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Erstes bis fünftes Bändchen
Achtzehntes Kapitel.
Der Schatz

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Als Dantes am andern Morgen in das Zimmer seines Mitgefangenen zurückkehrte, fand er Faria mit ruhigem Antlitz unter dem Strahle sitzend, welcher durch das enge Fenster seiner Zelle glitt. Er hielt offen in seiner linken Hand, der einzigen, deren Gebrauch ihm, wie man sich erinnert, geblieben warf ein Stück Papier, das, gewöhnlich in einen Band zusammengerollt, die Form eines gegen die Ausbreitung widerspenstigen Cylinders angenommen hatte. Er zeigte, ohne etwas zu sagen das Papier Dantes.

»Was ist das?« fragte dieser.

»Sehen Sie es wohl an,« erwiderte der Abbé lächelnd.

»Ich schaue mit allen meinen Augen, und sehe nichts, als ein halbverbranntes Papier, auf welches gothische Charaktere mit einer seltsamen Tinte gezeichnet sind.«

»Dieses Papier, mein Freund,« sprach Faria, »ist, ich kann Ihnen nun Alles sagen, da ich Sie geprüft habe, ist mein Schatz, von dem von heute an die Hälfte Ihnen gehört.«

Kalter Schweiß lief über die Stirne von Dantes. Bis auf diesen Tag, und während welches Zeitraumes! hatte er es vermieden, mit Faria über diesen Schatz zu sprechen, aus welchem die Wahnsinns-Beschuldigung hervorgegangen war, die auf dem armen Abbé lastete. Mit seinem instinktartigen Zartgefühle zog es Edmond immer vor, diese schmerzliche vibrierende Saite nicht zu berühren; Faria schwieg ebenfalls, und er hielt das Stillschweigen des Greises für eine Rückkehr zur Vernunft. Heute aber schienen die paar Worte, welche Faria nach einer so peinvollen Krise entschlüpften, einen schweren Rückfall geistiger Verrückung anzukündigen.

»Ihr Schatz?« stammelte Dantes.

Farin lächelte.

»Ja,« sagte er; »Sie sind in jeder Hinsicht ein edles Herz, Edmond, und ich entnehme Ihrer Blässe und Ihrem Schauer, was in diesem Augenblick in Ihnen vorgeht. Nein! seien Sie ruhig, ich bin kein Narr, dieser Schatz besteht, Dantes, und wenn es mir nicht gegeben gewesen ist, ihn zu besitzen, so werden Sie ihn wenigstens besitzen. Niemand wollte mich hören, Niemand wollte mir glauben, weil man mich für verrückt hielt, aber Sie, der Sie wissen, daß ich es nicht bin, hören Sie mich, und Sie werden mir hernach glauben, wenn Sie wollen.«

»Ach!« murmelte Edmond, »er leidet also an einem Rückfall; dieses Unglück fehlte mir noch.«

Dann sprach er laut zu Faria:

»Mein Freund; Ihr Anfall hat Sie vielleicht ermüdet; wollen Sie nicht ein wenig ausruhen? Morgen, wenn Sie es wünschen; höre ich Ihre Geschichte, heute aber will ich Sie nur pflegen; überdies,« fuhr er lächelnd fort; »hat ein Scheiß so große Eile für uns?«

»Große Eile, Edmond;« antwortete der Greis; »wer weiß; ob nicht vielleicht morgen; übermorgen der dritte Anfall kommt? Bedenken Sie, daß dann Alles vorbei wäre. Ja, es ist wahr, oft habe ich mit einem bittern Vergnügen an diese Reichtümer gedacht, welche das Glück von zehn Familien gründen würden, während sie für die Menschen, die mich verfolgen, verloren sind; dieser Gedanke diente mir als Rache, und ich genoß ihn langsam in der Nacht meines Kerkers und in der Verzweiflung meiner Gefangenschaft; nun aber, da ich der Welt aus Liebe für Sie verziehen habe, nun da ich Sie jung und voll Hoffnung sehe, nun da ich bedenke, welches Glück für Sie aus einer solchen Enthüllung hervorgehen kann, bebe ich vor jeder Zögerung und habe bange, so vielen vergrabenen Reichtümern nicht einen so würdigen Eigenthümer, wie Sie dies sind; zu sichern.«

Edmond wandte seufzend seinen Kopf ab.

