Читать книгу Zwangsvollstreckungsrecht, eBook - Alexander Bruns - Страница 229

b) Vollstreckung durch Willensbeugung

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7.7

In die persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 GG) wird eingegriffen, wenn der Wille des Schuldners bei der Personalexekution durch Zwangsgeld oder Zwangshaft gebeugt werden soll (§§ 888, 890). Das deutsche Vollstreckungsrecht geht dabei wegen der gesteigerten Eingriffsintensität der Personalexekution vom Vorrang der Realexekution aus und betrachtet willensbeugende Personalexekution als ultima ratio, die nur greift, falls andere Vollstreckungsmöglichkeiten sinnvoll nicht denkbar sind.

7.8

Bei der Abgrenzung von vertretbarer und nichtvertretbarer Handlung folgt hieraus die Vermutung zu Gunsten vertretbarer Handlung[13]; damit wird der Vorrang der Realexekution als des verfassungsrechtlich milderen Eingriffs gewahrt. Rechtsgeschichtlich ist die Verdrängung der Personalexekution durch die Realexekution ein Fortschritt[14]. Dass dieser Prozess noch nicht in allen Staaten der EU abgeschlossen und dort ein nicht immer geordnetes Nebeneinander von Real- und Personalexekution zu beobachten ist, sollte nicht zu bedenklichen Reformvorschlägen in Deutschland motivieren[15].

7.9

Gegenüber dem Zwangsgeld ist die Zwangshaft der extrem stärkere Eingriff. Zwangshaft darf deshalb nur eingesetzt werden, falls Zwangsgeld wirkungslos geblieben oder mit Sicherheit von vorneherein aussichtslos ist. Innerhalb der Zwangsmittel der Personalvollstreckung gebietet die Verfassung eine nicht positivierte Reihenfolge der Vollstreckungsmittel (gradus executionis)[16]. Die Haft als härtestes Vollstreckungsmittel bedarf von Verfassungs wegen besonders strenger Kontrolle ihrer Voraussetzungen (Art. 104 GG). Es war deshalb verfassungsrechtlich überaus fragwürdig, wenn der BGH zur Verwirklichung der Pfändung von Einkommensteuererstattungsansprüchen ohne hinreichende gesetzliche oder dogmatische Grundlage eine über die Offenbarungsversicherung hinausgehende Mitwirkungspflicht des Schuldners angenommen hat, die überdies ohne gesonderte Titulierung im Wege der Hilfsvollstreckung vollstreckbar sein soll[17].

7.10

Die Haft zur Durchsetzung der Vermögensauskunft (§ 802g) ist streng genommen kein eigentliches Vollstreckungsmittel, sondern ein Mittel zur Durchsetzung von Auskunftspflichten des Schuldners, die dem verfahrensrechtlichen Zeugniszwang ähneln. Auch diese Haft kann nach der Verfassung nur die ultima ratio sein: strengste Kontrolle der Pflichtverletzung; Aufschubmöglichkeiten bei Bereitschaft zur Pflichterfüllung oder künftigem Fortfall der Auskunftspflicht wegen Tilgung[18]. §§ 802f ff. werden diesen Anforderungen gerecht, indem sie vielerlei Moratorien zu Gunsten des Schuldners gewähren; das BVerfG stellt darüber hinaus an die Prüfung der Pflichtigkeit des Schuldners Höchstanforderungen[19].

7.11

Eine Willensbeugung als besonders starker Eingriff in die persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) lässt sich nur rechtfertigen, falls das Beugemittel noch einen Zweck hat. Bei § 888 muss die geschuldete Handlung im Zeitpunkt der Festsetzung des Zwangsmittels möglich sein[20], bei § 890 tritt neben den Zweck der Willensbeugung die Sanktion als generalpräventiver Zweck. Sie verlangt von Verfassungs wegen den schuldhaften Verstoß[21]: „nulla poena sine culpa“ als der Rechtsstaatlichkeit entfließender Verfassungssatz.

7.12

Das BVerfG hat allerdings die Gleichsetzung mit der Strafe auf verfassungsrechtlicher Ebene nicht so weit getrieben, dass ähnlich wie im Strafprozess volle richterliche Überzeugung vom Verschulden des Schuldners gegeben sein müsste. Vielmehr gelten zivilprozessuale Beweisregeln, insbesondere bleibt der prima facie-Beweis möglich[22]. Das BVerfG begründet dies zutreffend mit dem Zweck des Vollstreckungsverfahrens, private Rechte durchzusetzen, nicht einen staatlichen Strafanspruch: bei zu hohen Beweisanforderungen scheitere die Rechtsverwirklichung des Gläubigers.

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