Читать книгу Die besten 12 Strand Krimis im September 2021 - Alfred Bekker - Страница 59

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Aus der Nähe betrachtet wirkte der Eingang zur Schlucht wie das Tor zur Hölle. Rechts und links ragten gewaltige Bergwände empor, die sich weit oben im Dunkel verloren. Sie bewegten sich sehr vorsichtig vorwärts, und auch Roberto bemühte sich, keinen Stein unter seinen Füßen knirschen zu lassen. Alanya bewegte sich leicht wie eine Gazelle.

Plötzlich blieb sie stehen. Roberto wäre beinahe aufgeprallt.

„Dort“, sagte sie.

Geräuschlos sanken sie hinter einem Strauch in Deckung. Jetzt sah auch Roberto das leichte Blitzen von Metall. „Der Wächter“, flüsterte er. „Sein Gewehr reflektiert das Licht.“

„Wir müssen ihn ausschalten“, flüsterte sie zurück.

„Das ist meine Aufgabe.“

Roberto schlängelte sich zwischen den Büschen hindurch und kroch lautlos weiter. Der Posten war etwa zwanzig Meter entfernt. Er kauerte schräg unter ihm an einer Felswand und hatte sein Gewehr über den Schenkeln liegen. Er starrte bewegungslos geradeaus und wandte Roberto die linke Schulter zu. Roberto bewunderte Alanyas Orientierungssinn. Sie hatte es geschafft, den Posten in geringer Entfernung zu umgehen, ohne dass der etwas merkte.

Roberto stieß einen Stein mit den Füßen an. Es gab ein leises Geräusch, und der Kopf des Wächters zuckte sofort herum.

Roberto verschmolz mit dem Boden und hielt den Atem an. Er war verrückt, dass er es als Großstadtmensch versuchte, sich mit einem Mann zu messen, der sein Leben hier zu gebracht hatte.

Der Posten lauschte mindestens eine Minute, aber als er kein weiteres Geräusch hörte, drehte er den Kopf wieder herum und nahm seine vorherige Position ein.

Roberto kroch weiter. Er war bis auf fünf Meter heran, als er wieder ein Geräusch verursachte. Diesmal sprang der Posten sofort auf. Er packte sein Gewehr und machte ein paar Schritte vorwärts. Das war Robertos Chance, denn der Mann musste gleich über ihn stolpern.

Er schoss hoch und krallte seine Hände um den Hals des anderen. Der Posten grunzte und ließ vor Überraschung sein Gewehr los.

Roberto spürte, dass er es mit einem kräftigen Mann zu tun hatte. Er musste auf jeden Fall verhindern, dass Hilfe herbeigerufen wurde. Der Posten hatte sich schnell von seinem Schreck erholt und wehrte sich.

Roberto fühlte, wie der andere versuchte, seine Hände vom Hals loszureißen. Doch er gab nicht nach. Der Posten wich nach hinten aus, und sie stürzten. Auch jetzt ließ Roberto nicht los. Sie rollten über scharfe Steine und stachlige Sträucher, ineinander verkrallt und schwer atmend.

Der Posten versuchte, Roberto das Knie in den Unterleib zu rammen, aber der erkannte die Gefahr rechtzeitig und wälzte sich zur Seite. Schon spürte er, wie der andere schwächer wurde. Der eisenharte Würgegriff zeigte seine Wirkung.

Der Posten griff zu seinem letzten Mittel und zerrte ein langes Messer aus dem Gürtel. Bei der gegenseitigen Verklammerung hatte er aber keine Gelegenheit zu einem ausholenden Stoß. Roberto nagelte die Messerhand mit seinem ganzen Körpergewicht fest.

Plötzlich erschlaffte der andere. Mit einem Stöhnen sank der Kopf nach hinten. Vorsichtig ließ Roberto seinen Griff los. Aber es war keine Finte, der Posten war wirklich bewusstlos.

Da die Betäubung nicht lange anhalten würde, musste Roberto den Mann fesseln, und zwar so, dass er sich nicht so leicht befreien konnte.

Das war gar nicht so einfach in der Dunkelheit. Roberto löste den ledernen Gürtel des anderen und band ihm damit die Füße zusammen. Die Hände fesselte er mit dem Gewehrriemen, der ebenfalls einen stabilen Eindruck machte.

Der Posten kam bereits langsam wieder zu sich. Roberto riss ihm den Turban vom Kopf und wickelte ihn fest mehrmals um den Kopf des anderen. Nur die Augen sahen noch aus der Umhüllung heraus, und sie loderten vor Hass wie Feuer. Roberto wusste, dass er diesem Mann keine zweite Chance geben durfte.

