Читать книгу Texas Colts - Western Sammelband 7005 August 2019 - 7 Wildwestromane in einem Band - Alfred Bekker - Страница 21
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ОглавлениеDie rote Scheibe der Sonne versank hinter den Hügeln im Westen. Dämmerung senkte sich über das Land.
„Es ist soweit“, meldete Tony. „Sie greifen an!“
Alle in der Station waren auf ihren Posten - mit Ausnahme von Barrymore. Er hockte gefesselt in dem einzigen fensterlosen Raum, den Floyd Chamber bisher als Abstellkammer benutzt hatte.
Alle Waffen waren geladen, Ersatzmunition war verteilt. Wilder und Chamber standen an den rückwärtigen Fenstern. Tony, Laura und die Frau waren an der Frontseite. Ma Chamber sollte leergeschossene Waffen wieder aufladen. Und Chaco wartete unter der Dachluke auf seinen Einsatz.
Chaco sah seltsam aus. Gepanzert wie ein Ritter. Seine „Rüstung“ war in aller Eile angefertigt - kein Meisterwerk, aber Chaco hoffte, dass sie ihren Zweck erfüllte.
Chaco sah fast viereckig aus. Der Oberkörper war bis zur Hüfte durch dicke Bretter geschützt. Floyd Chamber hatte die Dielen in seinem Schlafzimmer dafür geopfert.
Chacos Absicht, oben auf dem Dach Barrikaden zu errichten, ließ sich nicht in die Tat umsetzen. Die Apachen hätten es bemerkt und wohl sofort angegriffen, bevor das Material für eine Deckung komplett auf das Dach geschafft worden wäre. Da war Chaco die Idee gekommen, sich zu „panzern“, um vom Dach aus die Apachen zu überraschen.
Er konnte sich nur schwerfällig bewegen und kriegte schlecht Luft, denn er hatte im wahrsten Sinne des Wortes ein Brett vorm Kopf. Ein solider Schrankkasten war als Kopfschutz umfunktioniert worden. Floyd Chamber hatte Luftlöcher und Sehschlitze hineingeschlagen, und das Ganze war mit Stricken auf Chacos Schultern befestigt.
Der kräftige Kutscher stemmte Chaco hoch. Chaco zog sich auf das Dach und wartete, bis der Kutscher den Schrank unter die Luke geschoben hatte, den Chaco als Plattform benutzen wollte.
Dann stellte sich Chaco auf den Schrank, und er ragte bis zur Hüfte auf das Dach hinaus.
Die ersten Schüsse krachten. Und Chaco feuerte auf die angreifenden Apachen.
Er konnte rundum den Kreis der Indianer unter Beschuss nehmen.
Die Überraschung war perfekt.
Die Apachen sahen das hölzerne Ungetüm auf dem Dach und glaubten, ihren Augen nicht zu trauen. Sie hatten sich nur auf die Fenster konzentriert. Das Feuer von oben kam völlig unerwartet für sie.
Chaco feuerte die Winchester leer und griff zum nächsten Gewehr, das Ma Chamber ihm geladen anreichte.
Das Kriegsgeheul der Apachen wurde immer wütender. Ein wahrer Kugel und Pfeilhagel ging auf die Station nieder. Chaco sah einen Reiter bei der Kutsche und schoss. Dann drehte er sich und traf einen Apachen, der schon fast bis auf ein Dutzend Yards an die Rückwand der Station herangekommen war. Reiterlose Ponys jagten davon.
Chaco sah einen Apachen durch den Staub davonkriechen. Er schoss nicht auf den Krieger. Er kämpfte nicht, um zu töten, sondern um zu überleben. Dreimal schoss Chaco ein Gewehr leer. Dann war der Angriff vorbei.
„Sie hauen ab!“, brüllte Tony. „Mein Gott, sie hauen ab!“
Chaco wartete, bis Wilder den Schrank zur Seite schob und ihm half, durch die Luke hinabzusteigen. Floyd Chamber befreite Chaco von dem Kopfschutz.
„Gut siehst du aus!“, sagte Tony grinsend. „Gespickt mit Pfeilen und Blei.“
Chaco blickte an sich hinab. Er musste selbst lächeln.
„Der Trick war gut“, meinte Chamber. „Sie haben fast ein Dutzend Pferde verloren, und mindestens zehn Krieger sind verletzt und kampfunfähig. Vielleicht geben sie jetzt auf?“
„Das glaube ich nicht“, sagte Chaco. „Jetzt werden sie nur noch wilder auf unsere Skalps sein. Aber erst einmal haben wir eine Ruhepause.“
Laura trat zu ihm.
„Um Himmels willen“, rief sie, „Sie sind ja doch verletzt!“
Erst jetzt bemerkte Chaco, dass sein Hemd am linken Oberarm blutig war. Er hatte einen Streifschuss abbekommen.
Floyd Chamber und Wilder befreiten ihn von dem Rest der „Rüstung“.
Während die anderen an den Fenstern Wache hielten, folgte Chaco Laura in die Küche. Laura untersuchte seinen Arm und atmete auf, denn es war nur eine harmlose Verletzung. Sie wischte das Blut rings um die Schramme fort und legte Chaco einen Verband an.
