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Es war nicht das erste Mal, dass Chaco dem Tod ins Auge blickte. Aber es war das erste Mal, dass er gezwungen wurde, so sinnlos zu sterben. Denn was nützte es den Leuten in der Station, wenn ihn die Apachen töteten? Gar nichts. Im Gegenteil - sie hatten dann einen Mann weniger zur Verteidigung.

Doch Barrymore war nicht umzustimmen gewesen. Er hatte sich immer mehr an seiner Idee begeistert. Selbst Jeff war zuerst dagegen gewesen, hatte aber schließlich zugestimmt und Chaco höhnisch alles Gute für die Ewigen Jagdgründe gewünscht.

Auch Barrymore schien Chaco kaum Überlebenschancen einzuräumen, aber er wollte lieber einen Kämpfer weniger in der Station haben, als seinen Plan aufzugeben.

„Entweder hat er Glück, und sie lassen ihn am Leben“, hatte Barrymore erklärt, „oder er ist unser erstes Geschenk an die Apachen. Auf jeden Fall haben wir etwas Zeit gewonnen.“

Und dann hatten die Verbrecher gedroht, die Frauen töten oder zu den Indianern hinauszuschicken, wenn Chaco nicht zu den Apachen ging und mit ihnen verhandelte.

Chaco ging.

Verhandeln, dachte er bitter, worüber soll ich verhandeln?

„Biete Ihnen die Frauen an“, hatte Jeff vorgeschlagen.

„Meinetwegen auch Geld“, hatte Barrymore gesagt. „Bluffe sie! Sag, wir würden schon seit Tagen in Lordsburg erwartet. Soldaten würden nach uns suchen. Lass dir was einfallen!“

„Komm nur ja nicht auf die Idee, mit deinen roten Brüdern gemeinsame Sache zu machen“, hatte Jeff gedroht. „In diesem Fall müssten deine weißen Freunde hier es ausbaden.“

Chaco wusste, dass seine Überlebenschancen gleich Null waren. Er kannte die Apachen gut genug. Er wusste, dass diese Wüstenwanderer und Jäger andere Ehrbegriffe als die Reitervölker des Prärie und Steppengürtels hatten. Apachen kämpften möglichst aus dem Hinterhalt und mieden das Risiko. Warum sollten sie mit ihm verhandeln, wenn sie die Weißen ohnehin in der Falle hatten? Sie würden ihn wahrscheinlich auslachen und dann zu Tode foltern, vor den Augen der Bleichgesichter, um ihnen zu demonstrieren, welches Schicksal auch ihnen drohte.

Bitter dachte Chaco, dann hat dieser wahnsinnige Barrymore wenigstens in einem Punkt recht: Er wird Zeit gewinnen.

Chaco schritt weiter auf die Reiter zu. Nichts verriet seine Anspannung.

Noch hundert Yards.

Die Krieger hatten sich nur einmal gerührt. Als er aus der Station getreten war, hatten sie ihre Waffen angeschlagen. Jetzt hockten sie wieder wie Statuen auf ihren Ponys und starrten ihm stumm mit ausdruckslosen Mienen entgegen.

Er war unbewaffnet bis auf das Messer in der Lederscheide am Stiefelschaft. Den Gurt hatte er abgelegt. Ein Dutzend Gewehre, Lanzen und Pfeile zielten auf ihn, und er sah den Kriegern an den Augen an, dass sie nur auf ein Wort ihres Häuptlings warteten, um ihn zu töten.

Der Anführer war breit und gedrungen. Er trug keine Federn, sondern eine Apachenhaube aus Fell, Menschenhaaren und Antilopenhörnern, so wie sie bei den White Mountain Apachen in Arizona üblich waren.

Als Chaco bis auf etwa dreißig Yards heran war, trieb er sein Pony auf Chaco zu.

Chaco blieb stehen.

Der Anführer zügelte das Pony und sagte mit gutturaler Stimme in der Sprache der Weißen: „Ich bin Häuptling Big Cloud, der große und tapfere Führer der Apachen ...“ Er sprach mit schauderhaftem Akzent und vielen Fehlern, aber Chaco war überrascht, dass Big Cloud überhaupt Amerikanisch konnte. Er hörte gelassen zu, wie Big Cloud sich wortreich aller seiner Heldentaten rühmte. Für einen Apachen redete Big Cloud sehr viel. Vielleicht war er stolz darauf, seine Sprachkenntnisse vorzuführen.