Er erhob sich und starrte auf den Gefesselten nieder. Er würde einige Zeit brauchen, bis er sich befreien konnte. Roberto musste das Risiko in Kauf nehmen. Schließlich wollte er sich hier nur umsehen und nicht die ganze Nacht verbringen.

Alanya wartete am gleichen Platz auf ihn. „Gut“, sagte sie nur. „Wir können weiter.“

„War das auch ein Kurde?“, fragte Roberto.

Sie zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich. Ich weiß, dass rund ein Dutzend Männer abwechselnd die Felder bewachen. Wie mein Vater mir sagte, gehören sie alle zu meinem Volk. Es sind Guerillas, die man aus dem Irak vertrieben hat. Man hat ihnen versprochen, Geld für ihren Freiheitskampf zu zahlen, wenn sie hier die Bewachung übernehmen. Aber sicher wird man sie betrügen. Ich traue diesen Verbrechern nicht.“

„Ihr Vater war gut informiert“, sagte Roberto.

Sie nickte. „Er kannte ein paar dieser Männer. Sie haben mit ihm gesprochen und ihm einiges anvertraut. Deshalb musste er auch sterben.“

„Wann war das?“

„Es ist erst zwei Monate her.“ In Alanyas Stimme lag eine tiefe Trauer, sodass Roberto einige Minuten stumm blieb.

Sie waren jetzt tief in die Schlucht eingedrungen, die mit leichtem Gefälle abwärts führte.

„Wie lange müssen wir noch gehen?“, erkundigte Roberto sich schließlich.

„Es ist nicht mehr weit.“

Nach zwei Minuten erkannte Roberto, dass sie recht hatte. Vor ihm öffnete sich ein weiter Talkessel, dessen Durchmesser bei der nächtlichen Dunkelheit nicht genau auszumachen war. Der Mond war inzwischen aufgegangen, sodass man bei dem schwachen Licht einiges erkennen konnte.

„Mohn“, flüsterte Roberto.

Unübersehbar dehnten sich die Felder. Die leuchtend roten Blüten waren selbst bei dieser Beleuchtung deutlich zu erkennen. Er trat an den Feldrand und brach eine der Blüten ab. Er drehte sie sinnend in der Hand und warf sie dann auf die Erde. „Blüten des Todes“, sagte er leise.

„Ich weiß“, entgegnete Alanya.

„Was ist das für ein Licht dort drüben?“, fragte er plötzlich. In einiger Entfernung schimmerten zwei Lichtpunkte durch die Nacht.

Alanya zögerte kurz. „Das muss die Hütte sein, von der mir mein Vater erzählte.“

„Er war hier?“

„Ja.“

„Und wer hält sich dort auf?“

„Ich nehme an, dass sie ehemals von einem Hirten stammt. Jetzt wohnen vermutlich die Wächter dort. Ich selbst habe die Hütte noch nicht gesehen.“

Roberto starrte zu den Lichtpünktchen hinüber. „Das muss ich mir ansehen.“

Alanya berührte leicht seinen Arm. „Das ist gefährlich. Wir wissen nicht, wie viele Leute sich dort aufhalten. Sie haben doch Ihr Ziel erreicht und wissen jetzt, wo die Felder sich befinden.“

„Ja. Aber das reicht noch nicht. Ich habe sie gefunden, und nun muss ich sie auch vernichten.“

„Aber wie?“

Er zuckte die Achseln. „Das weiß ich auch noch nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass die Felder eine solche Ausdehnung haben. Hat sie sonst noch niemand entdeckt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, nicht. Dieses Tal liegt hier völlig abgeschlossen. Selbst ich hatte es vorher noch nicht gesehen, obwohl ich meine ganze Jugend hier verbracht habe. Den Weg kannte ich nur aus Erzählungen meines Vaters. Vor einigen Wochen habe ich mich in die Nähe der Schlucht geschlichen, aber ich habe es natürlich nicht gewagt, den Talkessel zu betreten. Wahrscheinlich hätten die Wachen mich auch sofort entdeckt.“

„Und die anderen Einwohner der Gegend? Es muss doch hier Hirten geben, die mit ihren Herden jeden Stein in der Nähe kennen.“

Sie senkte die Stimme. „Es traut sich niemand in die Nähe. Man weiß, dass die Kurden, die sich hier aufhalten, keine Rücksicht nehmen. Kurz nach der Ermordung meines Vaters hat man die Leiche eines Hirten gefunden. Er war von einem Felsen gestürzt. Das sagte jedenfalls der Polizist aus dem Ort. Daran glaubt hier aber niemand, und seitdem meiden die Einheimischen diese Gegend, weil jeder Angst hat.“

„Und Sie haben keine Angst?“ Roberto lächelte, aber sie konnte sein Gesicht nicht genau erkennen.

