Читать книгу Die besten 12 Strand Krimis im September 2021 - Alfred Bekker - Страница 54

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Roberto Tardelli zog die Pelzjacke enger um seine Schultern. Gegen Abend wurde es verflucht kalt in dieser Gegend. Er löste seine beinahe angefrorenen Hände vom Stahl des Gewehres und versuchte, den Blutkreislauf durch leichtes Massieren wieder in Gang zu bringen.

Eine Bewegung schräg unter ihm weckte seine Aufmerksamkeit. Er griff nach dem starken Nachtglas, das vor seiner Brust hing, und richtete es auf die verdächtige Stelle. Die beiden Männer waren in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Nur ihre Waffen blitzten unter dem schwachen Licht des Mondes.

„Endlich“, murmelte Roberto Tardelli. Dann suchte er mit seinem Glas die ganze Umgebung ab. Er nickte befriedigt, als er eine bestimmte Stelle gefunden hatte. Die Gruppe von Reitern war nicht zu übersehen. Es waren sechs, und sie ritten dicht hintereinander den steinigen Hang hinauf.

Roberto versuchte, ihre Gesichter zu erkennen, aber das war auf diese Entfernung unmöglich. Sie schienen mit ihren Pferden vertraut zu sein und trugen über der Schulter langläufige Flinten. Die Männer waren in weite Gewänder gehüllt und hatten Turbane auf. Bei dem einen oder anderen blitzte im Gürtel der Griff eines Dolches auf. Roberto war überzeugt davon, dass diese Männer auch mit ihren Waffen umzugehen wussten. Für ihn würde es mit Sicherheit besser sein, wenn er sich nicht erwischen ließ.

Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die anderen beiden in seiner Nähe. Sie hatten die näher kommenden Reiter inzwischen auch bemerkt und waren aus dem Schatten hervorgetreten.

Roberto Tardelli konnte ihre Gesichter gut erkennen. Er hatte sie in den letzten Tagen oft genug gesehen.

Die Reiter waren jetzt so nahe gekommen, dass sie mit den beiden anderen die ersten Worte wechseln konnten. Roberto Tardelli verstand kein Wort, denn türkisch gehörte nicht zu den Sprachen, die er beherrschte. Allerdings war es auch nicht notwendig, dass er etwas verstand, denn er wusste ohnehin, worum es ging. Um Rauschgift.

Roberto verzog sein Gesicht zu einem bitteren Lächeln. Die armen Schweine, die sich hier ein paar Dollar verdienten, waren nicht die Schuldigen. Die eigentlichen Drahtzieher saßen in New York und sie gehörten zur Mafia.

In diesem Augenblick rutschte Roberto das Gewehr aus der Armbeuge und klirrte gegen einen Stein. Das Geräusch war in der nächtlichen Stille weit zu hören. Die Männer unter ihm reagierten sofort. Sie verschwanden im Schatten eines Felsens und riefen den herankommenden Reitern ein paar Worte entgegen. Die anderen begriffen sofort und sprangen von den Pferden. In wenigen Sekunden hatten sie sich verteilt und waren so gut wie unsichtbar geworden.

Roberto fluchte lautlos zwischen den zusammengebissenen Zähnen. Sollte sein Auftrag schon beendet sein, ehe er richtig begonnen hatte? Endlich war es ihm gelungen, eine Spur zu finden, und dann musste ihm so etwas passieren!

Vorsichtig nahm er sein Gewehr wieder in die Hand und zog sich langsam zurück. Mit dieser Waffe konnte er gegen die Männer dort unten sowieso nichts ausrichten. Es war eine einfache Jagdflinte, die er sich in der Türkei gekauft hatte, um außer seinem Revolver wenigstens eine weiter reichende Waffe zu besitzen. Ein Revolver nützte ihm in der ostanatolischen Gebirgslandschaft gar nichts.

Er hörte die leisen Geräusche der Männer, die sich vorsichtig vorwärtsbewegten.

Roberto sah sich um. Sie befanden sich hier in etwa 1500 Meter Höhe.

Hinter ihm ragte der Gipfel eines unbekannten Berges empor. Die zerklüftete Landschaft schien lebensfeindlich und für ihn ganz persönlich bedrohlich zu sein. Er wusste, dass er gegen die anderen, die hier jeden Fußbreit kannten, kaum eine Chance hatte.

Aber er wäre nicht Roberto Tardelli gewesen, wenn er es nicht versucht hätte. Aufgeben lag ihm nicht.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er die Bewegung rechts von ihm gerade noch rechtzeitig. Einer der Männer hatte sich schon auf seine Höhe vorgearbeitet. Roberto sprang auf und parierte den wütenden Angriff mit dem Gewehrlauf. In dem dunklen Gesicht seines Gegners erkannte er keine Einzelheiten, aus denen eine bestimmte Absicht zu erkennen gewesen wäre.