„Sie haben sehr geschickte Hände“, sagte er anerkennend.
Sie lächelte, und ihr blasses Gesicht kriegte etwas Farbe.
„Das sagte Tony auch, als ich heute Mittag seine Schulter verbunden habe. Mein Gott, ist das alles erst seit heute Mittag passiert? Ich habe das Gefühl, es wären ein paar Tage vergangen.“
Chaco nickte. Er holte sein Rauchzeug hervor und drehte sich eine Zigarette. Er kramte in den Taschen nach Zündhölzern und fand keine. Laura holte welche aus dem Küchenschrank und rieb eines für ihn an. Er berührte ihre Hand, als Laura ihm Feuer gab. Sie blickten sich in die Augen. Dann spitzte Laura leicht die Lippen und blies das Zündholz aus.
„Was hat eigentlich eine so schöne Frau wie Sie hier verloren, Miss Campbell?“, fragte Chaco impulsiv.
„Sie dürfen Laura zu mir sagen“, erwiderte sie, strich sich anmutig eine Haarsträhne aus der Stirn und setzte sich zu Chaco an den Tisch. „Danke für das Kompliment.“ Sie lächelte. „Das ist eine lange Geschichte.“
Chaco rauchte schweigend und wartete. Schließlich sagte Laura: „Ich war auf der Flucht. Auf der Flucht vor einem Mann. Ich habe ihn geliebt, und als ich vor ihm fortlief, wusste ich noch nicht, ob ich vor mir selbst weglief oder vor ihm. Er war ein Verbrecher. Ein Banditenboss. Aber das habe ich erst erfahren, als es fast schon zu spät war. Dann bin ich aus Arizona fortgegangen. Ich hab mich heimlich aus dem Staub gemacht. Eine Weile war ich dann in Texas. Aber Donnegan spürte mich auf. Zwei seiner Leute sollten mich mit Gewalt zu ihm zurückbringen. Ich konnte ihnen entkommen. Dann hab ich mich hier verkrochen.“ Sie blickte Chaco in die Augen und lächelte. „So einfach war das.“
Chaco wusste, dass es nicht einfach für sie gewesen war. Schweigend rauchte er.
„In der ersten Zeit war es ganz furchtbar“, fuhr Laura gedankenverloren fort. „Ich wurde noch nicht mit meiner Enttäuschung fertig. Mal sagte ich mir, dass ich ihn immer noch liebte, mal machte ich mir Vorwürfe, dass ich das Gesetz nicht eingeschaltet hatte. Es ist schlimm, wenn man innerlich so zerrissen ist, verstehen Sie, was ich meine?“ Chaco nickte. „Die Einsamkeit hier hat mir geholfen. Ich bin mit mir selbst wieder ins Reine gekommen. In der ersten Zeit allerdings versteckte ich mich jedes Mal, wenn eine Kutsche kam. Ich hatte Angst, dass Donnegan mich finden könnte. Und ich hatte nicht nur Angst davor, dass er mich mitnehmen könnte. Ich hatte die Angst, dass ich freiwillig bei ihm bleiben könnte. Aber jetzt ist das vorbei. Beide Ängste haben sich nach und nach verloren.“ Sie blickte Chaco forschend an. „Glauben Sie, dass wir es schaffen?“
Chaco lächelte ihr aufmunternd zu.
„Na klar schaffen wir es, Laura. Nur nicht, wenn du mich weiter siezt.“
Sie lachte. Dann schaute sie ihn wieder ernster an.
„Bist du wirklich ein halber Apache?“
„Pirna“, korrigierte Chaco. Er sprach nicht gern über seine Vergangenheit. Aber Laura erzählte er davon. Sie hatte ihm ihre Geschichte anvertraut, und sie sollte auch seine erfahren.
Er erzählte von seinem weißen Vater Henry Gates, von seiner Mutter Tavoneh und von jenem grauenhaften Tag, an dem weiße Skalpjäger seine Eltern und seinen Bruder getötet hatten.
Tony kam in die Küche.
„Nanu“, sagte er und grinste überrascht. „Sowas Ähnliches hab ich mir beinahe gedacht. Der Ritter nutzt die Feuerpause, um sich an die Prinzessin ’ranzuschmeißen. Nun, meine Freunde, ich will euch nicht beim Vorspiel stören. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass die Apachen ein Picknick veranstalten. Sie haben einige Feuer angezündet und wärmen wohl ihr mitgebrachtes Süppchen auf. Da fiel mir ein, dass ich gewaltigen Hunger habe. Aber ich bin ein Gentleman und werde meinen knurrenden Magen vergessen, um das traute Paar nicht zu stören.“
Die Feuer der Apachen waren wie glühende Augen im Dunkel.
„Damit wollen sie uns nur zeigen, dass sie noch da sind“, sagte Chaco.
„Ob sie noch mal angreifen?“, fragte Floyd Chamber vom anderen Fenster her.
„Wahrscheinlich“, sagte Chaco.
