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c) Sonderfälle

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Zu ergänzen ist eine Reihe von Sonderfällen, die sich nicht immer leicht klassifizieren lassen. Auch hier ist für den Status als Völkerrechtssubjekt die aus der Souveränität folgende Völkerrechtsunmittelbarkeit der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgeblich:

Protektorat: Der protegierte Staat verpflichtet sich gegenüber einem anderen Staat, seine Politik in bestimmten Bereichen von dessen Zustimmung abhängig zu machen. Derartige Vereinbarungen bestehen z. B. zwischen Monaco und Frankreich, Liechtenstein und der Schweiz sowie San Marino und Italien. Dabei behält der protegierte Staat seine Souveränität (rechtlich könnte er das Protektoratsverhältnis beenden), ist aber in der Ausübung seiner souveränen Rechte beschränkt. Der Protektor erhält demgegenüber die Stellung eines „Suzeräns“ (von frz. suzerain, eigtl. Lehnsherr).

Kein Protektorat im rechtlichen Sinne war das „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ (1939-45). Nach der völkerrechtswidrigen Annexion und Eingliederung in das Deutsche Reich hatte das „Protektorat“ eher den Charakter einer teilautonomen Provinz.

Kondominium: Bei einem Kondominium teilen sich mehrere Staaten die territoriale Souveränität über ein ihnen gemeinsam gehörendes Gebiet. Das Gebiet selbst ist nicht Träger von Souveränität und damit auch nicht Völkerrechtssubjekt.

In der Kolonialzeit war die Bildung von Kondominien ein probates Mittel, um Interessenkonflikte zwischen Kolonialstaaten zu befrieden (z. B. die Neuen Hebriden als britisch-französisches Kondominium von 1906-1980, heute: Vanuatu). Ein bekanntes Beispiel aus der deutschen Geschichte bildet Schleswig-Holstein, das nach Aufgabe der dänischen Souveränitätsansprüche 1864 bis 1866 Kondominium von Preußen und Österreich war. Bis zum Jahr 1993 wurde auch Andorra unter die Kondominien gerechnet. Dieses stand seit 1278 unter der gemeinsamen Herrschaft Frankreichs und des Bischofs von Urgel in Spanien und wurde angesichts der umfassenden Befugnisse dieser Mächte nicht als eigenständiger Staat angesehen. Mit der Verfassungsreform von 1993 sind der französische Staatspräsident und der Bischof von Urgel weitgehend auf repräsentative Funktionen als Staatsoberhäupter beschränkt; Andorra ist seitdem Staaten des Commonwealth vergleichbar, deren Staatsoberhaupt die britische Königin ist, und wurde noch im selben Jahr in die Vereinten Nationen aufgenommen.[59] Auch Grenzgewässer können den Status eines Kondominiums haben. So betrachtet Österreich große Teile des Bodensees als Kondominium aller Anrainerstaaten.

Koimperium: Bei einem Koimperium teilen sich mehrere Staaten die Gebietshoheit über fremdes Staatsgebiet. Die Souveränität des beherrschten Staates bleibt – im Unterschied zum Kondominium – erhalten. Bedeutsam wurde diese Konstruktion für den Status Deutschlands nach 1945: Nach h. M. ist das Deutsche Reich nach 1945 nicht untergegangen und blieb ein souveräner Staat; die Ausübung der souveränen Rechte teilten sich aber die vier Siegermächte. Die schrittweise Rückübertragung dieser Rechte hat 1990 mit dem sog. 2+4-Vertrag[60] ihren Abschluss gefunden, in dem die ehemaligen Alliierten vollständig auf ihre bis dahin noch bestehenden Vorbehaltsrechte verzichten.[61] Ein anderes Beispiel für ein Koimperium war die von 1923-1956 existierende Internationale Zone um das zu Marokko gehörende Tanger herum.
Internationale Verwaltung: Die Vereinten Nationen (zuvor auch der Völkerbund: vgl. z. B. die Freie Stadt Danzig, 1920-1939) haben seit den 1990er Jahren gelegentlich Konfliktgebiete unter UN-Verwaltung gestellt (Osttimor, Kosovo). Übernommen wird dabei lediglich die Gebietshoheit, nicht die territoriale Souveränität; die Rechtslage ähnelt insoweit dem eines Koimperiums. Da es zumeist darum geht, einem nach Unabhängigkeit strebenden Volk den geordneten Übergang in einen eigenen Staat zu verschaffen, gibt es aber auch Ähnlichkeiten zu den Mandats- und Treuhandregimen.[62]
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