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Die Bedingungsfaktoren der wirtschaftlichenWirtschaft Expansion

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Nach dem BürgerkriegBürgerkrieg setzte wieder starkes BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung ein, hervorgerufen durch eine sehr hohe Geburtenrate in Verbindung mit der „zweiten Welle“ der MasseneinwanderungEinwanderungGilded Age. Zwischen 1870 und 1890 schnellte die Einwohnerzahl der USA von 40 auf über 60 Millionen Einwohner empor, wobei knapp ein Drittel des Zuwachses auf das Konto der Immigration ging. Die großen Schifffahrtslinien boten immer billigere Atlantikpassagen an, und in den USA lockten wie eh und je günstiges Farmland, hohe Löhne, politische Freiheit und religiöse Toleranz. Die FreiheitsstatueFreiheitsstatue des französischenFrankreichBeziehungen bis 1919 Bildhauers Frédéric Auguste BartholdyBartholdy, Frédéric Auguste, die 1886 im Hafen von New YorkNew York City eingeweiht wurde, verkörperte die Hoffnung, dass die USA ein „offenes“ Land und eine Zufluchtsstätte für die Armen, Unterdrückten und Ausgestoßenen der Welt bleiben würden. Die monumentale Figur der Liberty war ein Geschenk der Französischen Republik an die USA, das die traditionelle Freundschaft der beiden Länder seit dem UnabhängigkeitskriegUnabhängigkeitskrieg bekräftigen sollte. In das Innere des Sockels der Statue wurde das Gedicht der jüdischenJuden Einwanderin Emma LazarusLazarus, Emma, „The New Colossus“, eingraviert:

Give me your tired, your poor,

your huddled masses

yearning to breathe free,

The wretched refuse

of your teeming shore,

Send these, the homeless,

tempest-tost to me,

I lift my lamp

beside the golden door!

Die Depression der 1890erWirtschaft Jahre bewirkte dann aber einen vorübergehenden starken Rückgang der Immigration und dokumentierte damit den engen Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage und Zuwanderung. NativismusNativismus und Fremdenfeindlichkeit, die im Jahrzehnt zuvor wieder aufgeflammt waren, veranlassten die Bundesregierung nun, die Kontrolle und Regulierung der EinwanderungEinwanderungsgesetze zu übernehmen. 1891 schloss der Kongress erstmals bestimmte Gruppen wie Geisteskranke, völlig Mittellose, wegen Verbrechen oder schwerer Vergehen Vorbestrafte und Träger ansteckender Krankheiten von der Einreise aus; 1892 wurde auf Ellis IslandEllis Island (Einwanderungsbehörde) vor dem „goldenen Tor“ nach ManhattanManhattan eine Durchgangsstation eingerichtet, die von nun an fast alle EinwanderungswilligenEinwanderungsgesetze aus Europa passieren mussten.


Abb. 12: Hester Street in New York, 1903

Im Zeitraum von 1865 bis 1890 waren die Herkunftsländer der Neuankömmlinge noch dieselben wie vor dem Krieg, aber zahlenmäßig übertrafen die DeutschenEinwanderungEthnienDeutsche (zu denen ab 1871 auch Elsass-Lothringer und andere Minderheiten des Kaiserreichs gerechnet wurden) nun deutlich IrenEinwanderungEthnienIren, BritenGroßbritannien und SkandinavierEinwanderungEthnienSkandinavier. Vom Beginn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ließen sich insgesamt 5,5 Millionen von ihnen in den Vereinigten Staaten nieder, die damit gut 90 Prozent aller auswanderungswilligen Deutschen absorbierten. Der Anteil der FrauenFrauen an der deutschen USA-Immigration lag bei erstaunlich hohen 40 Prozent. Die DeutschenEinwanderungEthnienDeutsche siedelten vorwiegend als Farmer und Handwerker im Mittleren WestenMittlerer Westen, während die meisten IrenEinwanderungEthnienIren in den großen Städten der Ostküste als Industriearbeiter ihr Glück versuchten. Regional bedeutsam war die Immigration von Asiaten an der Westküste, wo in den großen Städten die ersten ChinatownsAsian Americans entstanden und wo sich die JapanerEinwanderungEthnienJapaner im Umkreis der Städte auf Gemüse- und Obstanbau spezialisierten. Der wichtigste ökonomische Beitrag der Immigration in dieser Phase bestand sicher darin, die Westgebiete mit Siedlern zu füllen, die sowohl Produzenten als auch Konsumenten waren, und die Industrie mit – für amerikanische Verhältnisse – billigen Arbeitskräften zu versorgen. Während 1870 nur ein Drittel aller IndustriearbeiterArbeiter nicht in den USA geboren war, lag der Ausländeranteil 1900 bei 60 Prozent. Die Kombination von hoher Geburtenrate und Masseneinwanderung bescherte den Vereinigten Staaten zudem eine jugendlich-dynamische Bevölkerung und förderte die Mobilität und Verstädterung: 1900 lebten bereits 40 Prozent der Amerikaner in Städten, Millionen US-Bürger wechselten nicht nur einmal, sondern mehrfach den Wohnsitz, und der Zusammenschluss von New YorkNew York City City mit Brooklyn, Staten Island und Teilen von Queens ließ 1898 die erste Metropole von nunmehr über 3 Millionen Einwohnern entstehen. Städte waren nicht nur Produktionszentren und Märkte, sondern sie kurbelten selbst durch die Vergabe öffentlicher Aufträge die WirtschaftWirtschaft an.

