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Der rote Mercedes war ein Geschenk von Tante Lyn gewesen und deswegen hing ich sehr an dem Wagen, auch wenn er nun wirklich nicht mehr das neueste Modell war.

Jedenfalls war ich froh darüber, ihn wieder funktionstüchtig in Besitz nehmen zu können, nachdem die Diagnose zunächst ziemlich vernichtend geklungen hatte.

Kaum saß ich hinter dem Steuer, erreichte mich über mein Funktelefon ein Anruf aus der Redaktion.

Es war Maxwell T. Sloane persönlich, mein mitunter etwas cholerischer aber im Grunde väterlich-wohlwollender Chefredakteur. Ich hatte eine Weile gebraucht, um mir seinen Respekt zu erwerben, aber inzwischen hatte ich ihn längst überzeugt.

"Jessica? Schön, dass ich Sie erwische. Sie brauchen heute morgen gar nicht erst in die Redaktion zu fahren."

"Aber..."

"Es gab eine Tote in der MacMillan-Street." Er gab mir eine knappe Wegbeschreibung, die mich mir rasch notierte.

"Ein Mord?", fragte ich dann.

"Ich dachte, dass Sie das in Erfahrung bringen. Jim Barlow ist schon dort. Machen Sie sich bitte auch auf den Weg, Jessica!"

Ich hatte nicht einmal mehr Gelegenheit, noch irgendetwas zu erwidern. Sloane hatte schon aufgelegt. Auf den Gedanken, dass ich seinen Auftrag aus irgendeinem Grund vielleicht nicht ausführen konnte, kam er gar nicht.

Kaum eine Viertelstunde später hatte ich den Ort des Geschehens erreicht. Den Wagen hatte ich in einer Nebenstraße abstellen müssen, da eine Reihe von Dienstfahrzeugen der Polizei die Zufahrt versperrten.

Ein Leichenwagen war auch da.

Etwas abseits sah ich einen Mann mit blonden Haaren und einem Jackett, dessen Revers durch die Kamera, die er um den Hals trug, ziemlich ruiniert war. Als er mich sah, winkte er mir zu. Es war Jim Barlow, der als Fotograf für den New World Observer arbeitete.

Jim und ich hatten oft zusammengearbeitet und dabei stets ein gutes Team abgegeben.

"Hallo, Jessi", begrüßte er mich.

"Was ist passiert?"

"Eine alte Frau ist tot aufgefunden worden. Sie hieß Linda Gordon und..."

"Und was?", hakte ich nach.

Jim zuckte die Achseln. Mein Blick ging zu jener Stelle hin, an der die Leiche gelegen haben musste und an der jetzt ein Kreideumriss zu sehen war. Die Tote war offenbar bereits im Leichenwagen.

Jim deutete auf seine Kamera. "Ich habe alles hier drin, Jessi."

"Was ist passiert?"

Jim zuckte die Achseln. "Das weiß niemand und auch die Leute von Scotland Yard haben ziemlich ratlose Gesichter gemacht. Weißt du, die Tote sah aus wie eine Hundertjährige, aber laut ihrem Ausweis ist sie gerade 23 geworden. Sie hat drüben in der Absteige als Nachtportier gearbeitet... Der Besitzer war gerade hier und hat sie nur mit Mühe wiedererkannt. Er war völlig fassungslos und steht jetzt unter Schock."

"Und der Gerichtsmediziner?"

"Hat sich nicht festlegen wollen. Ich glaube, er war einfach ratlos, auch wenn er das nicht zugeben mochte."

Es hatte in letzter Zeit mehrere Todesfälle dieser Art in London gegeben. Und keiner dieser Fälle hatte bislang aufgeklärt werden können.

Mein Blick blieb an der Absteige haften, in der das Opfer angestellt gewesen war. Die schäbige Tür ging auf und ein Mann trat ins Freie. Er drehte sich nach allen Seiten kurz um. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich das Gesicht sah.

Es war niemand anderes als Curt F. Gardner!

"Einen Moment", murmelte ich an Jim gewandt, der natürlich nichts begriff.

"Heh, wo willst du hin?", rief er mir nach, als ich schon die ersten drei Schritte zurückgelegt hatte.

"Erkläre ich dir später!"

Ich überquerte die Straße, während Gardner bereits um die nächste Ecke bog.

Es konnte kein Zufall sein, dass er hier war!

Ich ging schneller und holte auf.

Dann hatte auch ich die Ecke erreicht. Ich ließ den Blick über die Passanten schweifen, aber von Gardner sah ich keine Spur. Er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Hinter mir hörte ich Schritte.

"Was ist denn los, Jessi? Jagst du Gespenstern hinterher oder was ist in dich gefahren?" Das war Jim.

Ich atmete tief durch, ließ ein letztes Mal den Blick vergeblich umherschweifen und fluchte innerlich. Ich hatte Gardner verloren.

"Wem jagst du hinterher?", fragte Jim eindringlich.

Ich sah ihn an.

"Ich weiß nicht", murmelte ich. Aber in Wahrheit sprach ich nicht mit ihm, sondern mit mir selbst. Ich war völlig in Gedanken und fragte mich, in welchem Zusammenhang Gardner mit dieser Sache stand. An einen Zufall konnte ich einfach nicht glauben.


Die große Halloween Horror Sammlung November 2021

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