Читать книгу Texas Colts - Western Sammelband 7005 August 2019 - 7 Wildwestromane in einem Band - Alfred Bekker - Страница 12

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Dreißig Meilen von Kellys Station entfernt, im heißen Niemandsland zwischen Silver City und Lordsburg, lag das nächste Etappenziel der außerplanmäßigen Kutsche: „Chamber’s Inn“.

Es war ein Morgen wie jeder andere für die vier Menschen, die in der Station lebten. Nach dem Frühstück ging der alte Floyd Chamber in den Stall, um die Pferde zu versorgen. Seine Frau Eleanor kümmerte sich um ihren Gärten. Die grauhaarige Lady hatte sich mitten in der staubigen Einöde ein Stückchen Paradies geschaffen - ein Blumenbeet neben dem Corral der Station. Dort blühten rote Sandverben, gelbe, sternförmige Blumen, deren Namen Ma Chamber nicht einmal kannte, und dornige Ocotillos mit ihren schuppigen grünen Blättern und flammend roten Blüten. Es war ein schöner Farbtupfer im Grau und Ocker der Wildnis und Ma Chambers ganzer Stolz.

Liebevoll betrachtete sie die Blütenpracht.

Dann hörte sie die Schüsse und blickte auf.

Sie seufzte.

Bob, ihr Sohn, übte sich wieder einmal im Schießen. Wie jeden Tag. Sie stellte sich vor, wie er jetzt zwischen den Büschen am Creek stand und auf Flaschen und Büchsen schoss, und sie dachte: ein Jammer mit dem Jungen. Sechzehn Jahre — und nichts anderes im Kopf als Waffen und Schießen. Träumt davon, mal ein berühmter Revolvermann zu werden. Als wenn das ein erstrebenswertes Ziel wäre, schneller zu sein als andere. Mein Gott, wenn wir ihm das doch ausreden könnten! Ob ich mal mit Laura rede? Der Junge mag sie. Vielleicht kann sie ihn von seiner Schießleidenschaft abbringen?

Laura Campbell lebte seit fast einem Jahr bei den Chambers auf der Station. Sie war eines Tages mit der Kutsche gekommen und geblieben. Die Chambers hatten sich oft gefragt, weshalb eine so attraktive junge Frau die Einsamkeit suchte. Entsprechende Fragen hatte sie immer höflich lächelnd, aber ausweichend beantwortet.

Ja, ich werde mal mit Laura reden, dachte Eleanor Chamber, als sie zum Haus zurückging.

Laura war in der Küche. Sie hantierte am Herd und summte „Yellow Rose of Texas“ vor sich hin. Sie lächelte, als Ma Chamber die Küche betrat.

„So, das Essen braucht nur noch zu kochen, Ma. Jetzt hab ich ein bisschen Zeit. Soll ich noch einen Kaffee machen?“

Ma Chamber nickte und setzte sich an den Tisch. Devil, der, kleine schwarze Bastardhund, kam schwanzwedelnd zu ihr, und sie kraulte ihn gedankenverloren. Laura bemerkte, dass die alte Lady bedrückt war.

„Ist etwas, Ma? Du siehst so traurig aus.“

Ma Chambers seufzte wieder.

„Laura, ich mache mir Sorgen wegen Bob ...“

Laura strich sich eine Strähne des schwarzen Haars aus der Stirn und nickte.

„Er verpulvert wieder jede Menge Munition.“

Ma Chamber neigte lauschend den Kopf.

„Ja, heute schießt er besonders oft. Aber das ist es nicht. Solange er noch auf Dosen oder Flaschen schießt, habe ich nichts dagegen. Aber er tut das doch nur mit dem Ziel, eines Tages auch auf Menschen zu schießen.“

„Ach, Ma, er ist noch ein richtiges Kind. Obwohl er sich einbildet, schon ein ganzer Mann zu sein.“ Sie dachte an den Morgen, als Bobby ihr nachgestellt hatte. Er hatte ihr einen regelrechten Antrag gemacht und versucht, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen. Sie hatte ihn abgewiesen und ihm klargemacht, dass er erst mal erwachsen werden solle.

Wahrscheinlich hat er mich nicht verstanden, dachte sie, und er tobt sich jetzt zornig und enttäuscht aus.