»Sie verharren in Ihrer Ungläubigkeit; Edmond;« fuhr Faria fort; »meine Stimme hat Sie nicht überzeugt. Ich sehe, daß Sie der Beweise bedürfen. Nun wohl, lesen Sie dieses Papier, das ich nie einem Menschen gezeigt habe.«

»Morgen, mein Freund,« sprach Edmond, dem es widerstrebte, sich dem Wahne des Greises hinzugeben; »ich glaubte; wir waren übereingekommen; hiervon erst morgen zu sprechen.«

»Wir werden erst morgen davon sprechen; doch lesen Sie dieses Papier heute.«

»Wir wollen ihn nicht reizen,« dachte Edmond.

Und er nahm das Papier; von dem die Hälfte, welche ohne Zweifel durch irgend einen Unfall verzehrt worden war, fehlte, und las . . .

»Nun!« sagte Faria, als der junge Mann zu Ende gelesen hatte.

»Ich sehe da nur verstümmelte Zeilen, Worte ohne Folge,« erwiderte Dantes; »die Charaktere sind durch die Wirkung des Feuers unterbrochen und bleiben unverständlich.«

»Für Sie, mein Freund, der Sie zum ersten Male lesen, aber nicht für mich, der ich viele Nächte hindurch darüber erbleicht bin, der ich jeden Satz wieder aufgebaut, jeden Gedanken vervollständigt habe.«

»Und Sie glauben den aufgehobenen Sinn wiedergefunden zu haben?«

»Ich bin dessen gewiss; Sie sollen selbst urteilen; vernehmen Sie aber zuerst die Geschichte dieses Papiers.«

»Stille!« rief Dantes; »Tritte! . . . man naht . . . ich gehe . . . Gott befohlen!«

Glücklich, der Geschichte und der Erläuterung zu entgehen, welche ihm unfehlbar das Unglück seines Freundes bestätigt haben würden, schlüpfte Dantes in den engen Gang, während Faria, durch den Schrecken einer gewissen Thätigkeit zurückgegeben, mit dem Fuße die Matte zurückstieß, die er mit einer Matte bedeckte, um vor den Augen die Trennung des Zusammenhangs zu verbergen welche verschwinden zu machen er nicht mehr Zeit gehabt hatte.

Es war der Gouverneur, der durch den.Kerkermeister von dem Unfalle Farias unterrichtet, zu diesem kam, um sich selbst von der Bedeutung desselben zu versichern. Faria empfing ihn sitzend, vermied jede verräterische Gebärde, und so gelang es ihm, vor dem Gouverneur die Lähmung zu verbergen, welche bereits die Hälfte seiner Person tödlich getroffen hatte. Er befürchtete hauptsächlich, von Mitleid für ihn ergriffen, konnte ihn der Gouverneur in ein gesünderes Gefängnis bringen lassen und dadurch von seinem jungen Gefährten trennen; aber es war dem glücklicher Weise nicht so, und der Gouverneur entfernte sich, überzeugt, sein armer Narr, für den er im Grunde seines Herzens eine gewisse Teilnahme hegte, wäre nur von einer leichten Unpäßlichkeit heimgesucht.

Mittlerweile suchte Edmond, auf seinem Bette sitzend und den Kopf in seinen Händen, seine Gedanken zu sammeln; Alles war in Faria, seitdem er ihn kannte, so vernünftig, so groß und so logisch, daß er diese erhabene Weisheit in allen Punkten in Verbindung mit der Unvernunft in einem einzigen nicht begreifen konnte: war es Faria, der sich über seinen Schatz täuschte? Dantes blieb den ganzen Tag in seinem Kerker, ohne daß er zu seinem Freunde zurückzukehren wagte. Er wollte so den Augenblick verschieben, wo er Gewißheit erlangen würde, der Abbé wäre ein Narr; diese Überzeugung müßte schrecklich für ihn sein. Doch gegen Abend, nach der Stunde des gewöhnlichen Besuches, unternahm es Faria, da er den jungen Mann nicht zurückkehren sah, den Raum zurückzulegen, der ihn von demselben trennte. Edmond schauerte, als er hörte, welche schmerzliche Anstrengungen der Greis machte, um sich fortzuschleppen: sein Bein war lahm, und er konnte sich nicht mehr mit seinem Arme helfen. Edmond war genötigt, ihn an sich zu ziehen, denn er hätte nie aus der schmalen Öffnung herauskommen können, welche in die Stube von Dantes ging.

