Читать книгу Texas Colts - Western Sammelband 7005 August 2019 - 7 Wildwestromane in einem Band - Alfred Bekker - Страница 17
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Оглавление„Warum tun sie nichts?“, fragte Barrymore. „Warum starren sie nur zu uns herüber? Jetzt schon seit fast ’ner halben Stunde.“
„Sie haben Zeit“, sagte Chaco. „Zeit und Geduld. Warum sollen sie sich beeilen? Wir sitzen hier fest.“
„Halt die Klappe!“, fuhr Jeff ihn zornig an. „Du bist ja selbst ’ne verdammte Rothaut.“
Chaco erwiderte gelassen den Blick des Verbrechers. Der Mann war gereizt und nervös. Chaco schätzte ihn als unberechenbar ein.
Chaco zog Bilanz.
Sie saßen in der Falle. Zwei Frauen und sieben Männer. Die Frauen waren von ihren Fesseln und Knebeln befreit worden. Sie kümmerten sich jetzt in einem Nebenraum um die Verletzten. Tony, Floyd Chambers und der Bandit namens Rufus waren verletzt, Rufus schwer. Er war noch ohne Bewusstsein, und Chaco bezweifelte, dass der Mann es jemals wiedererlangen würde. Unverletzt waren Wilder, der sich bei der Schießerei mit den Banditen geistesgegenwärtig vom Kutschbock geworfen und tot gestellt hatte, Chaco, Barrymore und Jeff Ballinger.
Zwei Frauen und sieben Männer. Umzingelt von Apachen, die noch Verstärkung erhalten hatten. Chaco schätzte sie auf über dreißig. Ein Drittel mehr als bei ihrem Angriff. Ein weiterer Trupp musste in der Nähe gewartet haben.
Noch warteten die Apachen ab, aber irgendwann würden sie angreifen. Das war auch den Banditen klar. Sie hatten einsehen müssen, dass sie ebenso Gefangene waren wie ihre Gefangenen. Noch hatten sie Chaco und den anderen die Waffen nicht zurückgegeben, aber sie mussten es tun, wenn die Indianer von Neuem angriffen. Dann waren sie alle aufeinander angewiesen.
Die Erbauer der Station hatten war auf Sicherheit Wert gelegt, aber es gab doch einige schwache Stellen. Der Stall zum Beispiel lag ungünstig. Die Apachen konnten unbemerkt an die Rückseite des Stalls gelangen, ihn anzünden, die Pferde wegtreiben.
Der Creek war gut hundert Yards entfernt, und die Büsche dort gaben den Indianern Deckung. Das andere Land ringsum war flach und gut zu überblicken. Nur am Creek konnten die Apachen unbemerkt auf Schussweite herankommen. Das war der wundeste Punkt.
Es war unerträglich heiß und halbdunkel in der Station, denn die Eingeschlossenen hatten alle Fensterläden vorgelegt. Nur durch die Schießscharten fiel etwas Licht ein.
Chaco wurde aus seinen Gedanken gerissen, den Laura Campbell betrat den Hauptraum. Chaco schaute sie an. Tony hatte nicht übertrieben. Laura war wirklich eine schöne Frau. Sie war groß, langbeinig und schlank, doch an den richtigen Stellen wohlgerundet. Das hellgrüne Leinenkleid betonte ihre Figur. Langes schwarzes Haar umrahmte ein apartes Gesicht mit großen, wie fragend blickenden Augen unter fein geschwungenen Brauen. Ihr Mund mit vollen, schillernden Lippen hatte einen etwas melancholischen Zug. Ihre Haut war sanft gebräunt, doch jetzt war ihr Gesicht blass und zeigte das Grauen, dass sie immer noch im Griff hatte.
„Er ist tot“, sagte sie leise.
Rufus war gestorben, ohne noch einmal aufgewacht zu sein.
„Na und?“, sagte Jeff gereizt. „Soll ich ’ne Trauerfeier abhalten oder was?“
„Ich dachte nur, es interessiert Sie“, erwiderte Laura. Ihre Stimme klang weich und melodisch. „Immerhin war er Ihr Kumpan.“
„Kumpan, Kumpan! Er war ’ne Niete. Sein blödes Gekicher ging mir sowieso auf die Nerven.“ Er starrte Laura von oben bis unten an. „Eh, sag nur, dass es dir um ihn leidtut, nachdem er dir an die Wäsche gehen wollte.“
„Es tut mir nicht leid um ihn“, antwortete Laura kühl und beherrscht. „Er war verkommen und gemein. Aber er war trotz allem ein Mensch.“
„Ach nein, Schwester, wie rührend.“ Jeff lachte kalt. „Vielleicht hat es dir doch Spass gemacht, dass er dir ...“
Laura unterbrach ihn.
„Der einzige Unterschied zwischen ihm und Ihnen besteht darin, dass Sie noch leben.“ Sie wandte sich stolz um und wollte den Raum verlassen.
