Читать книгу Die große Halloween Horror Sammlung November 2021 - Alfred Bekker - Страница 59
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In der nächsten Zeit wartete ich sehnsüchtig auf Post. Aber Briefe, die um den halben Erdball geschickt werden, brauchen ihre Zeit. Gardner rief mich ein paar mal an. So wusste ich immerhin, dass er gut in Delhi angekommen war. Kein Mensch wusste, wie viele Millionen in dieser Metropole wirklich lebten, die mehr oder minder unkontrolliert in das Land hineinwucherte. Und eigentlich hätte man denken können, dass es völlig unmöglich war, in so einer Stadt die Spur eines einzelnen Mannes zu finden.
Aber Ellings war durch lange Jahre in England geprägt.
Auch wenn er ursprünglich aus Indien stammen mochte, so hatte das Land seiner Geburt sicher nichts mehr mit dem heutigen Indien zu tun. Und auch Ellings hatte sich wohl verändert.
Er benahm sich mehr oder weniger wie ein Tourist und daher waren die Orte, an denen er gewesen sein konnte, begrenzt.
Peter Ellings Spur führte in den Bundesstaat Rajastan, das LAND DER KÖNIGE, wie es übersetzt hieß.
Gardner erfuhr von einem Autoverkäufer, dass Ellings, der bei ihm einen Wagen gekauft hatte sich nach einem abgelegenen Ort namens Sanpur erkundigt hatte, der offenbar sein Ziel zu sein schien.
Und so brach auch Gardner dorthin auf, ohne allerdings Ellings' Spur wieder aufnehmen zu können.
Dafür fand er etwas anderes, sehr beunruhigendes...
Er berichtete mir von Geschichten, die die Bettler in den Straßen für ein paar Rupien zu erzählen pflegten. Geschichten vom geheimnisvollen Kajari-Volk, dessen Angehörige extreme Langlebigkeit erreichten, in dem sie die Seelen der Menschen stahlen...
Nur wenige gebe es noch von ihnen.
Angeblich war auch der Raja von Sanpur, der in einem prächtigen Königspalast residierte, mit jenen Kajari im Bunde. Entweder er duldete sie oder stand mit ihnen im Bunde. Andere wiederum wollten wissen, er selbst gehöre zu den Kajari.
"Du sprichst von einem Palast?", fragte ich Gardner erschrocken, als er mir darüber berichtete.
"Ja. Es ist ein außergewöhnlich prächtiger Palast. Das Wort Raja bedeutet zwar König, aber von der uralten Herrlichkeit ist heute nur noch der Palast geblieben..."
Die düsteren Ahnungen waren wieder da. Ich konnte den Palast förmlich vor mir sehen, die Bögen und Kuppeln, die prächtigen Gebäude und die hohen Mauern aus hellem Sandstein, der von einer rötlichen Abendsonne in ein eigentümlich weiches Licht getaucht wurde.
Ein Bild für eine Postkarte, aber mir jagte es kalte Schauder über den Rücken.
"Ich glaube, dass irgendeine Gefahr in diesem Palast lauert, Curt. Hörst du mich?"
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Jessica. Es sei denn, du meinst, dass Sanpur das Zentrum der Kajari sein könnte. Schließlich wurde es ja auch in den alten Schriften erwähnt, die sich im Archiv deiner Großtante fanden..."
"Aber du passt doch auf!"
"Natürlich, Jessi!"
"Ich liebe dich, Curt!"
"Ich dich auch. Mach dir keine Sorgen, Jessica."
Ich atmete tief durch. "Ich werde es versuchen", versprach ich. Aber das Unbehagen in mir wuchs.
Es war das letzte Mal, dass er sich bei mir meldete.
Vergeblich wartete ich auf einen weiteren Anruf aus Sanpur.
Ein Brief erreichte mich noch, aber der war auf einer seiner vorherigen Stationen abgeschickt worden, so dass er im Grunde bereits überholt war.
Schließlich versuchte ich, Gardner in seinem Hotel zu erreichen.
"Ich bedaure, Miss Dark", sagte mir eine akzentschweres Englisch sprechende Männerstimme am anderen Ende der Leitung. "Aber Mister Gardner wohnt nicht mehr bei uns."
"Sind Sie sicher?"
"Ganz sicher."
"Und wo kann ich ihn erreichen?"
"Tut mir leid, das weiß ich nicht. Um ehrlich zu sein, ich habe ihn schon seit einiger Zeit nicht gesehen... Heute Morgen kamen dann ein paar Träger, die seine Sachen abgeholt haben. Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen."
"Danke", murmelte ich. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Was mochte geschehen sein? Warum meldete Gardner sich nicht? Es konnte eigentlich nur einen einzigen plausiblen Grund dafür geben...
Er konnte sich nicht melden.
Ehe der Hotelportier an der anderen Seite der Leitung auflegte, konnte ich ihn gerade noch fragen: "Verzeihen Sie, Sir, aber was waren das für Männer, die die Sachen von Mister Gardner abgeholt haben?"
Ich war mit meiner Frage einfach einer plötzlichen Eingebung gefolgt.
Die Antwort war gleichermaßen beunruhigend wie rätselhaft.
"Es waren die Diener des Rajas von Sanpur!"