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Internationale Forschungsstation »Terra Nova II«/Antarktis

»Sag mal, Mila, wie kommst du voran?«, fragte Winston MacCullum neugierig.

»Gut, Mr. MacCullum, ich meine Winston, sehr gut.«

Mila Jakobivic errötete leicht. Sie hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass sich alle in Terra Nova II duzten.

Bevor sie sich dafür entschieden hatte, sechs Monate in der Antarktis zu forschen, hatte sie in einem privaten Labor gearbeitet. Der Wechsel dorthin war ihr zunächst wie ein großer Schritt auf der Karriereleiter erschienen.

Nach ihrem Studium am Warschauer Institut für Biochemie und Biophysik war sie Teamleiterin in einer international vernetzten Firma gewesen. Nur dass ihr Chef unter Vernetzung etwas ganz anderes verstand. Die ersten Anzeichen versuchte Mila noch zu übersehen, sie kleinzureden, doch als dann Domek Mazur eines Abends die Labortür abschloss und ihr eröffnete, wie sie aus seiner Sicht im Job vorankommen könnte, entschied sich Mila für einen raschen Jobwechsel. Mazur erklärte der übrigen Belegschaft sein blaues Auge mit einem unglücklichen Sturz. Mila erkaufte sich mit ihrem Schweigen ein ordentliches Zeugnis. Das entsprach zwar ihren Leistungen, trotzdem blieb damals bei ihr ein fahler Beigeschmack zurück.

Zum Glück war ihr altes Warschauer Institut im polnischen Antarktis-Programm engagiert, und zum Glück hatte ihr ehemaliger Professor eine hohe Meinung von ihren Fähigkeiten. Mila hatte nichts zu verlieren gehabt und deshalb den Antarktis-Auftrag angenommen, ohne lange zu überlegen. Die Stammbelegschaft von Terra Nova II, allen voran Winston MacCullum, hatte sie mit offenen Armen empfangen. Sie fühlte sich gleich zu Hause, von allen akzeptiert. Am meisten aber beeindruckte Mila das Verhalten des Stationschefs. Er förderte ihre Arbeit, stellte wichtige Fragen, gab Denkanstöße und hatte ein offenes Ohr, wenn sie in eine Sackgasse geriet und jemanden zum Reden brauchte. Gleichzeitig war Winston der geborene Gentleman.

»Wie lange bist du jetzt bei uns, Mila? Zwei Wochen, nicht wahr?«

Mila nickte. »Ja, erst zwei Wochen, aber es kommt mir viel länger vor. Alle sind so nett und freundlich zu mir, die Arbeit hier, sie ist so … so ganz anders als die im Institut, viel spannender.«

»Ja, das ist sie tatsächlich, weil wir hier direkt an der Quelle sitzen. Du leistest Erstaunliches, Mila. Die Messwerte, die du mir geschickt hast«, Winston hielt einen Tablet-Computer hoch, »diese Messwerte sind dramatisch. Die Prognose ist schlüssig und solide. Ich darf doch davon ausgehen, dass du alles gegengerechnet hast?« Sein Blick signalisierte keine Zweifel, sondern nur den Wunsch nach wissenschaftlich exaktem Vorgehen – so zumindest kam Mila der Gesichtsausdruck verbunden mit dem Lächeln vor.

»Natürlich, Winston, und ich habe nicht nur unsere Messungen berücksichtigt, sondern auch die Werte, die derzeit in den Datenbanken der übrigen Stationen verfügbar sind.«

»Sehr gut, nichts anderes hatte ich erwartet. Ich würde es begrüßen, wenn du bei unserer kleinen Pressekonferenz darüber kurz berichten würdest. Und dann möchte ich dich bitten, die Bohrkerne von Tiefenzone 4 zu analysieren.«

»Ich darf ins Eiskern-Labor?«

»Ich bestehe darauf. Du bist ausgebildete Biologin und Chemikerin, die Auswertung der Daten hier gehörte nicht zu deinem Aufgabenbereich. Huan kann froh sein, dass du kurzfristig für ihn eingesprungen bist. Sobald er seine Magen-Darm-Grippe überstanden hat und Dr. Braller ihr Okay erteilt, wird er sich anstrengen müssen. Du hast in den letzten Tagen bei deiner Auswertung die Messlatte hoch gelegt, und das, obwohl es nicht dein Fachbereich ist. Aber jetzt hätte ich gern das gleiche Arbeitstempo und das gleiche Engagement bei den Bohrkernen.«

»Sollst du haben, Winston«, versicherte Mila geschmeichelt.

»Gut, bereite den Vortrag vor und stimme dich bitte mit Ben ab, wenn dir im Labor noch etwas fehlt.«

Mila wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen.

»Ich werde mich gleich morgen früh an die Arbeit machen.«

Tiefenzone

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