Der Bandit holte sie an der Tür ein. Er packte Laura brutal an der Schulter und riss sie herum. Er wollte sie schlagen, doch Chaco verhinderte das. Chaco hatte sofort reagiert. Er packte den Verbrecher am Arm und zerrte ihn von der Frau fort.
Laura blieb stehen. Chaco sah das Entsetzen in ihren Augen, ihre Angst. Die Angst um ihn.
Mit Jeff konnte er noch fertig werden. Er wich einem wütenden Angriff des Banditen aus. Dann traf ihn ein Schlag auf den Kopf, und er stürzte. Barrymore hatte zugeschlagen. Chaco taumelte direkt gegen Jeffs Faust, die ihm ans Kinn krachte. Benommen fand er sich am Boden wieder, hörte Lauras Aufschrei wie aus weiter Ferne. Schmerzen zuckten durch seine rechte Hüfte, als ihn Jeff mit der Stiefelspitze traf.
„Hör auf!“
Das war Barrymores Stimme.
Chaco stemmte sich hoch und blickte in das verzerrte Gesicht Jeffs, der schweratmend vor ihm stand. Hass funkelte in den Augen des Banditen.
Doch er griff nicht mehr an. Chaco erhob sich und erkannte den Grund dafür. Barrymore hielt den Revolver auf Jeff gerichtet.
„Wenn wir dich nicht noch gebrauchen könnten“, sagte Barrymore kalt zu Chaco, „hätte ich dir den Schädel eingeschlagen.“ Dann wandte er sich an seinen Kumpan. „Jeff, reiß dich doch zusammen! Jeden Augenblick können die Roten wieder angreifen, und du gibst dich mit solchen Kinkerlitzchen ab.“
Jeff fuhr zornig zu Laura herum, die wie erstarrt auf der Türschwelle stand und Chaco anblickte.
„Hau schon ab, du Flittchen! Mach Kaffee!“
Chaco sah die helle Empörung in Lauras Augen aufblitzen. Sie öffnete den Mund zu einer heftigen Antwort, doch sie sagte nichts, als sie Chacos warnenden Blick auffing. Sie wandte sich um und verließ den Raum.
Barrymore sagte: „Jeff, das war nicht nötig. Was hast du davon, die Frau zu beleidigen?“
„Ach, halt’s Maul!“, sagte Jeff wütend. „Ich tue, was ich will.“
Barrymore maß Jeff mit einem kalten Blick, ohne eine Antwort zu geben. Dann stieß er den Revolver ins Leder zurück und ging zum Fenster.
„Immer noch nichts“, murmelte er. „Ich möchte wissen, worauf die warten.“
„Vielleicht rechnen sie damit, dass wir einen Ausbruch versuchen“, überlegte Jeff. Er ignorierte Chaco und trat zum anderen Fenster, um hinauszublicken.
„Das wäre Selbstmord“, sagte Barrymore.
Jeff fluchte.
„Da sitzen wir hier, haben die Beute und kommen nicht weg. Alles hätte tadellos geklappt. Wer hat schon mit den Roten gerechnet.“
„Noch haben wir die Beute nicht“, stellte Barrymore fest. „Sie ist vor unserer Nase, aber wir können nicht ran. Oder willst du zur Kutsche und dich abknallen lassen?“
Jeff grinste.
„Abknallen nicht, aber zur Kutsche will ich. Und zwar, bevor die Rothäute uns die Beute abnehmen.“
„Tot nützt dir alles Geld der Welt nichts“, sagte Barrymore.
„Wieviel ist es überhaupt?“, fragte Jeff. „Du sprachst in Silver City nur von ’ner Riesensumme.“
In Silver City hatte Barrymore also seinen Kumpanen den Tipp gegeben. Chaco erinnerte sich daran, dass Barrymore sich bei einer Rast unter einem Vorwand von der Wachmannschaft abgesondert hatte.
„Genau weiß ich’s nicht“, erwiderte Barrymore. „Aber es lohnt sich. Sonst hätten die nicht so’n Riesen Tamtam deshalb veranstaltet.“
Tony, der mit Wilder und Chamber an den rückwärtigen Fenstern Wache gehalten hatte, stürmte in den Hauptraum.
„Sie reiten auf den Stall zu. Verdammt, rückt schon unsere Waffen raus!“
Barrymore und Jeff ergriffen ihre Gewehre.
„Bedient euch!“, rief Barrymore und wies zu dem Schrank, in dem die Waffen verstaut waren.
Chaco und Tony liefen bereits zum Schrank. Chaco nahm die erstbeste Winchester und seinen Army Colt. Tony bewaffnete sich ebenfalls und nahm Waffen und Munition für Wilder und Chamber mit.
Schüsse krachten.
„Der Stall!“, schrie Wilder dröhnend. „Sie haben es auf den Stall abgesehen!“
Tony hetzte aus dem Hauptraum.