„Auf jeden Fall wird es eine lange Nacht“, erklärte Tony ernst.
Und er sollte recht behalten.
Gegen zehn Uhr griffen die Apachen von Neuem an. Während sie vom Creek aus die Rückseite der Station unter Dauerbeschuss nahmen, gelang es einigen Kriegern, im Schutz der Dunkelheit bis zur Kutsche zu gelangen. Tony, an einem der Frontfenster, bemerkte sie erst, als er ihre Schatten davonhuschen sah.
Die Schüsse verstummten. Die Apachen am Creek hatten nur einen Ablenkungsangriff gestartet.
„Sie haben die Kassette erbeutet“, sagte Tony, als Chaco in den Hauptraum zurückkehrte. „Einen konnte ich noch erwischen, aber dann waren die Burschen auch schon verschwunden. Schade um das schöne Geld. Aber ehrlich gesagt, mein Skalp ist mir lieber.“ Er kratzte sich am Kopf.
„Wilder hat ’ne Schramme abgekriegt“, sagte Chaco.
„Wir sind alle nicht mehr die schönsten“, bemerkte Tony trocken. Dann bemerkte er Chacos Miene und wurde ernst. „Ist es schlimm?“
„Rechte Schulter“, sagte Chaco.
„Na denn prost“, murmelte Tony bitter. Er blickte Chaco an. „Ich glaube, Kathy wird schon Witwe, bevor sie mich überhaupt geheiratet hat.“ Er spähte einen Augenblick lang aus dem Fenster. Dann fragte er: „Was meinst du, sollen wir diesen Hundesohn von Barrymore wieder losbinden?“
„Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben“, sagte Chaco nachdenklich.
Wilder tauchte auf der Schwelle zum Hauptraum auf.
„Mir wäre wohler, die Apachen würden wieder angreifen“, sagte er. „Dass sie nichts tun, macht mich nervös. Die führen sicher etwas im Schilde, aber was?“
„Du vergisst, dass unsere Munition langsam knapp wird“, sagte Tony. „Einen Angriff könnten wir vielleicht noch überstehen, aber dann hat es sich. Was stehst du da rum? Geh auf deinen Posten und pass auf! Ich hab das Gefühl, dass es bald wieder losgeht.“
„Schon gut, schon gut“, maulte Wilder. „Ich wollte dir nur meinen schönen Verband vorführen.“
„Das reinste Lazarett haben wir hier“, sagte Tony und fluchte. Dann bemerkte er Laura, die Kaffee brachte, und sagte: „Entschuldigung, ich hab ganz vergessen, dass Damen mithören.“
Laura schaute Chaco besorgt an.
„Warum tun die Apachen nichts? Das Warten ist ja furchtbarer als alles andere.“
„Das sagte die Jungfrau auch immer“, warf Tony ein.
„Sie mit Ihrem Galgenhumor“, fuhr Laura ihn an.
Chaco sagte: „Sie haben Verluste hinnehmen müssen und sind jetzt vorsichtiger. Apachen gehen nicht gern ein Risiko ein. Und Big Cloud ist kein Dummkopf. Er wird irgendetwas planen.“
„Aber was?“, fragte Laura.
„Vielleicht wartet er auf Verstärkung“, überlegte Tony. „Wer weiß, wie viele Krieger er noch zur Verfügung hat. Während sie uns hier in aller Ruhe belagern, rotten sich sämtliche Roten Brüder zusammen.“
Chaco schüttelte den Kopf.
„Das glaube ich nicht. Big Cloud wird sich denken, dass irgendwann die Kutsche vermisst wird. Insofern steht er unter Zeitdruck. Er weiß aber auch, dass ein offener Angriff ihm wenig nutzen kann. Er wird auf irgendeinen Trick zurückgreifen.“
„Eh, was ist denn das?“, murmelte Tony nach einem Blick aus dem Fenster. „Die löschen ja die Feuer aus. Jetzt sagt nur, dass sie sich zum Schlafen legen.“
„Vielleicht ziehen sie sich zurück“, sagte Laura hoffnungsvoll. Sie trat neben Chaco ans Fenster und schmiegte ihr Gesicht an Chacos Wange, um ebenfalls einen Blick nach draußen zu erhaschen. Chaco roch den Duft ihres Haares, und die Berührung ihrer weichen Haut war wie ein wohliger Schauer. Chaco hätte den Kontakt gerne noch länger genossen, doch dann sah er, dass es plötzlich draußen stockdunkel wurde. Gerade war der freie Platz noch in silbernen Mondschein getaucht gewesen, jetzt musste sich eine Wolke vor den Vollmond geschoben haben.
„Darauf haben sie gewartet“, sagte er. „Sie wollen sich zu Fuß an die Station heranarbeiten. Schnell, ich muss wieder aufs Dach.“
„Ich sehe nichts“, sagte Tony, „aber ich hab das ungute Gefühl, sie sind schon hinter der Kutsche und ...“
Der Rest ging im Donnern der Explosion unter. Und dann brach über die Menschen in der Station die Hölle herein.