„Ja, er ist noch ein Kind“, wiederholte Ma Chamber gedankenverloren. „Was sind das nur für Zeiten, dass Kinder schon mit Waffen spielen.“

Laura Champell lachte hell. Sie versuchte, Ma Chamber zu trösten.

„Ach, das gibt sich sicher noch. Mein Bruder hat früher auch immer mit einem Spielzeugrevolver rumgefuchtelt und hat sich vorgestellt, Kunstschütze zu werden. Heute ist er Arzt und flickt die Leute zusammen, die ihre pubertären Fantastereien auch als Große nicht bewältigt haben.“

„Das ist es ja eben, was mich beunruhigt. Wenn Bob noch elf oder zwölf wäre! Aber mit sechzehn ...! Da müsste ein normaler Junge doch schon andere Wünsche und Ziele haben. Als ich sechzehn war, hatte ich einen Freund, der konnte Klavier spielen, und ich tanzte zu seiner Musik. Es war wunderbar.“

Laura lächelte.

„Sorg dich nicht, Ma! Ich glaube, Bobby entwickelt sich noch. Er ist noch unreif - wahrscheinlich hält er den Colt für sein ,Klavier‘, mit dem er sich bestätigen kann. Aber sonst hat er auch schon andere Interessen.“

Ma Chamber blickte Laura überrascht an.

„Was interessiert ihn denn noch außer seiner Schießerei und Devil?“ Sie tätschelte den kleinen Hund, der sich wieder schwanzwedelnd bemerkbar machte, als sein Name fiel.

„Nun, zum Beispiel denkt er auch an Mädchen.“ Laura lachte. „An die Liebe. So verkehrt sich das Zerstörerische ins Gegenteil. Ein Mensch, der an die Liebe glaubt, wird irgendwann dahinter kommen, dass Waffen letzten Endes zum Töten erfunden worden sind, und er wird sie verabscheuen.“

Ma Chamber blickte Laura überrascht an.

„Mädchen, ich mag dich“, sagte sie dann montan. „Wie du das gesagt hast. Du bist doch auch noch so jung. Manchmal wünschte ich, du wärst meine Tochter. Und ich denke daran, dass du uns irgendwann wieder verlassen wirst.“

Laura ging zum Herd, denn das Kaffeewasser kochte.

„Im Augenblick gefällt es mir noch ganz gut hier. Es ist zwar einsam, aber in der Einsamkeit hat man Zeit, sich Gedanken zu machen und mit sich selbst ins Reine zu kommen.“ Sie warf der grauhaarigen Frau einen Blick zu. „Als ich herkam, war für mich die Welt völlig durcheinander. Ich verstand sie nicht mehr. Und jetzt ist die Welt für mich wieder in Ordnung.“

Ma Chamber wollte eine Frage stellen, aber sie verzichtete darauf. Irgendwann würde Laura Campbell von sich aus über ihre Vergangenheit erzählen. Etwas anderes beschäftigte sie jetzt. Sie blickte Laura prüfend an.

„Sag mal, Mädchen, wie kommst du darauf, dass Bobby an die Liebe, an Mädchen denkt? Hat er dir etwa …?“

Laura schüttelte langsam den Kopf. Sie wollte Bobby nicht verraten oder seine Eltern beunruhigen. „Ah, ich sehe ihm das an der Nasenspitze an, an seinen Blicken. Wenn er etwas älter oder ich jünger wäre, würde er mir wahrscheinlich einen Antrag machen.“

„Nein. Das kann doch nicht wahr sein. Bobby? Der Junge ist doch wirklich noch ein Kind. Und viel zu schüchtern.“

„Irgendwann entwachsen alle den Kinderschuhen“, erwiderte Laura. Und in Gedanken fügte sie hinzu: „Die Eltern bemerken das meistens als Letzte.“

Sie schenkte Kaffee ein.

Ma Chamber war nachdenklich geworden. Schließlich wirkte sie fast vergnügt.

„Das wäre ja schön, wenn Bobby langsam auf andere Ideen kommt. Vielleicht ist die Einsamkeit hier für seine Entwicklung nicht gerade förderlich. Vielleicht sollten wir mal mit ihm zur Stadt fahren, damit er sich ein bisschen umsehen kann. Die wenigen Reisenden, die er hier mal sieht, sind einfach zu wenig.“

„Vielleicht ist irgendwann einmal ein Mädchen dabei, eine kleine Prinzessin, die nur auf ihn wartet.“

Ma Chamber winkte ab.

