Читать книгу Die besten 12 Strand Krimis im September 2021 - Alfred Bekker - Страница 57

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Das Hotel hatte neue Gäste. Roberto blieb stehen und musterte den Wagen, der vor der Tür parkte. Es war ein Ford, ziemlich neues Baujahr. Die Farbe war unter der dicken Schmutzschicht kaum zu erkennen. Der Wagen hatte eine lange Reise hinter sich.

Roberto schlenderte näher, fröhlich pfeifend.

Er hatte sein Pferd wieder abgegeben und wollte jetzt einen Happen essen. Die türkische Küche war zwar nicht sein Fall, aber er hatte sich daran gewöhnt, und sein Wirt kochte gar nicht schlecht.

Im Augenblick verspürte er aber keinen Appetit mehr. Der Wagen war ihm auf den Magen geschlagen. Sein Gefühl sagte ihm, dass Unannehmlichkeiten zu erwarten waren. Hierher kam kein Tourist. Seit er hier war, war ihm auch noch kein Fremder über den Weg gelaufen. Der weit gereiste Wagen brachte mit Sicherheit keine freudigen Überraschungen.

Roberto betrat das Café. Er sah die Männer sofort. Es waren drei, und dass es Amerikaner waren, erkannte man auf den ersten Blick. Roberto allerdings sah noch mehr, denn diese Typen kannte er.

Auch die drei bemerkten ihn, und ihre Köpfe ruckten hoch. Sie betrachteten ihn misstrauisch, als er zu seinem Stammplatz ging. Im Vorübergehen grüßte er höflich und nickte ihnen freudestrahlend zu. „Endlich mal ein neues Gesicht“, sagte er fröhlich. „Hierher verirrt sich so leicht niemand. Ich nehme an, Sie sind auch Wissenschaftler. Reynolds ist mein Name, Doktor Reynolds. Mein Spezialgebiet sind die Hethiter.“

Nur einer der Männer hatte einen kurzen Gruß gebrummt. Die beiden anderen betrachteten ihn wie ein seltenes Insekt. Offensichtlich wussten sie nicht, was sie von Roberto halten sollten.

Der Wirt werkelte im Hintergrund an seinen Flaschen und Gläsern herum und schien sich um seine Gäste nicht zu kümmern. Sie hatten Kaffee vor sich stehen.

Sie schienen alle drei vom harten Typ zu sein. Der mittlere war etwas älter, etwa Mitte dreißig. Sein kantiges Gesicht wurde von tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen und einer riesigen Nase beherrscht, die an der Spitze leicht eingedrückt war. Das in die Stirn fallende Haar bedeckte eine dunkelrote Narbe auf der Stirn nur schlecht.

Die anderen beiden hätten Zwillinge sein können. Sie waren ein paar Jahre jünger und hatten keinen sonderlich intelligenten Gesichtsausdruck. Jedenfalls sahen sie gut trainiert aus, wenn sie auch beide einen leichten Hang zum Bauchansatz verrieten. Die drei trugen Jeansanzüge, in denen sie sich nicht sonderlich wohl zu fühlen schienen. Roberto setzte sich so, dass er sie gut im Auge behalten konnte, ohne dass es auffiel. Er hatte so reagieren müssen, um seiner harmlosen Rolle gerecht zu werden. Jetzt, da man auf seinen Anbiederungsversuch nicht reagiert hatte, konnte er den leicht Beleidigten spielen.

Er winkte dem Wirt und bestellte einen Kaffee sowie etwas zu essen.

Der mit der Narbe beugte sich zu einem der anderen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Roberto hatte die Augen halb geschlossen und tat so, als bemerke er seine Umwelt gar nicht. Der Angesprochene kam auf ihn zu und baute sich vor seinem Tisch auf.

Roberto hob den Kopf und sah ihn freudestrahlend an. Er schoss von seinem Stuhl hoch und streckte dem Mann die Hand entgegen. „Sie sind ein Landsmann, nicht wahr? Das sieht man doch gleich.“

Er schüttelte dem anderen die Hand, als wollte er sie abreißen. Dabei stellte er unauffällig fest, dass der Mann eine Pistole unter der Achsel trug.

„Bleiben Sie länger?“, erkundigte sich Roberto.

