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2. Anerkennung von Regierungen

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Von der Anerkennung von Staaten zu unterscheiden ist die Anerkennung von Regierungen. Zwar geht mit der Anerkennung eines Staates regelmäßig auch die Anerkennung seiner Regierung einher; Probleme kann es aber geben, wenn konkurrierende Gruppen die Regierungsgewalt jeweils für sich beanspruchen. Erkennt ein ausländischer Staat eine oppositionelle Kraft als Regierung an, so liegt hierin in aller Regel eine unzulässige Intervention in die inneren Angelegenheiten des betreffenden Staates (Rn. 365). Grundsätzlich gilt auch hier, dass Effektivität vor Legitimität geht: Wer die Kontrolle über den Verwaltungsapparat und die Sicherheitskräfte hat, hat die effektive Hoheitsgewalt inne. Setzen sich in einem Bürgerkrieg oppositionelle Kräfte in einem Teil des Landes effektiv durch, rechtfertigt dies, Beziehungen zu beiden Seiten hinsichtlich ihrer jeweiligen Herrschaftsbereiche zu unterhalten. Solange der Machtkampf noch nicht endgültig entschieden ist, ist auch die Anerkennung einer Exilregierung zulässig. Als Parteinahme in einem innerstaatlichen Konflikt ebenfalls verboten ist regelmäßig auch die Anerkennung einer oppositionellen Gruppe als „legitime Vertretung“ des betreffenden Volkes.[71]

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Keine Rolle spielt, ob die effektive Regierung die Macht im Einklang mit oder im Widerspruch zu den Landesgesetzen erlangt hat. Die auf den damaligen (1907) Außenminister Ecuadors zurückgehende sog. Tobar-Doktrin, nach der Regierungen nicht anerkannt werden sollten, die durch Revolution an die Macht gekommen sind, hat sich nicht allgemein durchsetzen können. Wohl aber gibt es entsprechende Klauseln in den Gründungsverträgen von OAS (Art. 19 ff, Rn. 179) und AU (Art. 4 lit. p, Rn. 182).

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In der völkerrechtlichen Literatur wird seit längerem diskutiert, die Anerkennung von Regierungen an deren Legitimität zu koppeln, namentlich an demokratische Legitimationsverfahren.[72] Sieht man von Demokratieklauseln in den Gründungsakten einiger Regionalorganisationen[73] ab, dürfte die Behauptung eines „Rechts auf Demokratie“ nach wie vor an dem souveränen Recht jedes Staates scheitern, sein politisches System selbst zu bestimmen. Es mehren sich jedoch Anzeichen, dass in der internationalen Praxis einem Recht der Bevölkerung auf politische Selbstbestimmung zunehmend Gewicht beigemessen wird. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn ein ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht missachtet wird. So erteilte der UN-Sicherheitsrat 1994 das Mandat, den gewählten und 1991 durch Putsch gestürzten Präsidenten Aristide mit militärischen Mitteln wiedereinzusetzen.[74] Ende 2010 stellten sich nach den Wahlen in der Elfenbeinküste neben mehreren Regionalorganisationen auch die Vereinten Nationen gegen Amtsinhaber Gbagbo auf die Seite des Wahlsiegers Ouattara. Der Sicherheitsrat legte mit einer Resolution nach Kapitel VII die rechtliche Grundlage für die Anerkennung Ouattaras durch ausländische Regierungen.[75] Nach den Präsidentschaftswahlen in Gambia im Dezember 2016 bemühten sich ECOWAS und AU darum, den amtierenden Präsidenten Jammeh zur Übergabe des Amtes an den Wahlsieger Barrow zu bewegen. Die militärische Intervention der ECOWAS am 19.1.2017 fand am selben Tag Unterstützung durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, der die Beschlüsse von AU und ECOWAS schon zuvor indirekt in Presseerklärungen gutgeheißen hatte.[76]