Chaco antwortete in der Sprache der Apachen.

„Ich bin Chaco. Ich bin gekommen, um mit dir zu verhandeln.“

Big Clouds dunkle Augen zeigten kurz Verblüffung. Dann lachte er.

„Verhandeln? Wozu soll ich verhandeln, Mann ohne Gesicht?“

Chaco kannte diesen Ausdruck. Für viele Indianer war er „der Mann ohne Gesicht“, weil er weder ein Weißer noch ein Roter war, sondern ein Halbblut.

„Du bist nicht nur dumm, freiwillig in den Tod zu gehen, du bist auch lustig“, fuhr Big Cloud fort. Er musterte Chaco und sagte: „Warum kämpfst du an der Seite dieser Bleichgesichter, die alle sterben werden? Du beherrschst die Sprache der Apachen, und ich denke, du hast auch indianisches Blut in dir, oder?“

„Meine Mutter war eine Apachensquaw“, antwortete Chaco. „Die Tochter eines Häuptlings.“

Big Cloud blickte überrascht.

„Von welchem Stamm?“

„Vom Stamm der Jicarillas“, sagte Chaco.

Das war eine Lüge. Seine Mutter war eine Pirnahäuptlingstochter gewesen. Aber Chaco musste sich hüten, das zu erwähnen. Die Pirnas waren Feinde der White Mountain Apachen.

Pirnas trieben Ackerbau, kannten schon künstliche Bewässerung und unterhielten im Gegensatz zu den Apachen recht freundschaftliche Beziehungen zu den Amerikanern, abgesehen von einigen unbedeutenden Zwischenfällen. Einige Pirna-Krieger dienten als Soldaten im Arizonabataillon unter ihrem Häuptling Antonio Azul. Wenn Chaco gesagt hätte, dass seine Mutter eine Pirna gewesen war, hätten sich seine ohnehin minimalen Chancen noch mehr verschlechtert.

Die Jicarillas schienen Big Cloud da schon besser zu gefallen.

„Ein halber Jicarilla?“, sagte er. Es klang fast anerkennend. Dann verhärtete sich sein Gesicht wieder. „Und warum verrätst du dein Volk?“

„Ich habe kein Volk“, erwiderte Chaco. „Mein Vater war ein Weißer. Er hat mich gelehrt, Gut und Böse zu unterscheiden. Für mich spielt die Hautfarbe keine Rolle. Egal, ob einer weiß, rot, gelb oder schwarz ist. Hauptsache, er ist ein guter Mensch. Denn wir sind alle nur Menschen, die auf einer Welt leben.“

„Du sprichst wie ein Mann, den die Weißen Prediger nennen“, sagte Big Cloud.

„Du kennst dich aus in der Welt der Weißen?“, fragte Chaco und tat überrascht, obwohl er das schon nach Big Clouds Sprachkenntnissen und seinen Worten vermutet hatte.

Big Clouds dünne Lippen verloren ihren harten Zug. Er lächelte geschmeichelt.

„Ich weiß alles über die Bleichgesichter.“ Er erzählte von seinem weißen Lehrer und strich über das Haar an seiner Haube. „Das war sein Haar.“

Chaco versuchte, Big Cloud zu verunsichern.

„Die Zeit ist nicht stehengeblieben, Big Cloud. Inzwischen haben die Weißen neue Waffen erfunden. Und sie sind immer stärker geworden. Sie werden kommen und dich und deine Krieger töten, wenn du ihre Station überfällst. Wenn du wirklich so weise bist, müsste dir das doch klar sein.“

Big Cloud seufzte. Offensichtlich hatte Chaco ihn an einer empfindlichen Stelle getroffen.

„Mein Herz ist voll Trauer, aber auch voller Zorn.“ Er sprach jetzt wieder in Apache. „Ich habe die Götter befragt, und sie haben entschieden. Ich werde alle Weißen in diesem Haus dort töten. Denn einer von ihnen hat meinen Sohn, den tapferen Little Cloud, getötet. Ich werde seinen Tod rächen.“

Chaco fiel es wie Schuppen von den Augen. Der Überfall auf Kellys Station, den sie vereitelt hatten! Für einen Moment glaubte er wieder den jungen Krieger getroffen über den Pferdehals sinken zu sehen. Seine Gedanken jagten sich.