Mit einem Knurren zog der Türke einen langen Dolch aus dem Gürtel. Roberto packte den Gewehrlauf fester und spreizte die Beine, um einen besseren Stand zu haben.

Roberto Tardelli warf rasch einen Blick über die Schulter. Von dort kamen weitere Geräusche. Es war einer der Reiter, wie an seinem Turban zu erkennen war. Er schwang sich gerade über die Felsbrüstung, die Roberto als Deckung gedient hatte.

Ein leichtes Keuchen verriet seinen Gegner. Roberto glitt zur Seite und ließ den Mann ins Leere laufen. Die Dolchspitze funkelte im Mondlicht. Roberto hob das Gewehr und schlug zu. Er hatte keine Zeit für lange und kunstvolle Zweikämpfe. Es ging um sein Leben, und er war bereit, es so teuer wie möglich zu verkaufen.

Der Mann wurde durch den kräftigen Kolbenhieb mehrere Meter weit geschleudert und blieb stöhnend liegen. Blitzschnell drehte Roberto sein Gewehr wieder herum und richtete die Mündung auf den zweiten Mann, der in diesem Augenblick ebenfalls seine Flinte hob. Die beiden Schüsse fielen fast gleichzeitig. Roberto spürte den Luftzug, so dicht fuhr die Kugel an ihm vorbei. Er selbst hatte besser getroffen. Sein Gegner schrie auf, ruderte mit den Armen und taumelte dann über die Brüstung zurück.

Ein zorniger Aufschrei kam aus mehreren Kehlen. Jetzt wurde es höchste Zeit. Roberto Tardelli kletterte flink wie eine Bergziege den Hang empor. Ab und zu wandte er sich um, aber er hatte rasch einen Abstand zwischen sich und seine Verfolger gebracht. Mehrere Schüsse peitschten auf, aber sie waren schlecht gezielt und schlugen noch nicht einmal in seiner Nähe ein.

Roberto warf sich das Gewehr über die Schulter, um beide Hände beim Klettern frei zu haben. Wieder warf er einen Blick zurück. Einige hatten die Verfolgung bereits aufgegeben, aber zwei hartnäckige Türken waren immer noch hinter ihm. Roberto beschleunigte sein Tempo, obwohl sein Puls schon wie rasend schlug. Er musste diesen Männern entkommen und durfte auch nicht erkannt werden, sonst war seine Tarnung zum Teufel, und er hätte keine Chance mehr gehabt, seinen Auftrag zu erfüllen.

Einer der Verfolger war inzwischen gefährlich nahe gekommen, der andere weiter zurückgefallen. Roberto drehte sich häufiger um. Seine Reserven ließen nach und er hatte Mühe mit dem Atmen.

Roberto keuchte den steiler werdenden Hang hinauf, überwand einen schmalen Felsspalt mit einem Satz aus dem Lauf heraus und wich den spitzen Geröllbrocken aus, die haufenweise im Weg lagen. Ihm wurde klar, dass er auf die Dauer seinem Verfolger nicht entkommen konnte, der vermutlich in dieser Gegend aufgewachsen war und der hier jeden Stein kannte. Er musste sich zum Kampf stellen, bevor, er dazu überhaupt nicht mehr in der Lage war.

Entschlossen stoppte Roberto Tardelli seinen Lauf, riss die Flinte von der Schulter und erwartete seinen Gegner. Er hatte noch keine Zeit gehabt, sie wieder zu laden, sodass er sie nur als Hiebwaffe verwenden konnte. Andererseits wusste sein Gegner nicht, dass er nur ein einschüssiges Gewehr besaß.

Der andere war ebenfalls stehen geblieben und starrte Roberto aus einer Entfernung von kaum fünf Metern an. Er sagte ein paar Worte auf türkisch. Roberto schüttelte nur den Kopf.

Der andere kam lauernd einen Schritt näher. Es war einer der beiden Männer, die Roberto zuerst bemerkt hatte. Er hatte auch keine altertümliche Flinte in der Hand wie die Reiter, sondern ein relativ modernes Militärgewehr, mit dem er auf Roberto zielte.

Roberto wich einen Schritt zurück und drehte sich dabei halb zur Seite. Der Türke stieß einen erstaunten Laut aus und ließ sein Gewehr ein Stück sinken. Dann sprach er in gebrochenem Englisch weiter. „Jetzt erkenne ich dich, Inglesi! Du wohnst in unserem Dorf und gräbst nach alten Dingen, die in der Erde liegen. Was tust du hier, Inglesi?“

Roberto antwortete nicht. Der Mann hatte ihn erkannt, das war nicht zu ändern. Damit war auch seine Tarnung als Archäologe hinfällig geworden. Sein Auftrag war von nun an aufs Höchste gefährdet. Roberto packte das nutzlose Gewehr fester.