»Ich verfolge Sie mit unbarmherziger Erbitterung,« sagte er mit einem von Wohlwollen strahlenden Lächeln; »Sie glaubten, meiner Freigebigkeit entgehen zu können, aber dem wird nicht so sein. Hören Sie also.«

Edmond sah, daß er nicht ausweichen konnte; er ließ den Greis auf sein Bett sitzen und setzte sich zu ihm auf seinen Schämel.

»Sie wissen,« sprach der Abbé, »daß ich der Sekretär, der Vertraute, der Freund des Grafen Spada, des letzten von den Fürsten dieses Namens war. Ich verdanke diesem guten Herrn jegliches Glück, das ich in diesem Leben genossen habe. Er war nicht reich, obgleich man die Reichtümer seiner Familie als Sprichwort gebrauchte, und ich oft sagen hörte: Reich wie ein Spada. Aber er lebte und starb, wie die öffentliche Meinung, auf diesem Rufe des Überflusses. Sein Palast wurde mir zum Paradies. Ich unterrichtete seine Neffen. welche starben, und als er allein auf der Welt war, gab ich ihm dadurch, daß ich ihm ganz und gar seinem Willen lebte, zurück, was er seit zehn Jahren für mich getan hatte.

Das Haus des Grafen hatte bald keine Geheimnisse mehr für mich; oft sah ich den Gebieter emsig in alten Büchern nachschlagen und den Staub von Familienhandschriften durchwühlen. Als ich ihm eines Tags die unnützen Nachtwachen und eine gewisse Niedergeschlagenheit vorwarf, welche auf dieselben folgte, schaute er mich bitter lächelnd an und öffnete mir ein Buch, die Geschichte der Stadt Rom enthaltend. Hier in dem zwanzigsten Kapitel des Lebens von Papst Alexander VI. standen folgende Zeilen, die ich nie habe vergessen können.

»»Die großen Kriege der Romagna waren beendigt; Cesare Borgia. der seine Eroberung beschlossen hatte, brauchte Geld, um ganz Italien zu erkaufen; der Papst hatte ebenfalls Geld nötig, um mit dem König von Frankreich, Ludwig XII., der trotz seiner letzten Unfälle immer noch mächtig war, zu Ende zu kommen. Es handelte sich also darum, eine gute Speculation zu machen, was in dem armen, erschöpften Italien eine schwierige Sache war.

»»Seine Heiligkeit beschloß, zwei Cardinäle zu ernennen.

»»Wählte der heilige Vater zwei vornehme und besonders zwei reiche Personen von Rom, so ging Folgendes aus seiner Speculation für ihn hervor: zuerst hatte er die großen Stellen und herrlichen Ämter verkaufen, in deren Besitz diese zwei zukünftigen Cardinäle waren; sodann konnte er auf einen sehr glänzenden Preis für den Verkauf der zwei Hüte rechnen.

»»Es blieb noch ein dritter Teil der Speculation, welcher bald zum Vorschein kommen wird. Der Papst und Cesare Borgia fanden vor Allem die zwei zukünftigen Cardinäle; es waren dies Giovanni Rospigliosi, der für sich allein vier von den höchsten Würden des heiligen Stuhles inne hatte, und Cesare Spada, einer der edelsten und reichsten Römer. Beide fühlten den Wert einer solchen Gunst von Seiten des Papstes; sie waren ehrgeizig. Waren diese Männer gefunden, so fand Cesare bald auch Käufer für ihre Stellen.

»»Daraus ging hervor, daß Rospigliosi und Spada für ihre Cardinalshüte und acht Andere dafür bezahlten, daß sie wurden, was die zwei Cardinäle neuerer Schöpfung vorher gewesen waren. Es floßen acht mal hunderttausend Thaler in die.Kassen der Speculanten.

