Читать книгу Texas Colts - Western Sammelband 7005 August 2019 - 7 Wildwestromane in einem Band - Alfred Bekker - Страница 13

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Häuptling Big Cloud blickte lange auf seinen toten Sohn hinab. Vor zwei Tagen war Kleine Wolke mit einem Trupp ebenfalls junger Krieger zur Jagd aufgebrochen.

Jetzt hatten sie ihn zurückgebracht. Tot.

Von Weißen erschossen.

Nichts in dem scharf geschnittenen Gesicht des Häuptlings verriet die Gefühle, die in ihm tobten, den Schmerz, die Trauer und den Hass. Hass auf die Weißen, die seinen Sohn erschossen hatten.

Schweigend standen die dreiundvierzig Krieger ein paar Dutzend Yards entfernt im Halbkreis und blickten ihren Häuptling an. Schließlich erhob sich Big Cloud und blickte über das weite Land. Eine Weile verharrte er so, dann gab er einem der Krieger ein Zeichen. Der Krieger eilte sofort zu ihm.

„Erzähle, Kleiner Bogen!“, sagte Big Cloud.

Kleiner Bogen berichtete. Big Cloud hörte schweigend zu.

Statt auf die Jagd waren die jungen Krieger unter der Führung von Kleine Wolke auf einen Beutezug geritten. Sie hatten einen Frachtwagen überfallen, zwei Skalps, einige Waffen und Feuerwasser erbeutet. Als sie vom Feuerwasser berauscht gewesen waren, hatte Kleine Wolke die Idee gehabt, Kellys Station zu überfallen. Dabei war er ums Leben gekommen.

„Er ist tapfer im Kampf gegen die Bleichgesichter gestorben“, sagte Kleiner Bogen.

Big Cloud war ein erfahrener Mann. Er wusste, dass Kleiner Bogen in diesem Punkt log. Sein Sohn hatte eine Kugel in den Rücken bekommen.

Aus der wortreichen Schilderung des jungen Kriegers ging hervor, dass plötzlich die Kutsche aufgetaucht war und die Weißen überraschend das Feuer eröffnet hatten. Dass die Apachen die Kutsche so spät erst bemerkt hatten, war wohl nur durch ihre Unerfahrenheit zu erklären und damit, dass sie zu viel Feuerwasser getrunken hatten.

Für Big Cloud bestand kein Zweifel: Als die Weißen geschossen hatten, mussten Kleine Wolke und seine Stammesbrüder auf der Flucht gewesen sein. Er war nicht im tapferen Kampf gestorben.

Aber Big Cloud war Kleiner Bogen für diese Lüge dankbar.

Niemand sollte denken, sein Sohn Kleine Wolke sei ein feiges Weib gewesen. Er sollte mit allen Ehren in die Ewigen Jagdgründe eingehen - als der mutige und ruhmreiche Sohn von Big Cloud.

Der Häuptling dachte an seine Jugendzeit. Auch er hatte damals mit siebzehn Jahren in seinem ungestümen Drang Fehler begangen. Für Big Cloud war es kein Fehler, dass sein Sohn statt auf die Jagd zu reiten, auf Beute ausgegangen war. Für den Häuptling war es nur ein Fehler, dass Kleine Wolke zu leichtsinnig gewesen war und offensichtlich die Weißen unterschätzt hatte. Er hatte sich über die Worte und den Rat seines Vaters hinweggesetzt. Doch Big Cloud gestand sich ein, dass er dem Jungen das verziehen hätte, wenn er erfolgreich zurückgekehrt wäre.

„Wie viele Bleichgesichter waren es?“, fragte er ruhig.

Kleiner Bogen antwortete ohne Zögern.

„In der Station waren es mindestens zwei Hände ...“, er streckte fünf Finger aus, „... und dann die Bleichgesichter, die mit der Kutsche kamen. Wir haben bestimmt die Hälfte von ihnen getötet. Aber dann wurde Kleine Wolke getroffen, und ich entschloss mich zum Rückzug.“

Auch in diesem Punkt log Kleiner Bogen. Big Cloud wusste, dass sich nur zwei Männer und eine weiße Squaw in der kleinen Station aufhielten. Er kannte alle Stationen in diesem Gebiet. Aber auch diese Lüge nahm er dem jungen Krieger nicht übel.

„Das war weise, Kleiner Bogen“, sagte er doppelsinnig.

Er blickte Kleiner Bogen an. Er war einen Mond älter als Kleine Wolke, besaß Mut und List und Verstand, wie er mit seinen Lügen bewiesen hatte. Vielleicht wird er anstelle meines Sohnes einmal mein Nachfolger, dachte Big Cloud.

Wieder war sein Blick in weite Ferne gerichtet. Er dachte an seine Jugend, als er an der Seite seines Vaters durch die weiten Jagdgründe gestreift war. Jetzt war alles anders. Die Weißen waren immer weiter vorgedrungen mit ihren Kutschen und sogar Feuerrössern, mit ihren Waffen und ihrem Feuerwasser. Sie hatten mit ihren Städten und Zäunen alles ruiniert, was die Götter den Apachen geschenkt hatten und was ihnen heilig war. Sie führten sich auf, als gehörte dieses Land ihnen. Big Cloud empfand tiefe Bitterkeit.

Aber er war sich im Klaren darüber, dass die neue Zeit nicht aufzuhalten war. Er hatte es in langen Nächten des Grübelns erkannt: Die Weißen wurden immer überlegener. Sie besaßen bessere Waffen, bessere Pferde, und sie wurden immer zahlreicher. Er hatte von großen Kämpfen gehört, von Schlachten, die die Bleichgesichter gegen die Indianer gewonnen hatten.