„Ah, den Traum kann er vergessen. In seinem Alter hab ich auch immer von einem Märchenprinzen geträumt, der mich eines Tages entführt. Und wie war die Wirklichkeit? Der Märchenprinz kam nicht. Stattdessen kam Floyd. Und ich musste ihn entführen, denn er war schüchterner als ein dummer Farmersjunge. Dabei hatte er schon einen berühmten Namen als Revolverma...“ Sie verstummte, als hätte sie zu viel gesagt.

Laura hatte verstanden. Die Neuigkeit überraschte sie, aber sie ließ sich nichts anmerken. Der alte Floyd Chamber ein berühmter Revolvermann? Jetzt wurde Laura vieles klar. Vor allem die Sorge der Eltern um Bobby. dass er so werden könnte wie sein Vater.

Ma Chamber nippte an ihrem Kaffee.

„Ja, Mädchen. Jetzt habe ich es verraten, dabei soll es niemand wissen. Vor allem Bobby nicht. Floyd war einer dieser legendären Revolverschwinger. Jetzt ist er alt und hat die Gicht. Ich glaube, ich könnte noch schneller einen Colt ziehen als er. Er hat mir damals die Wahrheit gesagt. Und er hat mir geschworen, nie mehr eine Waffe anzurühren. Wir sind vor zwanzig Jahren absichtlich an diesen einsamen Platz mitten in der Wildnis gezogen. Floyd wollte nichts als Ruhe, wollte vergessen. Es war eine sehr glückliche Zeit. Aber ich weiß, dass er unter Bobbys Schießwut leidet. jedes Mal, wenn Bobby übt, wird er an seine alte Zeit erinnert.“

„Vielleicht solltet ihr mal ein offenes Wort mit Bobby reden.“

„Wir haben es mehrfach versucht. Er verschließt sich sofort, er meint, wir hätten kein Verständnis für die Jugend.“ Sie blickte Laura bittend an. „Könntest du nicht mal mit ihm sprechen?“

„Warum nicht?“, sagte Laura. „Ich kann es ja mal versuchen.“

„Aber sag nichts von der Vergangenheit meines Mannes, bitte.“ Die ältere Frau legte eine Hand über Lauras Rechte. Laura nickte.

„Ich werde ihm gleich Kaffee bringen. Vielleicht ergibt sich da schon eine Gelegenheit.“

Floyd Chambers betrat die Küche. Er war ein kleiner, fast schmächtiger Mann Anfang sechzig. Er ging schleppend und etwas gebeugt. Die vielen Falten und Runzeln in seinem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht ließen ihn noch älter wirken, als er war. Er schob seinen speckigen Hut in den Nacken und wischte sich die Hände an der verschlissenen Reithose ab. Als er lächelte, gerieten die Runzeln und Falten in Bewegung.

„Ah, da sieht man mal wieder, wie anstrengend die Hausarbeit ist“, sagte er mit erstaunlich tiefer Stimme und lachte glucksend. „Habt ihr noch etwas Kaffee übrig?“

Laura schenkte noch ein.

„Du hast dich auch nicht gerade zu Tode gearbeitet“, sagte Ma Chambers, als ihr Mann ächzend am Tisch Platz nahm.

„Immerhin habe ich mein Morgenpensum erledigt“, erwiderte Chamber und holte sein Rauchzeug hervor. Er stopfte Tabak in die Pfeife und steckte ihn umständlich in Brand. Dann blies er genussvoll dicken Qualm aus. Ma Chamber begann, ihrem Mann einen Vortrag über die anstrengende Hausarbeit zu halten, und Laura lächelte in sich hinein. So gut sich die beiden Alten auch verstanden, bei diesem Thema gerieten sie sich jedes Mal in die Haare.

Laura nahm die Kaffeekanne und einen Becher.

„Dann will ich mal Bobby etwas zu trinken bringen“, sagte sie und wandte sich zur Tür. „Unser Held wird Durst haben.“

„Jetzt wird der nichtsnutzige Bengel auch noch bedient“, hörte Laura Floyd Chamber mürrisch sagen, als sie die Küche verließ.