»»Es ist nun Zeit, zu dem leisten Teile der Speculation überzugehen. Nachdem der Papst Rospigliosi und Spada mit Schmeicheleien überhäuft, nachdem er ihnen die Insignien der Cardinalswürde übertragen hatte, lud er, überzeugt, daß sie, um die nicht eingebildete Schuld ihrer Dankbarkeit abzutragen, zum Behuf ihrer Feststellung in Rom ihr Vermögen hatten realisiren müssen, lud er sagen wir, in Gemeinschaft mit Cesare Borgia diese zwei Cardinäle zum Mittagsmahle ein. Es war dies der Gegenstand eines Streites zwischen dem heiligen Vater und seinem Sohne, Cesare dachte, man könnte eines von den Mitteln gebrauchen, welches er stets für seine innigsten Freunde bereit hielt: nämlich einmal den berüchtigten Schlüssel, mit welchem man gewisse Leute einen gewissen Schrank zu öffnen bat, dieser Schlüssel hatte eine kleine eiserne Spitze, – eine Nachlässigkeit des Arbeiters. Wandte man Gewalt an, um den Schrank zu öffnen, dessen Schloß schwierig war, so stach man sich mit dieser Spitze und starb am andern Tage. Sodann war noch der Ring mit dem Löwenkopfe vorhanden, den Cesare an den Finger steckte, wenn er gewisse Händedrucke gab. Der Löwe biß in die Oberhaut dieser begünstigten Hände, und der Biß hatte nach vier und zwanzig Stunden den Tod zur Folge. Cesare schlug nun seinem Vater vor, die zwei Cardinäle entweder den Schrank öffnen zu lassen oder jedem von ihnen einen herzlichen Händedruck zu geben. Aber Alexander VI. erwiderte ihm:

»»Es soll uns nicht auf ein Mittagsmahl ankommen, wenn es sich um die vortrefflichen Cardinäle Spada und Rospigliosi handelt. Es sagt mir irgend Etwas. daß wir das Geld dafür wiedererlangen werden. Überdies vergeßt Ihr, Cesare, daß sich eine Unverdaulichkeit sogleich erklärt, während ein Stich oder ein Biß erst nach einem oder zwei Tagen ihre Folge haben.««

»»Cesare fügte sich diesen Gründen. und die Cardinäle wurden zum Mittagsmahle eingeladen. Man bereitete die Tafel in einer Villa, welche der Papst unfern von Rom besaß: ein reizender Ort, den die Cardinäle dem Rufe nach kannten. Ganz betäubt von seiner neuen Würde machte Rospigliosi seinen Magen und sein besseres Gesicht zurecht; Spada aber, ein kluger Mann, der einzig und allein seinen Neffen, einen jungen.Kapitän von den schönsten Hoffnungen liebte, nahm Papier, eine Feder, und machte sein Testament. Er ließ sodann seinem Neffen sagen, er möge ihn in der Gegend der Villa erwarten, aber es scheint, der Diener fand ihn nicht.

»»Spada kannte die Sitte der Einladungen. Seitdem das unendlich civilisirende Christentum seine Fortschritte nach Rom gebracht hatte, war es nicht mehr ein Centurio, welcher im Namen des Tyrannen erschien und zu der betreffenden Person sprach: »Cäsar will, daß du stirbst; sondern es kam ein Legat a latere mit lächelndem Munde und sagte im Auftrage des Papstes: »Seine Heiligkeit wünscht, daß Ihr mit ihr speiset.« Spada ging gegen zwei Uhr nach der Villa ab. Der Papst erwartete ihn. Das erste Gesicht, welches ihm in die Augen fiel, war das seines herrlich geschmückten Neffen, an den Cesare Borgia alle mögliche Artigkeiten verschwendete. Spada erbleichte, und Cesare, der einen Blick voll Ironie auf ihn abschoß, ließ merken, daß er Alles vorhergesehen hatte, und daß die Falle gut gerichtet war.

»»Man speiste, Spada konnte nur seinen Neffen fragen: »Hast Du meine Botschaft erhalten?« Der Neffe verneinte und begriff vollkommen das Gewicht dieser Frage. Es war zu spät, denn er hatte bereits ein Glas vortrefflichen, besonders von dem Mundschenk des Papstes für ihn aufgestellten Wein getrunken. Spada sah in demselben Augenblick eine andere Flasche kommen, von der man ihm gastfreundlich anbot. Eine Stunde nachher erklärte ein Arzt, es seien Beide durch giftige Schwämme vergiftet worden. Spada starb auf der Schwelle der Villa, der Neffe verschied an seiner Thüre, indem.er seiner Frau ein Zeichen machte, das diese nicht verstand.

