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Berlin wurde von einer Hitzewelle heimgesucht. An den folgenden Tagen war es bis zu dreißig Grad warm. Das öffentliche Leben stagnierte. Die Leute stellten abends Stühle auf den Bürgersteig und blieben bis spät in die Nacht dort sitzen, in der vergeblichen Hoffnung, dass es abkühlte. Alte Frauen fächelten sich mit gefaltetem Zeitungspapier Luft zu, Kinder sprangen in Unterwäsche auf der Straße herum und spielten mit wassergefüllten Luftballons. Die Eisverkäufer machten schon am Vormittag das Geschäft ihres Lebens. Im Volkspark Friedrichshain war kaum mehr ein Quadratmeter Rasen frei. Die Hitze drang in die Mauern und weichte den Asphalt auf.

Ich dachte an die Grenzsoldaten, die in ihren Uniformen ausharren mussten, auch wenn ihnen der Schweiß unterm Helm hervorlief. Aber Pflicht war nun einmal Pflicht.

Ich selbst blieb zu Hause. Kam so gut wie nicht mehr aus meinem Zimmer. Die Sonne, die Fröhlichkeit und das Lärmen der Kinder waren mir zuwider. Die meiste Zeit lag ich auf dem Bett. Zu meiner Mutter hatte ich gesagt, ich fühlte mich nicht wohl. Die Luft in meinem Zimmer war schwer und stickig, aber ich konnte mich nicht aufraffen, das Fenster zu öffnen. Hatte vielmehr den Vorhang zugezogen, um mich ganz gegen die Außenwelt abzuschotten.

Ich hatte genug. Genug von der Stadt, in der ich wohnte. Genug von dem Land, in dem ich lebte. Genug von dem System, das mein Leben diktierte. Mich darüber aufzuregen, fand ich aber nicht die Kraft. Ich lag einfach nur da und suhlte mich in meinem Leid. Ließ sämtliche Erinnerungen an Heike Revue passieren, wieder und wieder, auch wenn es mir dadurch nur noch schlechter ging und das Gefühl der Leere sich ins Unermessliche steigerte.

Nur zum Essen stand ich auf. Zu trinken brachte Mutter mir ans Bett. Sie verlor kein Wort über meinen desolaten Zustand, obwohl sie den Grund dafür kannte. Durch die dünnen Wände hörte ich Vater herumschimpfen. Ich sei ein Drückeberger und solle zusehen, dass ich endlich wieder Arbeit fände. Aber Mutter sorgte dafür, dass er mich in Ruhe ließ, und sie erzählte ihm auch nichts von meinem Kummer.

Als es endlich etwas kühler wurde, fühlte ich mich wieder lebendiger, und Wut stieg in mir auf. Ich würde mich nicht unterkriegen lassen. Ich würde um Heike und um unser Glück kämpfen! Mit diesem festen Vorsatz verließ ich mein Zimmer.

Grenzgänger

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