„Wer hat deinen Sohn getötet?“, fragte er, um Einzelheiten zu erfahren.

Big Cloud erzählte vom Tod seines Sohnes. Aus seinen Worten klangen Trauer, aber auch Zorn und Hass auf die Weißen. Den Namen seines Sohnes sprach er immer mit großem Stolz aus. Das wollte Chaco nutzen.

„Dein Sohn ist im tapferen Kampf gestorben“, sagte er. „Ich selbst habe gesehen, wie er das Bleichgesicht erschoss, das ihn mit seiner Donnerbüchse traf.“

Er sah, dass seine Worte Big Cloud beeindruckten. Selbst wenn der Apache das als Lüge erkannte, würde er es nicht zugeben. Big Cloud sagte: „Ich weiß, dass Little Cloud sehr tapfer gestorben ist und viele Bleichgesichter getötet hat, bevor er selbst starb. Meine Krieger haben es mir berichtet. Aber ich weiß nicht, ob unter den Toten wirklich das Bleichgesicht war, das Little Cloud erschossen hat.“

„Ich sage dir, dass es so ist“, erwiderte Chaco. „Du suchst nur einen Grund für deinen Überfall. Du willst nur Skalps und Beute.“

In Big Clouds Augen blitzte es auf.

„Ich will den Tod meines Sohnes rächen“, sagte er kehlig.

„Wir sind zu viele Männer in der Station“, sagte Chaco. „Es ist dir und deinen Kriegern noch nicht gelungen, einen einzigen Skalp zu erbeuten.“ Chaco sagte es in der Hoffnung, dass Big Cloud sich damit brüsten würde, doch schon einen Weißen getötet zu haben: den Sohn des Stationsmannes.

Doch der Häuptling erwähnte nichts davon. Seine dünnen Lippen verzogen sich spöttisch.

„Ich kann zählen. Ihr seid nur sieben Männer und zwei Squaws. Und einige der Männer sind tot oder verletzt, wie mir meine Krieger nach dem letzten Angriff berichtet haben.“

„Wir haben gute Waffen und genug Munition, um euch alle in die Ewigen Jagdgründe zu schicken“, sagte Chaco. „Wenn du ein weiser Häuptling bist, so frage ich dich, warum willst du deine Krieger in den sicheren Tod führen?“

„Ich werde den Tod meines Sohnes rächen“, erwiderte Big Cloud ernst. Er blickte Chaco nachdenklich an. „Du weißt, dass du zum Sterben hergekommen bist. Warum bist du so dumm, wenn du der Sohn einer Jicarilla bist?“

Chaco kannte die Denkungsart der Apachen. Sie mussten ihn für einen Dummkopf oder Wahnsinnigen halten, weil er sich waffenlos in ihre Hand begeben hatte. Und sie hatten aus ihrer Sicht durchaus recht.

„Ich bin nicht freiwillig hier“, sagte Chaco. „Man hat mich dazu gezwungen.“ Er erzählte von den Banditen und spürte, dass er das Interesse des Häuptlings geweckt hatte. Big Cloud hörte zwar mit ausdrucksloser Miene zu, aber allein die Tatsache, dass er Chaco so lange reden ließ, sprach dafür, dass ihn die Story interessierte. Chaco ließ geschickt einfließen, dass die Banditen die Kutsche verwechselt hätten. Dass nur wenig Geld an Bord sei, weil sie erst in Lordsburg die Ladung in Empfang nehmen sollten. Es entging Chaco nicht, dass Big Cloud bei diesen Worten leichte Enttäuschung verriet. Er war also doch auf Skalps und Beute aus.

Trotz allem war es ein Glücksfall, dass er an einen Häuptling wie Big Cloud geraten war, der einen weißen Lehrer gehabt hatte. Chaco erzählte, dass die Banditen gedroht hatten, die Frauen umzubringen, wenn er nicht zu den Apachen ginge und mit ihnen rede. Als Chaco geendet hatte, verzogen sich Big Clouds Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Er strich über das Haar seines Lehrers und sagte: „Ich dachte, die Bleichgesichter sind gut zu ihren Frauen.“

„Es gibt auch böse Bleichgesichter“, sagte Chaco.

Big Cloud nickte.

„Es gibt nur böse Bleichgesichter. Du willst also sterben, um die beiden Frauen zu retten. Bist du schon so sehr ein Weißer geworden, dass du für Squaws in den Tod gehst?“

Chaco grinste, obwohl ihm nicht danach zumute war.