»»Sogleich fielen Cesare und der Papst, unter dem Vorwande, die Papiere untersuchen zu müssen, über die Erbschaft her. Aber diese Erbschaft bestand in einem Stücke Papier, auf welches Spada geschrieben hatte: »Ich vermache meinem Neffen meine Kisten, meine Bücher, worunter mein Brevier mit goldenen Ecken, mit dem Wunsche, daß er mich im Andenken behalten möge.« Die Erben suchten überall, bewunderten das Brevier, zertrümmerten die Geräthschaften, und staunten, daß Spada, der reiche Mann, in Wirklichkeit der Elendeste der Oheime war, nirgends ein Schatz, wenn nicht in der Bibliothek oder in den Laboratorien enthaltene Schätze der Wissenschaft. Das war Alles: Cesare und sein Vater suchten, wühlten, spähten, man fand nichts oder nur wenig: für taufend Thaler Goldschmiedearbeiten und für ungefähr eben so viel gemünztes Silber; doch der Neffe hatte Zeit gehabt. zurückkehrend zu seiner Frau zu sagen, »Suche unter den Papieren meines Oheims, es ist ein wirkliches Testament vorhanden.«

»»Man suchte vielleicht noch emsiger, als es die erhabenen Erben getan hatten, aber es war vergebens. Es waren noch zwei Paläste und eine Villa hinter dem Palatino vorhanden; zu jener Zeit hatten jedoch die unbeweglichen Güter einen geringen Wert; die zwei Paläste und die Villa blieben der Familie als der Raubgier des Papstes und seines Sohnes unwürdig. Monate und Jahre verliefen; Alexander VI. Starb vergiftet, man weiß, durch welchen Mißgriff: zugleich mit ihm vergiftet, wechselte Cesare nur die Haut, wie eine Schlange, und nahm eine neue Hülle an, worauf das Gift Flecken, denen ähnlich, welche man auf einem Tigerfelle sieht, zurückließ; endlich gezwungen, Rom zu meiden, ließ er sich in einem nächtlichen Scharmützel und beinahe von der Geschichte vergessen töten.

»»Nach dem Tode des Papstes, nach der Verbannung seines Sohnes, erwartete man allgemein, die Familie:würde wieder in dem fürstlichen Glanze erscheinen, den sie zur Zeit des Cardinals gehabt hatte; aber dem war nicht so: die Spada blieben in einem zweifelhaften Wohlstande, ein ewiges Geheimnis ruhte auf dieser finsteren Angelegenheit, und es ging das Gerücht. Cesare, ein besserer Politiker, als sein Vater, habe dem Papst das Vermögen der beiden Cardinäle gestohlen, ich sage der beiden, weil der Cardinal Rospigliosi., der keine Vorsichtsmaßregel getroffen hatte, völlig geplündert wurde.««

»Bis jetzt,« unterbrach sich Faria lächelnd. »nicht wahr, bis jetzt scheint Ihnen dieses sehr unsinnig?«

»Oh! mein Freund,« sprach Dantes, »es kommt mir im Gegenteil vor, als läse ich eine Chronik voll Interesse. Fahren Sie fort., ich bitte Sie.«

»Ich fahre fort:

»»Die Familie gewöhnte sich an diese Dunkelheit. Die Jahre verliefen. Unter den Abkömmlingen waren die Einen Soldaten, die Andern Diplomaten; diese Geistliche, Jene Banquiers; die Einen bereicherten sich, die Andern richteten sich vollends zu Grunde. Ich komme zu den Letzten der Familie, zu demjenigen. Dessen Sekretär ich war, zu dem Grafen Spada. Oft hörte ich ihn sich über, das Mißverhältniß seines Ranges und seines Vermögens beklagen, und rieth ihm deshalb, das Wenige, was ihm blieb, in Leibrenten anzulegen; er folgte diesem Rathe und verdoppelte dadurch seine Einkünfte. Das berühmte Brevier war in der Familie geblieben. und der Graf Spada besaß dasselbe: man hatte es vom Vater auf den Sohn erhalten; denn die seltsame Klausel des einzigen Testaments, welches man vorfand, hatte eine wahre Reliquie daraus gemacht, welche mit abergläubischer Verehrung in der Familie aufbewahrt wurde. Es.war ein mit den schönsten gothischen Figuren ausgemaltes Buch und so schwer an Gold. daß es an großen Festtagen stets ein Diener vor dem Cardinale hertrug.

