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DREI

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Die Erinnerung an den Sonntag am See trug mich durch die Woche. An Paula versuchte ich nicht mehr zu denken. Zugegeben: Es war feige von mir, ihr auszuweichen, aber letztlich war ich ihr keine Rechenschaft schuldig, war sie es doch, die sich aufdrängte. Und was für Gefühle hegte ich für Heike? Hatte ich mich von der romantischen Stimmung hinreißen lassen, oder war da mehr im Spiel?

Walter stieß mich an, als wir unsere Kellen sauber machten. »Ich glaube, du hast Besuch.« Er grinste.

Am Bauzaun stand Heike. In einer kurzen Hose und einer weißen Bluse.

Ziemlich unsicher ging ich auf sie zu. Wie sollte ich sie begrüßen? Mit einem einfachen »Hallo«? Oder mit einem Kuss?

Sie nahm mir die Entscheidung ab, indem sie mich umarmte und auf den Mund küsste. Ich spürte Walters Blick im Rücken.

»Na du?«, sagte sie munter. »Fertig mit der Arbeit?«

Ich sah mich um. Walter machte mir ein Zeichen, dass ich gehen konnte.

»Ja, gerade eben.«

»Fein, dann mal los. Im City läuft ein klasse Film.« Sie nahm meine Hand.

Ich wechselte im Bauwagen schnell die Kleider und ließ mich nur zu gern mitziehen. Das City war eines der Grenzkinos mit ermäßigtem Eintritt für Ostberliner. Dort liefen amerikanische Streifen, die in der DDR nicht gezeigt wurden, und europäische Filme waren im City viel früher zu sehen als bei uns. Vorab kamen immer die Nachrichten der Woche, aus westlicher Sicht, versteht sich.

Mein Stolz ließ es nicht zu, den Ostpreis zu zahlen; ich holte mein Westgeld aus der Tasche und kaufte zwei Karten. Wie der Film hieß und wovon er handelte, hatte ich schon am Abend, als ich über die Grenze ging, vergessen. In deutlicher Erinnerung dagegen blieb mir, dass Heikes Arm die ganze Zeit den meinen berührt hatte. Haut an Haut.

Heike gegenüber hatte ich keinerlei Gefühl des Fremdseins. Es war viel eher so, als würden wir uns seit Jahren kennen und wären uns ebenso lange vertraut. Sie holte mich öfter von der Arbeit ab, und dann aßen wir zusammen in der Stadt oder gingen mit Walter und der Clique in die Kneipe. Ost-West-Politik war kein Thema zwischen ihr und mir, stattdessen sprachen wir über Filme, Musik und unsere Zukunftspläne. Ich stellte fest, dass wir in vielem übereinstimmten.

Heike arbeitete als Stenotypistin in der Bestellabteilung eines großen Möbelhauses. Sie erzählte mir von der grässlichen Kollegin am Schreibtisch gegenüber und von ihrem Chef, der dauernd anzügliche Scherze machte. Wenn sie merkte, dass ihre Geschichten mich amüsierten, vergaß sie den Ärger und brach selbst in Lachen aus. Und wir überlegten uns Dutzende Arten, wie man es dem Abteilungsleiter heimzahlen könnte.

Paula hatte mittlerweile einen anderen an der Angel und dachte nicht mehr an mich. Wenn sie mit ihm unterwegs war, ging ich abends mit Heike nach Hause, die dann für uns beide kochte. Irgendwann kam die unvermeidliche Frage: »Wann nimmst du mich mal mit in den Osten?«

Bisher hatten wir uns immer im Westen getroffen, und mir fiel wieder ein, dass sie beim Kennenlernen gesagt hatte, sie sei noch nie in Ostberlin gewesen.

Grenzgänger

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