Sie richtete sich stolz auf. „Nein.“

„Gut. Dann gehen wir jetzt zu der Hütte.“

Sie erschrak und zögerte. „Man wird uns fangen und nicht mehr entkommen lassen. Diese Männer kennen keine Gnade.“

„Aber Sie haben doch eben selbst gesagt, dass Sie keine Angst haben. Man wird uns nicht erwischen.“

„Gut“, sagte sie. Roberto hatte sie in ihrem Stolz getroffen, und jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Zwar war ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut, aber der Amerikaner schien ziemlich selbstsicher zu sein.

Sie hatten ein ganzes Stück zu laufen, da sie um das Feld herumgehen mussten. Als sie der Hütte näher kamen, bewegten sie sich mit größerer Vorsicht.

Die Hütte war aus unbehauenen Steinen errichtet, über die man als Dach Baumstämme gelegt hatte, die mit Stroh und Moos abgedichtet waren. Durch zwei schmale Fenster fiel flackerndes Licht nach draußen. Durch den Schornstein zog Rauch in die Nacht. Offenbar hatten die Männer ein Feuer angezündet.

Neben der Hütte bewegten sich große, unförmige Dinge. Im Näherkommen sah Roberto, dass es sich um die Pferde handelte. Es waren vier. Also hatte er es mit vier Gegnern zu tun.

Eigentlich hatte er keinen Grund, noch näher an die Hütte heranzugehen. Er wusste, wo die Felder lagen und wie sie bewacht wurden. Er musste sich jetzt einfallen lassen, wie er die tödlichen Blumen vernichtete. Aber seine Neugier war stärker. Er musste einfach wissen, wer sich in der Hütte befand.

Alanya hielt sich dicht hinter ihm. Sie hatte seit geraumer Zeit kein Wort mehr gesprochen, war ihm aber nicht von der Seite gewichen. Roberto wusste, dass sie Angst hatte, und er konnte ihr es nicht verdenken. Eigentlich war auch er nicht so ganz überzeugt davon, dass nichts schiefgehen würde, aber das Jagdfieber hatte ihn gepackt, und bevor er den Rückweg antrat, wollte er einfach noch einen Blick in die Hütte werfen.

„Warten Sie hier“, flüsterte er. „Ich bin gleich zurück.“

Geduckt schlich er vorwärts. Vor der Hütte war kein weiterer Posten aufgestellt. Das hielt man wohl für unnötig, da sich nie ein Mensch in diese Gegend traute. Die Wächter waren sich wahrscheinlich bewusst, dass sie jetzt mehr aus psychologischen Gründen da waren.

Roberto hatte die Wand der Hütte erreicht und richtete sich auf. Er tastete sich weiter, bis er das erste Fenster berührte. Vorsichtig blickte er hinein. Die verschmutzte Glasscheibe, die von mehreren Sprüngen durchzogen war, ließ genügend Einzelheiten erkennen.

Die Hütte bestand nur aus einem einzigen Raum. An der Rückwand befand sich eine Art Kamin, in dem jetzt ein Feuer loderte. An einem Metallgestell briet darüber ein großes Stück Fleisch. Ein Mann saß daneben und drehte den Spieß allmählich weiter.

Das Dach war im Inneren durch zwei Balken abgestützt, an denen Sättel und andere Dinge hingen. An der gegenüberliegenden Längswand war Stroh aufgeschüttet, über das mehrere Decken gebreitet waren. Das Nachtlager der Wächter.

Auf einem steinernen Bord standen ein paar Küchengeräte, und in der Mitte des Raumes standen weitere Sättel, die als Hocker dienten. Das war die ganze Einrichtung.

An einem der Balken lehnte ein zweiter Mann. Er war damit beschäftigt, einen Patronengurt auszubessern.

Jetzt sah Roberto auch die Waffen. Neben der Tür, links von ihm, befand sich ein Gestell, in dem die langläufigen Flinten lehnten. Darüber hingen an Haken breite Patronengurte, die über den Schultern getragen wurden. Jeder der Männer besaß außerdem noch Revolver und Dolche. Es waren mit Sicherheit Gegner, die mit ihren Waffen auch umzugehen wussten.

