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a) Dynamische Aufgaben- und Befugnisstruktur

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Welche Aufgaben und Befugnisse eine Internationale Organisation hat, ergibt sich zunächst aus dem Gründungsabkommen. Dabei müssen sich die Befugnisse nicht ausdrücklich aus dem Vertrag ergeben. Das Völkerrecht lässt einen Schluss von den Aufgaben (also dem, wofür eine Internationale Organisation sachlich zuständig ist) auf die Befugnisse (also dem, was die Organisation darf) zu, soweit es sich um Befugnisse handelt, die für die Erfüllung der Aufgaben „essentiell“ sind. Solche Befugnisse, die sich den Erfordernissen der Gegenwart dynamisch anpassen, sind dem Vertrag implizit (sog. implied powers).[104] Sie erstrecken sich regelmäßig auch auf die Etablierung neuer Unterorgane.

Reparation for Injuries (IGH 1949)[105]

Der Schwede Folke Graf Bernadotte wurde am 17. September 1948 in seiner Funktion als Vermittler der Vereinten Nationen im Palästina-Konflikt in Jerusalem von Extremisten erschossen. Daraufhin bat die Generalversammlung den IGH nach Art. 96 UNCh um ein Gutachten zur Frage, ob die UNO selbst Wiedergutmachungsansprüche für Schäden geltend machen könne, die ihre Bediensteten bei Erfüllung ihrer Pflichten erlittenen hätten.

Der IGH setzte sich zunächst mit der Frage der Völkerrechtsfähigkeit Internationaler Organisationen allgemein und der UNO im Besonderen auseinander. Nach eingehender Untersuchung der UNCh und der Praxis der Vereinten Nationen stellte er fest, dass der UNO von den Mitgliedstaaten implizit Völkerrechtspersönlichkeit verliehen wurde. Diese sei als objektive Völkerrechtspersönlichkeit auch von Nichtmitgliedern zu respektieren, weil die UNO die Hälfte aller Staaten der Welt repräsentiere. Anschließend untersuchte der IGH, ob die Vereinten Nationen auch die Befugnis haben, für die Verletzung eines ihrer Bediensteten Wiedergutmachungsansprüche gegen Staaten zu richten. Auch dies bejahte der IGH unter Rückgriff auf den Grundsatz der implied powers, wonach eine Organisation all diejenigen Handlungsbefugnisse besitze, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben unbedingt notwendig seien: „Under international law, the Organization must be deemed to have those powers which, though not expressly provided in the Charter, are conferred upon it by necessary implication as being essential to the performance of its duties.“

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Welche Befugnisse als „essentiell“ für die Erfüllung der Aufgaben anzusehen sind, bestimmt die Internationale Organisation in weitem Umfang selbst.[106] So hat der UN-Sicherheitsrat das Spektrum seiner Maßnahmen zur Friedenssicherung v. a. seit den 1990er Jahren erheblich erweitert: von Blauhelmeinsätzen über die Errichtung von internationalen Strafgerichten bis hin zur Übernahme der Regierung und Verwaltung von Konfliktgebieten (Rn. 1064–1070). Während eine Ausweitung der Organkompetenzen im Binnenverhältnis in aller Regel weniger kontrovers ist (vgl. zur Resolution „Uniting for Peace“ Rn. 149), muss eine Ausweitung der Verbandskompetenzen, d. h. im Verhältnis der Organisation zu ihren Mitgliedstaaten, von jenen mitgetragen werden. Sonst droht sie als Akt ultra vires (= jenseits der Befugnisse) Konflikte zu erzeugen.[107] Die Praxis einer Internationalen Organisation kann ihrerseits wiederum zur Interpretation des Gründungsabkommens und damit auch der Befugnisse ihrer Organe herangezogen werden. Von dieser Praxis innerhalb eines flexiblen vertraglichen Rahmens sind die Übergänge zu einer Vertragsfortbildung fließend.

Ein gutes Beispiel für eine solche Vertragsfortbildung gibt der NATO-Vertrag: Art. 6 beschränkt das Aktionsgebiet des Bündnisses auf das Hoheitsgebiet seiner Mitgliedstaaten oder auf bestimmte Außenpositionen (Streitkräfte, Schiffe, Flugzeuge) nördlich des Wendekreises des Krebses. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts entwickelte die NATO ihre strategischen Konzepte schrittweise weiter, um angesichts gewandelter Bedrohungslagen auch Einsätze zur Krisenbewältigung und Konfliktverhütung außerhalb dieses Gebietes („out of area“) zu übernehmen. Das BVerfG sah hierin eine Fortentwicklung des Vertrages, nicht aber eine Änderung (die der Zustimmung des Parlaments nach Art. 59 Abs. 2 GG bedurft hätte).[108] Das Strategische Konzept von 1999 sei als Fortschreibung des „in der Präambel des Vertrags niedergelegten Sicherheits- und Friedensauftrag[s] des Bündnisses im Hinblick auf eine grundlegend neue Sicherheitslage“ zu verstehen, das „Zweck und Wesen“ des Bündnisses unverändert lasse; eine solche für Fortentwicklung offene „Elastizität“ des Vertrages sei erforderlich, „um das Bündnis seinen Zielen entsprechend leistungs- und anpassungsfähig zu halten“.[109]

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