Auf dem Weg zum Creek, zu Bobbys „Schießplatz“, bemerkte Laura am nördlichen Horizont drei Reiter. Sie waren noch weit entfernt, so dass sie wie winzige Punkte erschienen, die langsam in einer Staubwolke näher krochen.

Ob die bei uns rasten?, dachte Laura.

Es kam vielleicht alle paar Wochen mal vor, dass Reiter den Postkut schentrail benutzten und in „Chamber’s Inn“, einkehrten.

Es war immer eine Abwechslung im alltäglichen Trott.

Vielleicht ist eines Tages auch einmal mein Märchenprinz dabei, dachte Laura. Der Gedanke erheiterte sie. Beschwingt setzte sie ihren Weg fort.

Bobby lag im Gras am Ufer des Creeks. Als er Lauras Schritte hörte, sprang er auf, und seine Rechte zuckte zur Colthalfter. Dann sah er Laura zwischen den Büschen auftauchen und entspannte sich.

„Es sind keine Indianer und keine bösen Buben“, sagte Laura mit leichtem Spott, „sondern es ist deine Freundin Laura mit dem Kaffee.“ Sie schritt anmutig zu Bobby und setzte sich neben ihn ins Gras.

„Freundin ist gut“, murmelte Bobby. Er hatte eine Stimme, die noch stark an den Stimmbruch erinnerte. „Heute Morgen warst du aber anderer Meinung.“ Es klang fast trotzig.

Laura blickte den Jungen an. Er war fast zwei Köpfe größer als sein Vater, schlaksig und mager. Sein blonder Haarschopf hing ihm wirr in die Stirn. Er hatte blassblaue, muntere Augen. Seine Haut war sommersprossig und mehr rot als braun.

Laura lächelte ihn an.

„Nein, ich war nicht anderer Meinung, Bobby ...“

„Nenn mich nicht Bobby! Mein Name ist Robert. Allenfalls kannst du Bob zu mir sagen. Aber ich habe es satt, mich andauernd wie einen dummen Jungen behandeln zu lassen.“

„In Ordnung, Robert“, sagte Laura geduldig. „Du bist fast schon erwachsen. Warum bist du so ärgerlich? Noch wegen heute Morgen? Lass uns das vergessen und wieder gute Freunde sein!“

„Auf so eine Freundin pfeife ich“, sagte Bob. „Du hast dich ja nicht mal küssen lassen.“

Laura lachte. „So ist das. Du hältst das für das Wichtigste. Glaubst du wirklich, dass sich Freund und Freundin küssen müssen?“

„Na klar, das gehört doch zu der Liebe dazu.“

„Aber Liebe und Freundschaft ist etwas anderes“, erklärte ihm Laura. „Es ist schön, wenn beides zusammentrifft, aber das ist sehr selten.“

„Für mich ist das dasselbe. Entweder küsst du mich, oder du kannst mich nicht leiden.“ Sein Blick nahm einen hungrigen Ausdruck an, als er über ihre Formen tastete. „Mit einem Kuss fängt alles an, und dann sehen wir weiter.“ Er bemühte sich, das lässig zu sagen, aber Laura spürte, wie es in dem Jungen aussehen musste. Sie hatte Mühe, über sein Getue nicht zu lachen. Er war eben doch noch ein Bobby, kein Bob und ein Robert schon gar nicht.

„Sieh mal, Bob“, sagte Laura, „ich kann dich verstehen und ganz gut leiden. Aber ich liebe dich nicht.“ Sie hob abwehrend die Hand, als er auf begehren wollte. „Das liegt nicht daran, dass du ein paar Jährchen jünger bist als ich.“ Sie knuffte ihm freundschaftlich in die Seite. „Es ist keine Frage des Alters, wenn man sich liebt, Bob.“

„Und was ist es denn?“, fragte Bob.

„Das ist schwer zu beantworten. Es ist einfach da.“ Laura Campbell wusste nicht, wie sie dem Jungen ihre Gedanken verständlich machen konnte. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Schließlich sagte Bob, ohne sie anzusehen: „Warst du denn schon mal verliebt? Ich meine, so richtig?“

Sie spürte, dass er ihrer Antwort entgegenfieberte.

„Ja, Bob, ich war schon mal verliebt. So richtig. Damals war ich dreiundzwanzig. Bevor ich hierhin kam, kannte ich einen Mann, den ich liebte..