Big Cloud verachtete die Weißen, aber er gestand sich ein, dass sie in vielem einfach überlegen waren. Deshalb hatte er zunehmend darauf verzichtet, die Stationen und Postkutschen der Bleichgesichter zu überfallen und sich mit gelegentlichen risikolosen Beutezügen zufriedengegeben. Er konnte das Drängen der jungen Krieger verstehen. Sie wollten den offenen Kampf. Sie wollten die weißen Eindringlinge vernichten. Aber sie vergaßen dabei den Sinn für die Realitäten. Mit Mut alleine waren die Weißen nicht zu schlagen.

Er wusste, dass ihn seine Krieger in den letzten Jahren für einen Zauderer hielten. Sein Sohn selbst hatte es ihm gesagt. Aber er hatte versucht, ihnen klarzumachen, dass es weiser war, eine große Auseinandersetzung zu vermeiden. Was hatte er davon, wenn er die kleinen Stationen in diesem Gebiet überfiel? Kleine Beute und großes Risiko.

Es war ein Leichtes, die wenigen Weißen auf den Stationen zu töten, das war nicht das Risiko. Aber die Postkutschen-Gesellschaft würde es nicht hinnehmen, dass ihr Geschäft gestört wurde. Die Armee würde kommen, viele, viele Soldaten, und viele seiner Krieger würden sterben. Dieses Risiko wollte Big Cloud vermeiden. Er wollte den Bleichgesichtern keinen Grund geben, die Soldaten zu schicken.

Bei vereinzelten Überfällen auf gut gefüllte Frachtwagen oder auf Farmen und einsame private Gruppen war risikoloser Beute zu erlangen. Blitzschnell zuschlagen und im heißen Niemandsland untertauchen, das hielt Big Cloud für weise.

Wer fragte schon nach Leuten und nach Wagen, die irgendwo in der Wildnis von Indianern überfallen wurden? Das war eben Schicksal, wie die Weißen sagten. Wo sollte man in diesem weiten Land nach den Schuldigen suchen? Dafür schickte niemand die Soldaten los.

Aber mit der Postkutschenlinie war das etwas anderes. Das war eine Organisation. Da ging es um viel Geld. Und für die Bleichgesichter drehte sich alles um Geld.

Big Cloud wusste viel über die Weißen, über ihr Leben, ihre großen Städte und ihre Erfindungen.

Er hatte vor vielen Jahren einen kleinen Treck überfallen und alle Bleichgesichter getötet - bis auf einen. Als er mit dem Tomahawk zuschlagen wollte, sagte der Weiße in seiner Todesangst etwas auf Apache. Big Cloud ließ diesen Mann leben. Es war ein gelehrter Mann, der sich sogar ein bisschen in Big Clouds Sprache auskannte. Er nahm ihn mit in sein Lager und ließ sich fast zwei Jahre lang von ihm unterrichten. Von diesem Mann lernte er, sich in der Sprache der Weißen zu verständigen, lernte ihre Schriftzeichen und erfuhr vieles über ihre Sitten, ihr Leben und ihre Denkungsart. Als Big Cloud überzeugt war, genug zu wissen, tötete er seinen weißen Lehrer und skalpierte ihn.

Der Häuptling blickte wieder auf seinen toten Sohn hinab, und er dachte an Vergeltung.

„Hast du gesehen, wer meinen Sohn erschossen hat?“, fragte er den jungen Krieger.

Kleiner Bogen nickte.

„Ich ritt neben Kleine Wolke, als wir die Bleichgesichter angriffen. Es war ein Weißbauch aus der Kutsche. Die Kutsche ist auf dem Weg nach Süden. Wenn wir uns beeilen ...“

Big Cloud hob majestätisch die Rechte.

„Geduld, Kleiner Bogen! Wenn wir die Kutsche angreifen wollen, können wir das immer noch. Meine Späher werden mir berichten, wo die Kutsche am leichtesten zu stoppen ist und wie viele Bleichgesichter damit fahren. Aber ich frage mich, ob es nicht zu riskant ist, die Kutsche zu überfallen.“

„Gib mir die Erlaubnis, und ich werde Kleine Wolke rächen“, sagte der junge Krieger.

Big Cloud nickte.

„Du bist tapfer wie mein Sohn. Dir fehlt nur noch ein bisschen Erfahrung.“ Er überlegte. „Warten wir erst einmal ab, was meine Späher berichten.“

Die Späher trafen eine halbe Stunde später ein. Und was sie berichteten, gefiel Big Cloud.

Es war eine besondere Kutsche, wie sie beobachtet hatten. Eine außerplanmäßige Kutsche, die von Wächtern begleitet wurde. Selbst bei der Rast wurde sie bewacht. Das war für eine normale Kutsche unüblich. Es konnte bedeuten, dass die Kutsche eine wertvolle Ladung transportierte. Vielleicht Waffen? Auf jeden Fall lohnende Beute.

Das gab für Big Cloud den Ausschlag. Er konnte, wie die Weißen sagten, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und nicht nur den Tod seines Sohnes rächen, sondern zugleich lohnende Beute machen. Dafür konnte er ruhig das Risiko eingehen, dass die Bleichgesichter unter Umständen Soldaten schickten. Er würde für einige Zeit wieder untertauchen und abwarten, bis Gras über die Sache gewachsen war.

„Ich werde die Götter befragen“, sagte er zu seinen wartenden Kriegern. Doch seine Entscheidung war längst gefallen. Er würde die Weißen, die mit dieser Kutsche fuhren, töten. Alle! Und er würde die Ladung der Kutsche erbeuten.

Er überlegte.

Es blieb noch genug Zeit.

Spätestens bei der Station, die von den Weißen „Chamber’s Inn“ genannt wurde, würde er zuschlagen.

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