Die beiden restlichen Kurden hatten sich in ihre Decken gerollt und schliefen offensichtlich. Vier Pferde – vier Männer.

Roberto überlegte. Er dachte an die sechs Reiter der vergangenen Nacht. Vermutlich war das eine Art Ablösung gewesen. Vier davon waren hier, einer lag gefesselt in der Schlucht, und einen hatte er angeschossen. Man hatte ihn vermutlich bereits abtransportiert.

Roberto ließ sich vom Fenster zurückgleiten. Er hatte genug gesehen. Gerade wollte er den Rückweg antreten, als er ein merkwürdiges Geräusch hörte. Es kam von weit her aus der Luft und es kam ihm bekannt vor.

Er runzelte die Stirn, als er plötzlich wusste, was es war. Damit hätte er in dieser Einöde nie gerechnet.

Er warf noch einen letzten Blick in die Hütte. Auch dort hatte man das Geräusch gehört. Die beiden Liegenden schälten sich aus ihren Decken. Der Mann, der am Balken gelehnt hatte, ging auf die Tür zu. Die Männer sahen nicht beunruhigt aus, also kannten sie das Geräusch.

Lautlos verschwand Roberto. Er fand Alanya sofort. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt.

„Was ist das?“ Ihre Stimme klang ängstlich.

„Ein Hubschrauber“, sagte Roberto.

„Ach so.“ Sie atmete erleichtert auf.

Die Maschine näherte sich offensichtlich dem Talkessel. Das typische Flappern der Rotoren wurde lauter.

„Sie kommen hierher“, meinte Roberto erstaunt. Der Pilot musste sein Handwerk verstehen, wenn er sich bei dieser Dunkelheit zwischen die Berge wagte. Jetzt konnte man die Konturen der Maschine sehen. Sie hielt genau auf die Hütte zu.

Roberto sah, wie die Kurden vor der Hütte geschäftig durcheinanderliefen. Dann flammten plötzlich mehrere Feuer in größeren Abständen auf. Die Landebahnbeleuchtung, dachte Roberto. Die müssen sich hier sehr sicher fühlen. Allmählich wurde ihm auch klar, dass er es hier mit einer größeren Organisation zu tun hatte. Kleine, unbedeutende Gangster verfügten nicht über Hubschrauber und Piloten, die sie fliegen konnten. Roberto Tardelli kannte nur eine einzige Organisation, die über solche Hilfsmittel verfügte und das war die Mafia!

„Haben Sie den Hubschrauber schon öfters bemerkt?“, fragte Roberto.

Alanya schüttelte den Kopf. „Nein. Noch nie. Haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet?“

Er nickte. „Kurz vor der Ernte kommen die Auftraggeber, um selber nach dem Rechten zu sehen. Ich glaube, ich weiß, wer es ist.“

Seine Brauen zogen sich zusammen, wenn er an die drei Amerikaner dachte, die er in seinem Hotel getroffen hatte. Er würde ein Jahresgehalt verwetten, wenn das nicht Angehörige der Mafia waren. Sie mussten sich in der nächsten Stadt einen Hubschrauber besorgt haben und kamen nun bei Nacht, um ihre Investition zu besichtigen.

Roberto nahm Alanya am Arm und zog sie weiter in das Dunkel.

„Wir sollten gehen“, bat sie. „Es wird immer gefährlicher, je länger wir bleiben. Was kommen dort für Leute?“

Er starrte finster zu dem Hubschrauber, der schon dicht über dem Boden schwebte. „Sie gehören zur größten Verbrecherorganisation der Welt. Sie sind ein Krebsgeschwür. Sie haben meinen Vater und meine Schwester ermordet. In letzter Konsequenz sind sie auch für die Ermordung Ihres Vaters verantwortlich. Denn diese Leute haben dafür gesorgt, dass diese geheimen Mohnfelder angelegt werden.“

„Was kann man gegen sie tun?“ Roberto sah sie flüchtig an, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Hubschrauber lenkte. „Man muss sie bekämpfen.“

Die Maschine setzte zur Landung an. Die von den Kurden angezündeten Feuer bildeten einen Lichtkreis, in dem der Pilot den Vogel bequem auf den Boden bringen konnte.

Durch die nur langsam niederbrennenden Feuer war die Umgebung gut erleuchtet, und Roberto konnte alle Einzelheiten erkennen.