„Tatsächlich?“ Bob starrte sie offenen Mundes an. „Davon hast du ja noch gar nichts erzählt.“

Laura lachte.

„Du hast mich auch noch nicht danach gefragt.“ Sie schaute ihn überlegend an. „Wenn du mir versprichst, dass es unser Geheimnis bleibt, erzähle ich dir noch mehr.“

„Versprochen“, sagte Bob fast feierlich.

Manchmal wirkt er noch wie ein Zwölfjähriger, dachte Laura bei sich. Sie hoffte, dass sie dem Jungen so einiges ausreden konnte. Zum Beispiel seine Schießleidenschaft. Oder dass er sich falsche Hoffnungen bei ihr machte. Heute Morgen hatte er sich wie ein liebestoller Jüngling auf geführt. Sie wollte ihn nicht kränken, aber er musste einsehen, dass er sich nicht in dumme Fantasien verrennen durfte.

Sie erklärte ihm, was sie unter Liebe und Freundschaft verstand, aber sie hatte das Gefühl, dass er ihr nicht ganz folgen konnte. Er legte einen Arm um ihre Schulter, und sie ließ ihn gewähren. Sie lenkte das Thema wieder auf ihre Vergangenheit.

„Ich liebte diesen Mann vom ersten Tag an, als ich ihn sah. Es war einfach da, ein Gefühl, das tief aus dem Herzen kommt, und das man nicht erzwingen kann. Auch er liebte mich, so glaubte ich jedenfalls. Wir waren eine Zeitlang sehr glücklich miteinander. Aber da wusste ich noch nicht, dass er ein berühmter Revolvermann war.“

„Was?“ Das interessierte Bob wie erwartet. ,,So ’n richtiger Revolverschwinger?“

„Ja, sie nannten ihn das schnellste Eisen von Laredo.“

„Und?“, fragte Bob ungeduldig. „Weiter?“

„Da gibt’s nicht mehr viel zu erzählen“, erwiderte Laura herb. „Er starb bei einer Schießerei.“

„Damit muss man immer rechnen“, sagte Bob. „Viele große Namen hat’s erwischt. Es gehört natürlich ein bisschen Glück dazu, sich immer zu behaupten. Aber das Meiste ist Können.“

„So, meinst du?“ Laura schüttelte den Kopf, dass ihr langes schwarzes Haar flog. „Irgendeiner ist immer schneller. Eine Kugel kann alles auslöschen: das Leben, die Liebe, das Glück. Denk mal darüber nach, Bob!“

Bob blickte plötzlich misstrauisch. Er nahm den Arm von ihrer Schulter.

„Eh, warum erzählst du mir das? Klingt ja beinahe wie die Predigten von Ma und Pa. Sie meckern mich auch andauernd an, weil ich übe, um meine Form zu steigern und geschmeidig zu bleiben. Hast du auch etwas dagegen? Hast du mir das nur erzählt, um mir den Spass zu verderben? He, das mit dem Revolvermann stimmt vielleicht gar nicht?“

„Doch“, erwiderte Laura, „es stimmt.“ Und sie dachte: Im Großen und Ganzen stimmt es. Tom war zwar kein berühmter Revolvermann, sondern ein berüchtigter Killer - aber was macht das für Bob schon einen Unterschied?

„Naja“, überlegte Bob, „wenn man Pech hat, hat man eben Pech. Das mit deinem Freund tut mir leid. Wart ihr eigentlich verheiratet?“

Laura schüttelte den Kopf. Bob grinste verständnisvoll, aber Laura wusste, dass der Junge noch gar nichts verstand. Er zog einen Schmollmund, als sie sich erhob.

„Willst du schon gehen? Wir haben uns doch gerade so schön unterhalten.“

Sein Blick verriet ihr, dass er gehofft hatte, das Gespräch auf andere Art fortsetzen zu können.

„Ich muss mich um das Essen kümmern“, erwiderte sie und schritt davon. Sie dachte: Irgendwann werde ich noch deutlicher bei ihm werden müssen.

In der Tür der Station wandte sie sich noch einmal um. Die Büsche am Creek verdeckten die Sicht auf Bob. Die drei Reiter waren jetzt bis auf etwa eine halbe Meile heran. Sie ritten im Galopp.