»Bei dem Anblick von Papieren aller Art, von Titeln, Verträgen, Pergamenten, die man in den Familien-Archiven aufbewahrte, und welche insgesamt von dem vergifteten Cardinal herrührten, machte ich es mir, wie zwanzig Diener, zwanzig Intendanten, zwanzig Sekretäre, welche mir vorangegangen waren, ebenfalls zur Aufgabe, diese furchtbaren Stöße zu durchforschen. Trotz meiner emsigen und gewissenhaften Nachsuchungen fand ich durchaus nichts. Ich hatte indessen eine genaue und beinahe ephemerische Geschichte der Familie Borgia nicht nur gelesen, sondern sogar selbst geschrieben, einzig und allein in der Absicht, mich zu überzeugen, ob ein Vermögenszuwachs diesen Fürsten bei dem Tode des Cardinals Cesare Spada zugekommen sei, bemerkte aber nur eine Vermehrung durch die Güter des Cardinals Rospigliosi, seines Unglücksgefährten. Ich war also beinahe sicher, daß die Erbschaft weder den Borgia. noch der Familie Nutzen gebracht hatte, sondern herrenlos geblieben war, wie jene Schätze der arabischen Märchen, welche unter der Bewachung eines Geistes im Schooße der Erde ruhen. Ich wühlte, ich zählte, ich überrechnete tausend und aber tausend mal die Einnahmen und Ausgaben der Familie seit dreihundert Jahren; Alles war vergeblich; ich verharrte in meiner Unwissenheit und der Graf in seiner Armut.

»Mein Patron starb. Er hatte von seiner Leibrente seine Familienpapiere, seine aus fünftausend Bänden bestehende Bibliothek und sein berühmtes Brevier ausgenommen; er vermachte mir dies Alles nebst taufend römischen Thalern, die er in baarem Gelde besaß, unter der Bedingung, daß ich alljährig Messen lesen ließe und einen Stammbaum, so wie eine Geschichte seines Hanfes entwerfen würde; was ich auch pünktlich vollzog . . .

»Beruhigen Sie sich, mein lieber Edmond, wir sind dem Ende nahe . . .

»Im Jahre 1807, einen Monat vor meiner Verhaftung, und vierzehn Tage nach dem Tode des Grafen von Spada, am 25. December (Sie werden sogleich begreifen, warum mir das Datum dieses merkwürdigen Tages im Gedächtnis geblieben ist), las ich zum tausendsten Male diese Papiere, welche ich zusammenordnete, denn da der Palast nunmehr einem Fremden gehörte war ich im Begriff, von Rom zu scheiden, um mich in Florenz niederzulassen, wohin ich ein Dutzend tausend Bücher, die ich besaß, meine Bibliothek und mein berühmtes Brevier mitnehmen wollte, als ich erkundet durch dieses anhaltende Studieren, mißstimmt durch ein unverdauliches Mittagsbrot meinen Kopf in meine beiden Hände fallen ließ und entschlummerte; es war drei Uhr Nachmittags. Ich erwachte, als die Uhr sechs Uhr schlug: sobald ich den Kopf emporhob, sah ich daß ich mich in der tiefsten Finsternis befand. Ich klingelte, damit man mir Licht brächte, Niemand kam. Nun beschloß ich, mich selbst zu bedienen, nahm mit einer Hand die Kerze, welche bereit stand, und suchte mit der andern, in Ermanglung von Schwefelhölzchen, ein Papier, das ich mit einem Reste im Herde glimmenden Feuers anzuzünden gedachte; aber aus Furcht in der Dunkelheit ein kostbares Papier statt eines unnützen zu nehmen, zögerte ich, als es mir einfiel, daß ich in dem berühmten Brevier, das auf einem Tische neben mir lag, ein altes oben vergilbtes Papier gesehen hatte, welches ohne Zweifel als Zeichen gebraucht und Jahrhunderte hindurch aus Ehrfurcht vor den Erben an seinem Platze erhalten worden war. Ich suchte tastend dieses unnütze Papier, fand dasselbe, wickelte es zusammen, streckte es nach der Flamme aus und zündete es an; doch unter meinen Fingern sah ich, je mehr das Feuer zunahm, wie durch einen Zauber gelbliche Charaktere aus dem weißen Papier hervorkommen und auf dem Blatte erscheinen. Da erfaßte mich der Schrecken; ich drückte in meinen Händen das Papier zusammen, erstickte das Feuer, und zündete sodann die Kerze unmittelbar am Herde an; mit einer nicht zu schildernden Bewegung öffnete ich das zerknitterte Schreiben und erkannte, daß mit einer geheimnisvollen, sympathetischen Tinte die Buchstaben welche erst bei der Berührung der lebendigen Wärme zum Vorschein kamen, gezeichnet worden waren; etwas über ein Drittel dieses Papieres hatte die Flamme verzehrt. Es ist das Papier, welches Sie diesen Morgen gelesen haben; Dantes; lesen Sie es noch einmal, und ich werde ihnen dann die unterbrochenen Sätze vervollständigen.«