Weniger deutlich war die Rechtslage im Fall des Bürgerkriegs in Libyen: Hier hatte der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1973 (2011) das Gaddafi-Regime zwar wegen schwerer Angriffe auf die Zivilbevölkerung scharf verurteilt, eine Parteinahme für den libyschen Revolutionsrat jedoch vermieden.[77] Dessen Anerkennung durch eine Reihe ausländischer Staaten war damit nicht ausdrücklich durch den Sicherheitsrat legitimiert und blieb eine an sich unzulässige Intervention. Gleichwohl dürfte diese gerechtfertigt gewesen sein: Bei schwersten Menschenrechtsverletzungen ist die internationale Gemeinschaft als ganze betroffen und hat ein Recht, mit friedlichen und verhältnismäßigen Gegenmaßnahmen zu reagieren.[78] Um Missbräuche auszuschließen, ist freilich zu fordern, dass der Sicherheitsrat (wie hier) das Vorliegen schwerster Rechtsverstöße festgestellt hat. Zumindest wenn der Machtkampf „auf der Kippe“ steht, dürfte auch nicht die Gefahr bestehen, eine weitgehend virtuelle neue Regierung zu unterstützen, die international für den Staat nicht zu handeln vermag. Dem Interesse, den Staat in die internationale Gemeinschaft einzubinden und zur Beachtung des Völkerrechts anzuhalten, wäre sonst mit guten Absichten ein schlechter Dienst erwiesen.[79] Dies zeigt sich auch im Fall Syriens, in dem die nach dem Verlauf des Bürgerkrieges verfrühte Anerkennung der vereinigten Oppositionsbewegung durch eine Mehrheit der Staatengemeinschaft kaum zur Entschärfung der Situation beigetragen haben dürfte.[80]

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Fall: Fürstentum Sealand (VG Köln 1978)[81]

Der deutsche Staatsangehörige Alexander Achenbach war Außenminister auf Lebenszeit des „Fürstentums Sealand“. Hierbei handelt es sich um eine 1300 qm große künstliche Plattform in internationalen Gewässern vor der britischen Küste, die vom Vereinigten Königreich als Flakstellung errichtet, aber nach dem 2. Weltkrieg aufgegeben wurde. 1967 wurde die Plattform durch die Betreiber eines Piratensenders besetzt und das „Souveräne Fürstentum Sealand“ ausgerufen. Der Anführer der Besetzer, Paddy Roy Bates, erklärte sich selbst zum regierenden Fürsten und seine Mitstreiter zu Mitgliedern der Regierung. Nach einem erfolglosen Versuch gab die britische Regierung das Ziel auf, die Besetzer zu vertreiben. Einige Klein- und Mikrostaaten erkennen das Fürstentum Sealand als Staat an. Sealand bietet seine Staatsangehörigkeit gegen Geld für Steuerflüchtlinge an; die eingebürgerten Sealander müssen lediglich vier Wochen im Jahr auf der Plattform verbringen; als Minister auf Lebenszeit verbrachte Achenbach in der Regel zwei Monate im Jahr dort. Um von Steuern und Sozialabgaben in Deutschland befreit zu werden, wollte er gerichtlich feststellen lassen, dass mit Annahme der sealandischen Staatsangehörigkeit seine deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) erloschen ist.

Das VG Köln wies die Klage als unbegründet ab. Achenbachs deutsche Staatsangehörigkeit sei nicht erloschen. Er habe keine neue Staatsangehörigkeit angenommen, weil Sealand kein Staat im Rechtssinne sei. Ein Staat müsse über ein definiertes Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine effektive Staatsgewalt verfügen. Sealand besitze bereits kein Staatsgebiet. Als Staatsgebiet seien nur Teile der Erdoberfläche anerkannt, die ihren natürlichen Ursprung in der Erdkugel hätten und somit ein Kegelausschnitt der Erde seien. Zwar akzeptiere das Völkerrecht auch künstliche Landgewinnung; diese müsse aber an ein definiertes Territorium (von terra, d. h. Erde) anschließen. Auch die Existenz eines Staatsvolkes verneinte das Gericht. Ein Staatsvolk sei „nicht nur ein loser Zusammenschluß zwecks Förderung gemeinsamer Hobbys und Interessen“, sondern durch „eine im wesentlichen ständige Form des Zusammenlebens i. S. einer Schicksalsgemeinschaft“ gekennzeichnet. Die „Staatsangehörigen“ von Sealand hätten ihre „Staatsangehörigkeit“ nicht mit dem Ziel eines solchen Gemeinschaftslebens erworben. Ihre Anwesenheit auf der Plattform beschränke sich auf gelegentliche Besuche, ansonsten gingen sie außerhalb ihren eigenen Interessen nach. Der Zweck ihres Zusammenschlusses beschränke sich nur auf einen kleinen Teilbereich ihres Lebens, nämlich ihre wirtschafts- und steuerpolitischen Interessen. Ob eine effektive Staatsgewalt vorhanden sei, brauchte das VG nicht mehr zu entscheiden. Je nach Lage der Dinge könnte man eine für die Zwecke eines Mikro„staates“ hinreichend effektive Staatsgewalt noch bejahen. Da ein Staat alle drei Elemente aufweisen muss, hilft eine „Staats“gewalt allein jedoch nicht weiter. Auch auf die Anerkennung Sealands durch andere Klein- und Mikrostaaten kommt es nicht an, weil die Anerkennung eines Staates keine konstitutive Bedeutung hat: Ein Nicht-Staat kann nicht durch Anerkennung zum Staat werden.

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