Als Laura später aus dem Küchenfenster blickte, sah sie die Reiter wieder.

Die drei Männer trennten sich. Zwei ritten auf dem Trail weiter, der dritte trieb sein Pferd am Corral vorbei auf das Stallgebäude zu.

Dann stockte Laura der Atem.

Der Reiter ritt mitten durch Ma Chambers Blumenbeet. Er rief den anderen etwas zu, was Laura nicht verstehen konnte, und lachte. Sie konnte sein Gesicht sehen. Ein breites, aufgedunsenes, stoppelbärtiges Gesicht. Das Pferd trampelte die Blumen nieder, und der Reiter lachte!

Im nächsten Augenblick tauchte Floyd Chamber in der Stalltür auf. Er rief dem Reiter etwas zu.

Der Reiter griff zum Colt.

Dann peitschte auch schon der Schuss. Floyd Chambers Hut segelte davon.

Laura war vor Schreck wie erstarrt. Das sind keine normalen Gäste, durchfuhr es sie. Das sind wilde, gefährliche Burschen. Wieder knallte es, und Laura sah, wie Floyd Chamber erschrocken zur Seite sprang. Der Mann, der geschossen hatte, stemmte die Hände aufs Sattelhorn und lachte.

Der Hufschlag war vor der Station verstummt. Schritte näherten sich. Eine raue Stimme rief etwas. Dann schrie Ma Chamber, die im Hauptraum die Tische gesäubert hatte. Es war ein schriller Schrei voller Furcht.

Laura lief aus der Küche. Auf dem Gang blieb sie abrupt stehen.

Ein Mann stand in der Tür. Ein finsterer Mann mit stechendem Blick. Er hielt einen Colt in der Hand.

„Eh“, sagte er rau und musterte sie lüstern. „Das ist aber ’ne Überraschung. Da wird sich Rufus aber freuen.“

Die Tür zum Hauptraum ging auf, und Laura sah Ma Chamber. Die grauhaarige Frau war blass und wirkte völlig verstört. Hinter ihr tauchte ein Mann auf. Er war groß, und seine schwarze Kleidung war staubig und verschwitzt. Auch er hielt einen Revolver in der Hand. Er gab Ma Chamber einen Stoß und zischte: „Ich hab dich etwas gefragt, Mylady! Und ich wiederhole nicht gern meine Fragen. Sind das alle auf der Station?“

Er richtete drohend seinen Revolver auf die Frau. Ma Chamber nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Ihre Lippen zitterten.

Devil, der kleine Bastardhund sprang bellend in den Gang. Der Schwarzgekleidete ruckte herum und schoss. Ma Chamber schlug die Hände vors Gesicht. Der Hund überschlug sich, sein Bellen ging in ein klagendes Jaulen über und erstarb dann.

Ein Schrei brach über Lauras Lippen. Entsetzt starrte sie auf den toten Hund.

„Verbrecher!“, schrie sie. „Gemeine ...“

Der zweite Mann war mit zwei Sätzen bei ihr und schlug ihr ins Gesicht. Laura taumelte zurück und prallte gegen den Türrahmen.

In diesem Moment ging die Hintertür auf. Floyd Chamber wurde von dem dritten Banditen ins Haus gestoßen. Der alte Mann stürzte. Der Bandit kicherte.

Dann sah er Laura, und seine Augen begannen zu glitzern.

„He, Jungs, ich werd verrückt. Was haben wir denn da? Das ist ja genau meine Kragenweite.“ Und er fügte eine obszöne Bemerkung hinzu.

Laura erschauerte.

Floyd Chamber erhob sich. Er blickte fassungslos auf den toten kleinen Hund, und seine Lippen bewegten sich lautlos. Seine Augen zeigten Schmerz und Erschütterung. Er blickte seine Frau an, dann Laura, und sie sah, dass seine Hand zitterte, die er in ohnmächtiger Wut zur Faust geballt hatte. Der Schwarzgekleidete wies mit dem Colt auf den toten Hund und sagte kalt: „Ihr seht, dass dies alles kein Spass ist.“ Dann fixierte er Chamber. „Alter, du bist wohl Chamber. Ist außer euch dreien noch jemand auf der Station?“

Chamber zögerte, schluckte, dann schüttelte er den Kopf und warf seiner Frau einen mahnenden Blick zu.