Der Türke murmelte rasch ein paar Worte in seiner Muttersprache, dann hob er sein Gewehr wieder und trat näher. Die Mündung der Waffe war jetzt noch einen Meter von Robertos Brust entfernt. Roberto senkte den Lauf seiner Waffe zu Boden. „Ich bin zufällig hier“, sagte er leise.

„Du lügst, Inglesi.“ Der Türke schüttelte den Kopf. „Du bist ein Spion von der Regierung.“

Roberto achtete nur auf die Waffe des anderen, die immer noch auf seine Brust gerichtet war.

„Warum hast du uns beobachtet?“, fragte der Türke.

„Ich suche Altertümer. Es war Zufall. Ich sah einige Leute, die sich nachts im Gebirge trafen, das ist alles. Ihr habt mich angegriffen ohne einen Grund. Ich musste mich wehren.“

„Ich glaube dir nicht, Fremder. Du bist ein Spion und musst sterben. Wir können keine Beobachter gebrauchen.“ Der Türke hob sein Gewehr ein Stück höher. „Bete zu deinem Gott, Inglesi. Du lebst nur noch ein paar Sekunden.“

Roberto Tardelli handelte. Mit einer blitzschnellen Aufwärtsbewegung hieb er seine Flinte von unten gegen den Lauf des Gewehres. Der Schuss krachte donnernd und ging irgendwo in die Luft. Roberto ließ seine Waffe augenblicklich fallen und sprang den anderen an. Er entwand ihm das Gewehr und schleuderte es zur Seite. Der Türke wehrte sich verzweifelt.

Roberto Tardelli hatte jetzt die besseren Karten. Im Nahkampf war er dem anderen eindeutig überlegen, und bei seinen Trainingsstunden war es häufig um Leben oder Tod gegangen.

Der Türke stöhnte, als Roberto ihn langsam in die Knie zwang. Er wand sich wie eine Schlange in dem eisernen Griff. „Du bringst mich um, Inglesi.“

Roberto antwortete nicht, denn er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte den anderen nicht einfach töten, obwohl alles verraten war, wenn dieser Mann entkam. Aber Roberto war kein Killer, der bedenkenlos die gleichen Methoden anwandte wie seine Feinde, die er gerade deswegen bekämpfte.

Der Türke nahm ihm eine Entscheidung ab. Roberto bemerkte das Blitzen der Klinge gerade noch, ehe sie ihm in den Leib gestoßen wurde. Er drehte seinen Körper zur Seite und wehrte den Stoß mit dem hochgerissenen Knie ab. Gleichzeitig ließ er den Mann los und sprang einen Schritt zurück.

Der Türke kippte vornüber, da ihm plötzlich der Halt fehlte, schrie auf und blieb reglos in verkrümmter Haltung liegen. Roberto betrachtete ihn aus der Entfernung aufmerksam, da er einen Trick befürchtete. Dann kam er vorsichtig näher und beugte sich herunter.

Seine Vorsicht war jedoch überflüssig. Dieser Mann wurde niemandem mehr gefährlich. Er war tot.

Als Roberto ihn so plötzlich losgelassen hatte, war er in sein eigenes Messer gestürzt, das Roberto gleichzeitig zur Seite gelenkt hatte. Roberto betrachtete den Toten, und in seinem Gesicht lag ein Anflug von Trauer. Tod und Gewalt waren seine Begleiter geworden, seit er die Mafia bekämpfte, diese Organisation, die vor nichts zurückschreckte, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte.

Roberto Tardelli hatte ihr Niederlagen beigebracht, aber er würde sie nie ganz besiegen können. Das würde ein einziger Mann nie schaffen. Vielleicht erwischten ihn eines Tages auch die bezahlten Killer der Gegenseite. Der Preis auf seinen Kopf war schließlich hoch genug.

Selbst bis hierher, weit in den Osten der Türkei, reichten die Verbindungen der Mafia. Und dafür gab es nur einen einzigen Grund. Hier wurde Opium angebaut, Grundstoff für die tödlichen Heroinkristalle. Heroin, die Droge, die in wenigen Jahren aus Menschen jämmerliche Wracks machte. Heroin, das den Händlern und Schmugglern immense Gewinne bescherte.

Roberto Tardelli stand auf und klopfte sich mechanisch den Staub von der Kleidung. Wenn es nach ihm ginge, würde er der Mafia erneut eine Niederlage beibringen. Und zwar hier, wo sie es bestimmt nicht vermutete.

Er suchte sein Gewehr, warf es über die Schulter und machte sich an den Abstieg. Bis zu der Stelle, wo er seinen Jeep versteckt hatte, waren es noch ein paar Kilometer.

Die besten 12 Strand Krimis im September 2021

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