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1. Einseitige rechtsgeschäftliche Handlungen

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Völkerrechtssubjekte können durch einseitige Erklärung gegenüber einem anderen Völkerrechtssubjekt oder der internationalen Gemeinschaft als ganzer Verpflichtungen übernehmen, wie sie auch typischerweise durch Vertrag begründet werden. Im Unterschied zu einem Vertrag wird die Erklärung aber nicht mit Blick auf eine Gegenerklärung abgegeben. Hierzu können gehören: die Anerkennung fremder Rechtsansprüche, der Verzicht auf eigene Rechtsansprüche oder das Versprechen eines künftigen Verhaltens. Die Verbindlichkeit eines gegebenen Wortes folgert der IGH aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben; die Rechtsverbindlichkeit ist also auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut „aufgesattelt“.[79]

Der StIGH hat diese Möglichkeit der völkerrechtlichen Selbstbindung erstmals im Streit Dänemarks und Norwegens über Ostgrönland bestätigt. Hier wertete er eine Erklärung des früheren norwegischen Außenministers Ihlen aus dem Jahre 1919, die norwegische Seite werde Dänemark hinsichtlich seines Anspruchs auf ganz Grönland „keine Schwierigkeiten“ machen, als Verzicht auf territoriale Ansprüche Norwegens.[80]

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Um politische Äußerungen von rechtsverbindlichen einseitigen Erklärungen abzugrenzen, bedarf es bestimmter Voraussetzungen:[81]

Zuständigkeit des versprechenden Staatsorgans (wer verspricht etwas?)
hinreichende inhaltliche Bestimmtheit (was wird versprochen?)
Ernsthaftigkeit und Rechtsbindungswille (wird etwas versprochen?)

Ob ein Rechtsbindungswille vorliegt, ist danach zu bestimmen, wie die fragliche Aussage unter den konkreten Umständen von einem objektiven Beobachter verstanden werden konnte (objektivierter Empfängerhorizont). Insbesondere reicht eine mündliche Erklärung aus. Schriftform ist also nicht erforderlich.

Nukleartest-Fälle (IGH 1974)[82]

Australien und Frankreich (sowie Neuseeland und Frankreich) stritten vor dem IGH über die Zulässigkeit von atmosphärischen Atomtests, die Frankreich im Südpazifik durchführte. Als Sachurteilsvoraussetzung prüfte der IGH zunächst, ob überhaupt ein Streit zwischen den Parteien vorlag. Dies war streitig, da Frankreich nunmehr einseitig erklärt hatte, keine weiteren Atomtests unternehmen zu wollen. Handelte es sich dabei um eine völkerrechtlich verbindliche einseitige Erklärung, die zur Beendigung des Verfahrens führen musste?

Der IGH präzisierte in seiner Entscheidung die Anforderungen an die Verbindlichkeit einseitiger Erklärungen. Einseitige Erklärungen, die öffentlich und mit Rechtsbindungswillen abgegeben wurden, können grundsätzlich verbindlich sein. Nicht erheblich ist, ob die Erklärung mündlich oder schriftlich abgegeben wurde. Zentrale Bedeutung für die Beurteilung der Verbindlichkeit von Rechtsakten hat dagegen der Grundsatz von Treu und Glauben. Offizielle Verlautbarungen des Staatschefs oder von Ministern kommt eher Verbindlichkeit zu als Erklärungen von anderen Staatsorganen. Auch die Umstände der Bekanntgabe, die generelle Natur, der Charakter und der politische Kontext der Erklärung sind relevant für die Beurteilung der Verbindlichkeit. Nach diesen Maßstäben betrachtete der IGH die vom französischen Präsidenten abgegebene Erklärung als verbindlich. Damit hatte Australien (wie auch Neuseeland im Parallelverfahren) sein Ziel erreicht und der IGH beendete das Verfahren ohne Entscheidung in der Sache.

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