,,Boss, was sagst du zu der Puppe?“, rief der bullige Mann mit dem aufgedunsenen Gesicht. Er kicherte seltsam schrill und hoch und schob sich an Floyd Chamber vorbei auf Laura zu. Sein Blick tastete über ihren Körper.

Sie wollte vor ihm zurückweichen, doch er war schneller. Er packte sie vorne am Kleid, dass der Stoff einriss, und zerrte sie brutal an sich. Er hielt sie hart umklammert.

Sie roch seinen fauligen Atem, sah seine gierig funkelnden Augen und verspürte Übelkeit.

Verzweifelt bäumte sie sich auf, doch der Bandit presste sie nur noch fester an sich und lachte.

„Warum so widerspenstig, Baby? Ich hab bisher noch jede gezähmt.“

Sie spürte seine tastende Hand auf ihrem Körper, und es war ihr, als würde eine Schlange über ihre Haut kriechen. Sie bog den Kopf zurück, als der Mann versuchte, sie zu küssen.

Sein irres Kichern gellte in ihren Ohren. Seine Lippen berührten ihren Hals. Sie glaubte, ohnmächtig zu werden. Doch dann gab ihr irgendetwas neue Kraft. Sie hob ihren Fuß und trat damit zu.

Der Kerl ließ sie fluchend los. Sein Atem ging heftig. Seine kleinen, schwarzen Augen starrten sie jetzt tückisch an. Er hob drohend eine Hand.

„Du hast mich getreten, Baby? Das hast du nicht umsonst getan. Dafür werde ich dich ...“

„Schluss jetzt, Rufus!“ Die Stimme des Schwarzgekleideten war schneidend.

Lauras Herz hämmerte. Sie hielt ihr eingerissenes Kleid vor dem Busen zusammen.

Der Kerl namens Rufus wandte sich von ihr ab. „Aber, Boss ...“

„Ich sagte Schluss! Du bringst den Köter raus und kümmerst dich um die Pferde!“

Rufus zögerte, dann wandte er sich wieder Laura zu. Er kicherte: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, Baby!“ Sein aufgedunsenes, verlebtes Gesicht verzog sich zu einem gemeinen Grinsen. Dann machte er kehrt, nahm den toten Hund und stampfte davon.

Floyd Chamber und seine Frau hatten die Szene entsetzt beobachtet, vom Schock wie gelähmt.

Innerhalb von Minuten war der Frieden für die Menschen auf der kleinen Station zerstört und das Grauen eingekehrt.

„Matt, du siehst dich ein bisschen in der Gegend um“, sagte der Schwarzgekleidete.

„Aber erst brauche ich ’nen kräftigen Schluck, Jeff.“

„Tu, was ich dir sage!“ Jeffs Tonfall duldete keinen Widerspruch. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ Matt zuckte mit den Schultern, dann warf er Laura noch einen lüsternen Blick zu, rückte seinen Revolvergurt zurecht und verließ die Station durch die Hintertür.

„Und jetzt zu euch!“, sagte der Boss und blickte von den beiden Frauen zu Chamber. „Ich sagte schon, dies ist kein Spass. Wir sind nicht zu einem Picknick hier.“

„Mister, bei uns ist nicht viel zu holen“, sagte Chamber. „Wenn Sie glauben ...“

„Ich glaube gar nichts, Opa“, unterbrach ihn der Bandit spöttisch. „Ich weiß nämlich alles.“ Er ruckte mit dem Coltlauf. „Nur nicht die genaue Uhrzeit. Um wieviel Uhr kommt die Kutsche?“

„Heute kommt gar keine“, antwortete Floyd Chamber verwundert.

„Irrtum“, sagte der Banditenboss. Er maß Chamber mit einem kalten Blick. „Möglich, dass du davon nichts weißt. Ist ja auch egal. Vor Mittag wird sie nicht hier sein. Wir haben noch ’ne Weile Zeit. Ich werde euch erklären, worum es geht. Und ihr werdet genau das tun, was ich euch sage. Wenn nicht ...“ Er ließ den Rest unausgesprochen.

Aber die drei Menschen in der Station wussten auch so, was er meinte. Ihr Leben war in der Hand dreier Verbrecher.

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