„Ich will nicht sterben. Und du wirst mich nicht töten. Oder willst du, dass die Götter dir zürnen, wenn du den Sohn einer Jicarilla tötest?“ Er sagte es sehr selbstbewusst, und nichts verriet die Anspannung, die ihn beherrschte. Jetzt kam alles darauf an, wie Big Clouds Entscheidung ausfiel.

Der Häuptling zögerte mit der Antwort.

„Wenn der Sohn einer Jicarilla mit den Weißbäuchen gemeinsam gegen uns kämpft, dann muss er sterben.“ Chaco sah aus den Augenwinkeln, wie Bewegung in die Linie der wartenden Krieger kam. Einige spannten ihre Bogen, andere hoben ihre Feuerwaffen etwas an. Trotz der heißen Sonne wurde es Chaco kalt.

Doch da sagte der Häuptling: „Weil du der Sohn einer Jicarilla bist, will ich großzügig sein und dich nicht auf der Stelle töten lassen. Ich erlaube dir, zu den Bleichgesichtern zurückzugehen und ihnen zu sagen, weshalb sie sterben werden. Ich gebe dir bis Sonnenuntergang Zeit, dich zu entscheiden. Entweder kämpfst du auf unserer Seite gegen die Weißen, oder du stirbst mit ihnen.“ Wieder verzogen sich seine Lippen zu der Andeutung eines Lächelns. „Ich habe viel von meinem weißen Lehrer gelernt“, fuhr er fort. „Ich weiß von den Weißen, dass sie Männer ausschicken, die Missionare heißen. Die Götter werden zufrieden mit mir sein, wenn ich meine Klugheit für sie einsetze. Ich bin ein Missionar der Apachen. Ich werde dich zurückholen zu unserem Volk. Du wirst dich für alle Zeiten entscheiden müssen, auf welcher Seite du stehst, Mann ohne Gesicht. Und als Sohn einer Jicarilla wirst du nicht so dumm sein, mit den Weißen zu sterben.“

Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte Chaco laut gelacht. Vieles, was Big Cloud von seinem weißen Lehrer mitbekommen hatte, war von ihm offensichtlich nicht richtig verstanden worden.

Chaco lachte nicht. Und er sagte Big Cloud nicht, dass die Missionare der Weißen nicht mit Erpressung arbeiteten. Er nickte feierlich und war bemüht, sich seine grenzenlose Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Big Cloud ließ ihn am Leben. Das war das Wichtigste. Er konnte zurück zur Station. Und bis zum Sonnenuntergang waren ein paar Stunden gewonnen.

„Ich werde mich entscheiden, weiser Häuptling“, sagte Chaco. „Es ist eine schwere Entscheidung, aber es war an der Zeit, dass ich sie eines Tages treffe.“

Big Cloud nickte.

„Geh hin, und sag den Bleichgesichtern, warum sie sterben werden. Und dann entscheide dich. Wenn du bis Sonnenuntergang noch in der Station bist, wirst du sterben wie die anderen.“ Dann zog er sein Pferd herum und ritt zu seinen Kriegern zurück.

Chaco wandte sich um und ging davon. Es kribbelte zwischen seinen Schulterblättern. Er musste immer noch damit rechnen, dass Big Cloud im letzten Moment seine Meinung änderte. Oder dass alles nur ein grausames Spiel gewesen war.

Aber nichts geschah. Sie ließen ihn tatsächlich gehen.

Weil Big Cloud einen weißen Lehrer gehabt hatte. Vielleicht glaubte der Häuptling wirklich so etwas wie ein roter Missionar zu sein und stellte ihn deshalb vor die Alternative: rot oder Tod.

Vielleicht ließ Big Cloud ihn auch nur am Leben, damit er den Weißen in der Station sagen konnte, weshalb sie sterben würden.

Chaco brauchte sich die Entscheidung nicht zu überlegen. Er war ein Mann, der zwischen zwei Welten lebte. Er war weder rot noch weiß - und schon gar nicht gelbgestreift. Er würde in der Station bleiben und sich und die anderen Eingeschlossenen verteidigen. Bis zur letzten Patrone.

Aber zuerst musste er noch etwas anderes regeln. Es war an der Zeit, dass die Banditen ausgeschaltet wurden.

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