Der andere schüttelte den Kopf. „Wir müssen bald weiter. Vielleicht bleiben wir eine Nacht. Und Sie? Wie lange sind Sie schon hier?“

„Eine Woche. Meine Arbeit erfordert es, dass ich noch einige Zeit hierbleiben muss. So schnell geht es leider nicht.“

„Und wo kommen Sie her?“

„Aus Grand Rapids in Michigan“, sagte Roberto. „Das ist natürlich kein Vergleich mit diesem Ort hier. Ich bin froh, wenn ich wieder zurück kann, obwohl ich natürlich die seltene Gelegenheit habe, meine Forschungen an Ort und Stelle betreiben zu können.“

„Wonach forschen Sie denn?“

„Ich bin Archäologe. Ich suche nach einer vergessenen Stadt der Hethiter.“

Der andere runzelte die Stirn und buchstabierte das Wort lautlos nach. „Die Hethiter“, würgte er schließlich heraus. „Ach so.“ Man merkte ihm an, dass er dieses Wort noch nie gehört hatte.

„Ben!“, rief der mit der Narbe scharf. „Es ist genug. Belästige den Herrn nicht weiter.“

„Aber nicht doch!“, rief Roberto. „Ich unterhalte mich gern mit Landsleuten. Hier habe ich nicht oft Gelegenheit dazu.“

Ben schlich zum Tisch zurück, und Narbengesicht giftete zu Roberto hinüber. Dann flüsterten die drei miteinander.

Inzwischen kam der Wirt mit dem Essen, und Roberto widmete sich der wichtigen Aufgabe, seinen Hunger zu stillen.

In dieser Zeit achtete er nicht auf die drei, da ihm bereits klar war, wen er da vor sich hatte. Die beiden jüngeren erkannte ein Fachmann auf drei Meilen als Leibwächter des Narbengesichts. Roberto hatte gezwungenermaßen einen Blick für Berufsverbrecher entwickelt – das waren welche.

Und es war auch nicht schwer zu erraten, was sie hier wollten. Die Dinge entwickelten sich. Immerhin stand die Mohnernte unmittelbar bevor. Offensichtlich traute die Mafia ihren türkischen Helfern nicht ganz und schickte eigene Leute zur Überwachung.

Die drei steckten die Köpfe zusammen und warfen ab und zu einen Seitenblick auf Roberto. Irgendwie schien ihnen seine Anwesenheit nicht geheuer zu sein. Aber da ein Mafioso das Misstrauen bereits mit der Muttermilch einsog, war das nicht weiter verwunderlich.

In diesem Moment ging die Tür auf.

Ismet Erim.

Roberto zwang sich dazu, nicht hinzusehen. Er wusste, dass er nicht eine Sekunde lang den Verdacht der Verbrecher erwecken durfte, sonst würde er dieses Haus nicht lebend verlassen. Genüsslich schlürfte er seinen heißen Kaffee und konzentrierte sich anschließend auf seine Fingernägel. Trotzdem entging ihm natürlich nichts.

Erim ging, ohne zu zögern, auf den Tisch mit den drei Amerikanern zu. Sie schienen sich bereits zu kennen, denn die Begrüßung fiel recht freundlich aus, obwohl ein Beobachter erkannt hätte, dass die Beziehung zwischen diesen Männern rein geschäftlicher Natur war.

Roberto konzentrierte sich auf die Unterhaltung, konnte aber nur einige Wortfetzen verstehen, die ihm nichts sagten. Er konnte sich ohnehin gut vorstellen, worum es ging.

Ein paar Minuten lang schien man sich auch über ihn zu unterhalten, aber Erim zerstreute offenbar den Verdacht der Neuankömmlinge. Trotzdem wusste Roberto, dass er deswegen keinesfalls außer Verdacht war. Dieser Türke war nicht zu unterschätzen, und er musste ja wissen, dass irgendjemand die nächtliche Unternehmung beobachtet hatte. Vielleicht war das aber gar nicht so selten, denn sicher schlief auch hier die Konkurrenz nicht.

Roberto musste an Alanya denken und an deren ermordeten Vater. Ihr Schicksal war in dieser Beziehung ähnlich, denn auch er hatte seinen Vater durch Mord verloren. Schuld daran waren in beiden Fällen Verbrecher, die vor nichts zurückschreckten.

Mit Ismet Erim würde er noch ganz persönlich abrechnen, schwor sich Roberto in dieser Sekunde.

Im Laufe der Unterhaltung hatte Roberto die Namen der Amerikaner mitgekriegt. Ben war die Kurzform von Benedetto, und der andere hieß Stefano. Ihre Nachnamen erfuhr er nicht.

Narbengesicht dagegen wurde immer respektvoll mit seinem Nachnamen angeredet. Er hieß Ragozzini. Alles ehrliche italienische Namen, dachte Roberto. Er spürte wieder das Ziehen in der Magengrube. Der eisige Hauch der Mafia war in das öde anatolische Hochland gedrungen.

Die besten 12 Strand Krimis im September 2021

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