„Komm zurück!“, rief ihm Chaco nach, denn er befürchtete, dass die Apachen gleichzeitig auch wieder von der Frontseite die Station angreifen würden.
Genau das taten sie.
Während ein Dutzend Apachen den Stall in Brand setzten, versuchte ein anderer Trupp, die Kutsche in die Hand zu bekommen.
Barrymore und Tony unterstützten Chaco.
Der Kampf währte kaum zwei Minuten. Dann zogen sich die Apachen zurück.
„Vier, fünf weniger“, sagte Barrymore grimmig und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht.
Jeff tauchte im Hauptraum auf.
„Der Stall brennt, die Pferde sind weg, und die Apachen haben sich zurückgezogen. Wir haben drei von ihnen erwischt.“
Alle versammelten sich jetzt im Hauptraum. Die Banditen dachten nicht mehr daran, ihre ursprünglichen Gefangenen wieder zu entwaffnen. Alle in der Station waren sich der tödlichen Gefahr bewusst. Es sah ganz so aus, als wären sie dazu verdammt, gemeinsam zu sterben.
Laura schenkte für alle Kaffee ein, und Ma Chamber brachte kalten Braten aus der Küche.
„Wann kommt die nächste Kutsche?“, fragte Chaco den Stationsmann.
Floyd Chamber sah erbärmlich aus. Sein Gesicht war bleich und eingefallen. Der Blutverlust hatte ihn geschwächt. Er trug einen Verband um die linke Schulter.
„Übermorgen“, sagte Chamber tonlos.
„Na, dann gute Nacht“, murmelte Barrymore.
„Ist auch fraglich, ob uns die Kutsche helfen kann“, meinte Jeff.
Floyd Chamber sagte in die einsetzende Stille: „Vielleicht kommt andere Hilfe. Mein Junge ist weg.“
Bis auf die beiden Frauen waren alle überrascht.
„Dein Junge?“, fragte Barrymore.
Floyd Chamber nickte.
„Dann hast du uns also belogen, Alter?“, fuhr Jeff ihn an und legte drohend seine Rechte auf den Revolverkolben. Barrymore hob beschwichtigend eine Hand.
„Lass mal, Jeff! Das interessiert jetzt keinen. Erzähle, Chamber!“
Chamber berichtete. Eine Weile herrschte dann Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Schließlich sagte Barrymore: „Er ist also zu Fuß. Der Kutsche ist er nicht entgegengelaufen. Wohin ist er dann? Vielleicht hat er sich nur versteckt, als er die Schüsse hörte? Vielleicht liegt er auch schon längst skalpiert irgendwo da draußen ...“
„Mein Gott“, schluchzte Ma Chamber und schlug die Hände vors Gesicht.
Jeff blickte Chamber an.
„Was ist das denn für ein Bengel? Traust du dem zu, dass er etwas unternommen hat?“
„Ja, vielleicht ...“
Chaco sah der Miene des alten Stationsmannes an, dass Bob Chamber wohl doch kaum Anlass zu irgendwelchen Hoffnungen gab. Es war immerhin möglich, dass der Junge davongekommen war und Hilfe holte. Aber es konnte Tage dauern, bis diese Hilfe eintraf. Es war genauso gut möglich, dass er längst tot war, wenn die Apachen ihn entdeckt hatten.
Als hätte Barrymore ähnliche Gedanken gehabt, sagte er: „Man müsste herausfinden, ob die Apachen den Jungen getötet haben oder nicht. Wenn nicht, haben wir ’ne Chance. Dann kommt es darauf an, die Roten hinzuhalten.“
„Und wie das?“, fragte Jeff. Barrymore grinste. Es war ein teuflisches Grinsen. „Das lass mal meine Sorge sein.“ Er blickte Laura an. „Wir könnten sie mit dem einen oder anderen Geschenk erfreuen und ablenken ...“
Jeder im Raum wusste, wie der Verbrecher das gemeint hatte. Chaco sah die Furcht in Lauras Augen, und er blickte sie an, um ihr einen stummen Trost zu übermitteln.
Das werde ich verhindern!, signalisierte sein Blick.
Täuschte er sich, oder zeigten Lauras Lippen wirklich die Andeutung eines zaghaften Lächelns?
„Wenn wir wissen, ob der Junge entkommen ist“, fuhr Barrymore fort, „können wir jedenfalls um Zeit pokern. Das ist nicht das größte Problem. Und halten können wir uns hier auch noch ’ne Weile. Wir haben noch genug Proviant und Wasser, und die Munition reicht, um noch ein paar Angriffe zu überstehen. Ja, wir müssen herausfinden, ob der Junge entkommen ist.“
„Geh doch hin, und frag sie, du Drecksack!“, sagte Tony.
Barrymore reagierte gelassen. Grinsend sagte er. „Die Idee ist gar nicht so schlecht. Aber nicht ich werde hingehen und fragen, sondern der da!“ Und er richtete seinen Colt auf Chaco.