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VIII. Kapitel

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„Du wirst noch enden wie dein Verlobter Berthold und wirst auch von hier verschwinden müssen, wenn es so weiter geht. Da wird dir auch meine gute Stellung als Stadtschreiber nicht helfen!“, sagte Ambrosius Kufner erregt zu seiner Tochter.

Katharina wollte etwas einwenden, doch ihr Vater fiel ihr ins Wort: „Schluss jetzt mit deinen Argumenten, ich möchte sie nicht mehr hören!“

Katharina wusste, dass ihr Vater erst einmal seiner Wut freien Lauf lassen musste, bevor sie eine Möglichkeit hatte, etwas auf seine Vorwürfe zu erwidern. Er war kein ungerechter Mann, aber trotz, oder vielleicht gerade wegen seiner ihm allzeit Ruhe und Konzentration abfordernden Tätigkeit als Stadtschreiber, sehr impulsiv, wenn es ans Diskutieren ging. Vater und Tochter schauten sich tief in die Augen.

„Also, was ist nun, willst du mir etwa nicht antworten?“, fragte Ambrosius fordernd.

„Eben sollte ich doch noch still sein und nun möchtest du, dass ich …“

„Werde nicht spitzfindig, mein Kind, und vor allem nicht vorlaut! Ich denke nicht, dass es an dir ist, hier neue Regeln für die Befragung desjenigen einzuführen, der seinem Vater eine Rechtfertigung schuldet, oder?“

„Nein, natürlich nicht!“, stammelte Katharina.

„Gut“, sagte Ambrosius Kufner, „dann haben wir uns verstanden. Also, nun erkläre mir, was passiert ist. Warum hat dich der nichtsnutzige Hermann Etzelroth in Grubers Schänke zitiert und das vor allem zu einer Zeit, in der gottesfürchtige Menschen normalerweise bemüht sind, ihr täglich Brot zu verdienen? Ganz abgesehen davon, dass sich das nicht schickt für ein junge Frau. Und warum musste ich es erst von Gruber erfahren und nicht von meiner eigenen Tochter?“

Katharina schaute betroffen auf den Boden und schluckte. Dann erzählte sie ihrem Vater, was vorgefallen war. In allen Einzelheiten, besonders das, was Berthold betraf. Den Vorfall mit Berthold bei Franz’ Hinrichtung, seine Flucht, das Leid, das Etzelroth über die Graychens gebracht hatte, ihren eigenen Schmerz, die große Liebe so gut wie verloren zu haben, und die Ungewissheit darüber, wie es weitergehen sollte. Sie war außer sich und weinte.

„Warum nur liegt dem Vogt denn so viel an Berthold? Warum kann er ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Einen gewöhnlichen Dieb oder Beutelschneider verfolgt Etzelroth normalerweise nicht mit einer solchen Inbrunst, warum dann ihn?“

Katharina wischte sich die Tränen ab. Ihr Vater schwieg betroffen. Dann fragte er: „Und wie war das nun mit Hermann Etzelroth?“

„Nur kurz nach Bertholds Flucht kam er zu mir und sagte, dass es besser für mich und dich wäre, wenn ich mich mittags in der Schänke von Schankwirt Gruber einfände, da er mir einige Fragen zu stellen habe. Ich bin natürlich hingegangen und habe dir nur deshalb nichts davon erzählt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte. Ich dachte, er wolle mir nur wieder nachstellen, jetzt wo Berthold fort ist, so wie er es schon einmal versucht hat. Was dann auch eintraf. Er war ekelhaft und unerträglich aufdringlich. Zunächst hat mich dieser besoffene Kerl nur begrapscht, dann jedoch, nachdem ich mir das verbeten habe, hat er mich so lautstark über den Aufenthaltsort von Berthold verhört, dass die anderen Gäste überstürzt die Schänke verlassen haben. Auch Gruber war das nicht recht, aber was hätte er machen sollen?

Aber da ich wirklich nicht weiß, wohin Berthold geflohen ist, konnte ich Hermann ja auch nichts sagen. Und selbst wenn ich es gewusst hätte, hätte ich natürlich nichts verraten“, versicherte Katharina. „Auf jeden Fall war Hermann sehr erbost darüber, weder etwas aus mir herausgeholt, noch mit seinen widerlichen Annäherungsversuchen Erfolg gehabt zu haben. Er drohte mir, dass alle, die sich gegen ihn und seinen Vater wenden würden, es bald bitter bereuen würden – später, wenn die große Sache erst vollendet worden sei. Dann stand er auf und ist, ohne seine Zeche zu zahlen, wutentbrannt aus der Wirtschaft gestürmt.“

Ambrosius Kufner schaute seine Tochter besorgt an.

Nach einiger Zeit sagte er: „Das ist nicht gut, Katharina. Wir beide wissen, welch ein Lump und Tagedieb Hermann Etzelroth ist. Ein gottloser Mensch, der sich in der Sicherheit des Amtes seines noch verderbteren Vaters wähnt und deshalb unberechenbar ist. Er hat keine wirkliche Macht, aber vor seinem Vater müssen wir uns hüten, glaube mir. Und wenn Hermann mit einer großen Sache prahlt, dann wird sicher etwas Wahres daran sein. Weißt du, was er damit gemeint haben könnte?“

„Nein“, entgegnete Katharina ihrem Vater, „ich habe keine Ahnung. Was sollen wir nur tun, Vater? Ich habe Angst.“

„Mir ist auch nicht wohl bei dem Ganzen, aber ich schlage vor, dass wir einen kühlen Kopf bewahren und versuchen sollten, unser Leben so unauffällig wie irgend möglich weiterzuleben. Sieh mich an. Weißt du wirklich nicht, wo sich Berthold aufhalten könnte?“, hakte er nach.

„Nein, Vater, ich weiß es nicht. Bei Gott, ich schwöre es auf meine tote Mutter!“

Ambrosius Kufner war einen Moment sichtlich berührt von dem Schwur seiner Tochter. Er ging auf sie zu, fasste ihre Hand und sagte: „Ich glaube dir, Katharina. Nur geht es hier um mehr als einen jungen Mann, der seltsame Ahnungen hat und bei einer Hinrichtung zusammenbricht, so viel steht fest. Diejenigen, die damit zu tun haben, kennen keine Skrupel und haben keine Achtung vor Gottes Schöpfung. Ein Leben bedeutet ihnen nichts, glaube mir. Wir müssen uns sehr vorsehen. Ich werde gleich morgen früh zu den Graychens gehen und mit Peter über die ganze Sache sprechen. Ich bin ihm das schuldig, schließlich kennen wir uns nun auch bald ein ganzes Leben lang.“

„Das würdest du tun, Vater?“, fragte Katharina erleichtert.

Ambrosius Kufner hob beschwichtigend seine Hand. „Ja, aber jetzt kein Wort mehr davon und zu niemandem sonst, verstanden? Bevor ich nicht weiß, was hier gespielt wird, müssen wir so leben wie bisher.“

Mit diesen Worten blies der Schreiber die beiden Kerzen in der Schreibstube aus und sie verließen beide das Zimmer, um zu Bett zu gehen.

Schattenfehde

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