Und triumphierend bot Faria das Papier Dantes, der diesmal gierig die mit einer röthlichen, rostähnlichen Tinte geschriebenen Worte las:

»Heute den 25. April 1498 zum

Alexander VI. und befürchtend, nicht zu

ließ, wolle sie von mir erben und be-

und Bentivoglio, welche an Gift

meinem Universalerben, daß ich vergr

mit mir besucht hat, nämlich in

Insel Monte Christo, Alles was ich

Diamanten, Juwelen bef

dieses Schatzes, der sich auf zwei Mil

allein bekannt ist und daß er ihn find

zwanzigsten Stein vom Krek öst.

Zwei Öffnungen sind in diesen Grott

Der Schatz liegt in der entfernt

und diesen Schatz vermache ich ihm und trete

einzigen Erben

25 Apr. 1498.

Ces

»Nun lesen Sie das andere Papier, »sprach der Abbé und reichte Dantes ein zweites Blatt mit Bruchstücken von Zeilen.

»Und nun halten Sie die zwei Bruchstücke an einander und urteilen Sie selbst,« fügte er bei, als er sah daß Dantes zu der letzten Zeile gelangt war:

Dantes gehorchte; an einander gehalten, gaben die beiden Bruchstücke Folgendes:

»Heute den 25, April 1498 zum Mittagessen eingeladen von Seiner Heiligkeit Alexander VI. Und befürchtend, nicht zu . . . frieden damit, daß sie mich meinen Hut bezahlen ließ, wolle sie von mir erben und be . . . reite mit das Schicksal der Cardinäle Caprara und Bentivoglio, welche an Gift . . . starben, erkläre ich meinem Neffen Guido Spada, meinem Universallegatar, daß ich vergr . . . aben habe, an einem Orte, den er kennt, weil er ihn mit mir besucht hat, nämlich in . . . den Grotten der kleinen Insel Monte Christo, Alles, was ich . . . an Goldstangen, gemünztem Golde, Edelsteinen, Diamanten, Juwelen bes . . . aß, daß das Vorhandensein dieses Schatzes, der sich auf zwei Mil . . . lionen röm. Thaler beläuft mir allein bekannt ist, und daß er ihn find . . . en wird, wenn er den zwanzigsten Stein vom Krek öst . . . lich angefangen weggehoben hat. Zwei Öffnungen sind in diesen Grott . . . en angebracht worden. Der Schatz liegt in der entfernt . . . esten Ecke der zweiten; und diesen Schatz vermache ich ihm und trete . . . ich ihm in das volle Eigentum ab, als meinen einzigen Erben.

25. Apr. 1498.

Cesare Spada.

»Nun! begreifen Sie endlich?« fragte Faria.