Das Motorengeräusch erstarb, und die Kabine des Hubschraubers wurde geöffnet. Benedetto und Stefano entstiegen der Maschine, in dicke Jacken gehüllt. Roberto nickte grimmig. Er hatte es geahnt. Jetzt fehlte nur noch die Nummer drei im Bunde.

Aber es war außer dem Piloten kein Mensch mehr in der Kanzel. Die beiden waren allein gekommen. Ihr Boss wollte seine kostbare Haut wohl nicht den Risiken eines nächtlichen Fluges aussetzen. Er hatte nur seine Leibwächter geschickt. Wenn sie auch nicht mit allzu vielen Geistesgaben gesegnet schienen, waren sie doch gefährlich genug.

Roberto packte Alanya plötzlich fester am Arm. „Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte er.

„Was?“, fragte sie.

Er zeigte auf den Hubschrauber. „Das ist eine Militärmaschine. Ich kenne den Typ. Es ist ein amerikanisches Modell. Ein Bell Huey Cobra. Diese Maschine wurde auch in Vietnam eingesetzt. Sehen Sie, der Pilot trägt eine Uniform. Diese Gangster haben also sogar Angehörige des Militärs bestochen.“

Alanya zuckte nur mit den Achseln. „Woher hätten diese Leute sonst auch einen Hubschrauber bekommen sollen.“

Roberto runzelte die Stirn. Ein fantastischer Gedanke stieg in ihm auf.

„Ich habe einen Plan“, flüsterte er. „Es ist sehr gefährlich, aber es könnte klappen.“

„Was für einen Plan?“

„Sehen Sie die Behälter an den kurzen Stummelflügeln? Sie enthalten Raketen. Ich weiß nicht, um welche Version es sich handelt, aber das spielt auch keine Rolle. Ich hoffe nur, dass die Maschine überhaupt bewaffnet ist. Unter der Nase können Sie auch den Lauf einer Maschinenkanone erkennen.“

Alanya starrte ihn aus großen Augen an. „Ich verstehe nicht, weshalb Sie darüber so erfreut scheinen. Wenn dieser Hubschrauber wirklich so stark bewaffnet ist, sollten wir machen, dass wir verschwinden.“ Roberto schüttelte den Kopf. „Oh, nein. Ich werde versuchen, in die Kanzel zu kommen, und dann werden wir weitersehen.“

„Können Sie denn einen Hubschrauber fliegen?“

„Nein, aber der Pilot sitzt ja noch in der Kabine. Er wird mich fliegen.“ Für einen Augenblick herrschte Schweigen, dann sagte Alanya leise: „Ich habe Angst.“

Roberto lächelte schwach. „Ich auch. Aber ich werde trotzdem tun, was getan werden muss.“

Benedetto und Stefano waren inzwischen in der Hütte verschwunden. Einer der Kurden blieb in der Nähe des Hubschraubers stehen. Der Pilot saß nach wie vor in der Kanzel.

„Passen Sie auf“, sagte Roberto. „Den Teil, der jetzt kommt, muss ich allein erledigen. Sie gehen durch die Schlucht zurück und warten an der Stelle, an der wir das Pferd zurückgelassen haben. Dort treffen wir uns.“ Er sah auf seine Uhr. „Von jetzt an gerechnet warten Sie vier Stunden, keine Minute länger. Wenn ich es bis dahin nicht geschafft habe, schaffe ich es nie. Dann nehmen Sie das Pferd und verschwinden. Lassen Sie es irgendwo frei, damit niemand auf Sie aufmerksam wird.“

„Ich habe aber keine Uhr“, wandte Alanya ein.

„Dann müssen Sie eben die Zeit schätzen. Richten Sie sich nach dem Mond. Wenn ich meine Aufgabe erledigt habe, komme ich auf jeden Fall zu unserem Treffpunkt zurück.“

„Ihr Plan wird nicht gelingen.“

„Das weiß man vorher nie“, meinte Roberto ernst. „Aber ich muss es versuchen. Wahrscheinlich ist das die einzige Chance, die ich bekomme.“

„Kann ich nicht doch lieber bei Ihnen bleiben?“, machte Alanya einen letzten Versuch.

„Nein. Auf keinen Fall. Sie können mir nicht helfen. Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe.“

„Gut.“ Sie sah ihn lange an und berührte dann mit einer spontanen Bewegung sein Gesicht. „Seien Sie vorsichtig.“ Sie drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit.

Roberto sah ihr leicht lächelnd nach. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Aufgabe. Seine Gesichtszüge wurden härter, und das Lächeln verschwand aus den Augen.

Die besten 12 Strand Krimis im September 2021

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