachtung der Verfassung“ nunmehr auch die „sich aus dem Gemeinschaftsrecht und internationalen Verpflichtungen ergebenden Bindungen“.

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Infolgedessen können die nationalen Umsetzungsnormen nach h.L. nicht mehr durch spätere einfache Gesetze geändert bzw. aufgehoben werden, da Umsetzungsnormen nach der Verfassungsänderung als Bezugsnormen (parametro interposto) für die Verfassungsmäßigkeit späterer einfacher Gesetze anzusehen sind: Eine Verletzung dieser Bezugsnormen stellt also eine mittelbare Verletzung von Art. 117 Abs. 1 Cost. dar.[11] Dennoch kommt den Umsetzungsnormen in der nationalen Normenhierarchie kein Verfassungsrang zu. Sie behalten weiterhin den Rang der Rechtsquelle, die die Anpassung an die völkerrechtlichen Verpflichtungen bewirkt. In der Regel handelt es sich dabei um einfache Gesetze, die, wie auch alle anderen Normen, alle Verfassungsbestimmungen und nicht nur die Grundprinzipien der Verfassung zu beachten haben.[12] Die Bedeutung der Erklärung der Verfassungswidrigkeit sollte jedoch nicht überbewertet werden, da sie nur in außergewöhnlichen Fällen zum Tragen kommt, nämlich dann, wenn der Normenkonflikt nicht durch den Rückgriff auf hermeneutische Instrumente, wie die völkerrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts oder die Anwendung des Grundsatzes der Spezialität, zu lösen ist.[13] Das heißt nicht, dass die Umsetzungsgesetze (und ganz allgemein die internen Anpassungsnormen) Rechtsquellen mit verstärkter passiver Wirkungskraft sind, deren Vorrang vor späteren Gesetzen von jedem Richter festgestellt werden könnte: Wenn der Konflikt nicht im Wege der Auslegung ausgeräumt werden kann, muss der Richter das Verfahren aussetzen und dem Verfassungsgericht die Frage des Normenkonflikts zur Entscheidung vorlegen.[14]

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Die Umsetzungsgesetze völkerrechtlicher Verträge haben jedoch unmittelbaren Vorrang vor bereits bestehenden Gesetzen in Anwendung des Grundsatzes lex posterior derogat legi priori. Jeder Richter ist daher zuständig, die Aufhebung des früheren Gesetzes selbst festzustellen, ohne dass die Corte costituzionale zur Feststellung der inzwischen eingetretenen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes eingeschaltet werden müsste. Der neue Art. 117 Abs. 1 Cost. bezweckt gerade eine Stärkung der Beachtung internationaler Verpflichtungen in der italienischen Rechtsordnung, so dass es widersprüchlich wäre, wenn der ordentliche Richter, der in der Vergangenheit die Aufhebung früherer Gesetze durch spätere Umsetzungsgesetze feststellen konnte, heute die Aufhebung nicht mehr feststellen könnte, nicht einmal, wenn der Normenkonflikt für ihn evident ist. Wenn jedoch der Konflikt zwischen einem Gesetz und dem Umsetzungsgesetz dem ordentlichen Richter nicht klar und eindeutig scheint, kann er sich heute – hier gilt das quid pluris im Vergleich zur früheren Regelung – an die Corte costituzionale wenden, um die Aufhebung des früheren Gesetzes zu erwirken.

Erster Teil Offene Staatlichkeit§ 18 Offene Staatlichkeit: Italien › II. Die Mitgliedschaft Italiens in den Europäischen Gemeinschaften und in der Europäischen Union

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