»Das war die Erklärung des Cardinal Spada und das Testament, welches man so lange suchte,« sprach Edmond, immer noch ungläubig,

»Ja, tausend Mal ja.«

»Wer hat es so wiederhergestellt?«

»Ich der ich mit Hilfe des übriggebliebenen Bruchstückes den Rest erriet, indem ich die Länge der Zeilen nach der des Papieres maß, und in den verborgenen Sinn mittelst des sichtbaren Sinnes eindrang, wie man sich in einem unterirdischen Gange einen Rest von Licht, welcher von oben kommt, führen läßt.«

»Und was thaten Sie, als Sie diese Überzeugung erlangt zu haben glaubten?«

»Ich wollte abreisen, und reiste auch sogleich ab, wobei ich den Anfang meiner großen Arbeit über die Einheit eines Königreiches Italien mit mir nahm: aber die kaiserliche Polizei, welche damals, im Widerspruch mit dem, was Napoleon gewollt hat, seitdem ihm ein Sohn geboren worden ist, die Teilung der Provinzen wollte, hatte seit langer Zeit die Augen auf mich gerichtet; meine eilige Abreise, deren Ursache sie entfernt nicht ahnte, erregte Verdacht bei ihr, und ich wurde in dem Augenblicke, wo ich mich in Piombino einschiffte, verhaftet. Nun, mein Freund,« fuhr Faria fort, indem er Dantes mit einem beinahe väterlichen Ausdrucke anschaute, »nun wissen Sie so viel als ich. Wenn wir uns je mit einander flüchten, so gehört die Hälfte meines Schatzes Ihnen; sterbe ich hier und Sie fliehen allein, so gehört er Ihnen ganz.«

»Aber,« fragte Dantes zögernd, »ist in der Welt nicht irgend Jemand, der mehr rechtlichen Anspruch auf diesen Schatz hättet als, wir?«

»Nein, nein, beruhigen Sie sich, die Familie ist völlig ausgestorben. Der letzte Graf von Spada hat mich überdies zu seinem Erden eingesetzt; indem er mir dieses symbolische Brevier vermachte, vermachte er mir auch, was es enthielt. Nein, nein, seien Sie unbesorgt, wenn wir von diesem Vermögen Besitz ergreifen, können wir es ohne Gewissensbisse genießen.«

»Und Sie sagen, dieser Schatz belaufe sich . . . ?«

»Auf zwei Millionen römische Thaler, ungefähr dreizehn Millionen unseres Geldes.«

»Unmöglich!« rief Dantes erschrocken über diese ungeheure Summe.

»Unmöglich! Und warum?« versetzte der Greis. »Die Familie Spada war eine der ältesten und mächtigsten Familien des fünfzehnten Jahrhunderts. Überdies sind in Zeiten, wo es gänzlich an Speculation und Gewerbsfleiß gebricht, solche Anhäufungen von Gold und Juwelen nicht selten, noch heutigen Tages gibt es römische Familien, welche Hungers sterben, und gegen eine Million in Diamanten und Edelsteinen besitzen, die sich durch Majorat vererbt haben und von ihnen nicht veräußert werden dürfen.«

Edmond glaubte zu träumen; er schwebte zwischen der Ungläubigkeit und der Freude.

»Ich habe die Sache nur so lange vor Ihnen geheim gehalten,« fuhr Faria fort, »einmal um Sie zu prüfen, und dann um Sie zu überraschen. Wären wir vor meinem Starrsuchtanfall geflohen, so hatte ich Sie nach Monte Christo geführt; nun aber,« fügte er mit einem Seufzer bei, »werden Sie mich führen. Wie, Dantes, Sie danken mir nicht?«

»Dieser Schatz gehört Ihnen, mein Freund,« sprach Dantes; »er gehört Ihnen allein, und ich habe kein Recht darauf; ich bin kein Verwandter von Ihnen.«

»Sie sind mein Sohn, Dantes,« rief der Greis.

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»Sie sind das.Kind meiner Gefangenschaft. Mein Zustand verurteilte mich zum Cölibat; Gott hat Sie mir geschickt, um zugleich den Mann, der nicht Vater, und den Gefangenen, der nicht frei sein konnte, zu trösten.« Und Faria streckte den Arm, der ihm blieb, gegen Dantes aus, und dieser fiel ihm weinend um den Hals.«

Der Graf von Monte Christo

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