Durch den Bevölkerungszuwachs und die verkehrsmäßige Erschließung des Kontinents kam nun erst die Tatsache voll zum Tragen, dass die USA über einen riesigen BinnenmarktWirtschaft verfügten, der – anders als in Europa – nicht durch politische Grenzen und Zollschranken behindert wurde. In diesem nationalen Markt standen natürliche Ressourcen wie Land, Bodenschätze und Holz praktisch unbegrenzt zur Verfügung. So ergänzten sich beispielsweise die Kohlevorkommen in den AllegheniesAlleghenies auf ideale Weise mit den Eisenerzfunden im Gebiet des Lake Superior, und beides zusammen wurde zur Grundlage der Eisen- und Stahlindustrie in PittsburghPittsburgh, Cleveland und DetroitDetroit. Im Zuge der weltweiten Abkehr von der Freihandelspolitik, die sich seit den 1870er Jahren vollzog, schützten auch die USA ihre Industrien durch hohe Zölle gegen die ausländische Konkurrenz. Diese Zölle sorgten für viel innenpolitischen Zündstoff und beschworen auch erste Handelskonflikte, etwa mit dem Deutschen ReichDeutschlandBeziehungen zu Deutschland vor 1949Vor dem Ersten Weltkrieg, herauf. Sie erfüllten aber ihren Zweck, den industriellen Wachstumsprozess abzusichern und zu beschleunigen.

Da die Löhne in den USA trotz der Masseneinwanderung relativ hoch blieben, ließ der Anreiz niemals nach, Arbeitskräfte durch Maschinen und neue Technologien einzusparen. Das Bemühen um wissenschaftliche Effizienz verkörperte wohl am besten Frederick W. TaylorTaylor, Frederick W., der als Ingenieur in einer Stahlfabrik in den 1880er Jahren begann, Arbeitsvorgänge in einzelne Bewegungen zu zerlegen und jeden Handgriff mit der Stoppuhr zu messen. Auf diesem „TaylorismusTaylorismus“ konnte dann die moderne Fließband- und AkkordarbeitWirtschaft aufbauen. Der Rationalisierungsdruck führte dazu, dass Erfindungen und organisatorische Verbesserungen schneller als in anderen Industrieländern in die Praxis umgesetzt und verwertet wurden. Der hohe Stellenwert, den die Amerikaner dem BildungswesenBildungswesen und der praxisorientierten Forschung zuerkannten, erklärt sich ebenfalls zumindest teilweise aus ökonomischenFinanzwesen1860–1918 Notwendigkeiten und Zwängen. Zur Dynamik des Wachstums trugen nicht zuletzt vermehrte Investitionen aus dem Ausland und eine steigende Sparrate in den USA selbst bei. Der größte Teil des gesparten Geldes (12 Mrd. Dollar 1900 im Vergleich zu 1 Mrd. Dollar 1860) wurde nun im Industriesektor angelegt. Gleichzeitig verfeinerte sich die Technik des Investierens durch die Entstehung privater Großbanken und eines öffentlichen Kapitalmarktes an der New Yorker Börse. Das Geld- und Kreditsystem der USA blieb aber trotz der im BürgerkriegBürgerkrieg durchgeführten Reformen die Achillesferse der wirtschaftlichen Entwicklung. Erst 1914 wurde mit dem Federal Reserve SystemFinanzwesen1860–1918 eine – immer noch recht dezentrale und beschränkt handlungsfähige – bundesstaatliche Kontroll- und Steuerungsinstanz eingerichtet.

Wachstum und Expansion wurden schließlich durch das generelle Meinungsklima des späten 19. Jahrhunderts gefördert. Der für die USA seit langem charakteristische Fortschrittsoptimismus, den der BürgerkriegBürgerkrieg nur vorübergehend hatte dämpfen können und der auch nach WirtschaftskrisenWirtschaft immer wieder schnell zurückkehrte, fand Rückhalt in modernen Evolutionstheorien, wie sie die Engländer Charles DarwinDarwin, Charles und Herbert SpencerSpencer, Herbert vertraten. In den USA popularisierte vor allem der YaleUniversitätenYale University-Professor William GrahamGraham, Billy SumnerSumner, William Graham „sozialdarwinistischeSozialdarwinismus“ Ideen von einem naturgesetzlichen Fortschrittsprozess menschlicher Gesellschaften, der durch Anpassung, Vererbung und Auslese gesteuert wird. Nach SumnerSumner, William Graham war dem Wohl der Zivilisation am besten gedient, wenn der Staat die starken, zur Machtausübung und zur Übernahme von Verantwortung befähigten Individuen gewähren ließ und ihre Rechte, speziell das Eigentumsrecht, schützte. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit verband sich diese Philosophie mit traditionellen Vorstellungen von individueller Freiheit und begrenzter Regierung; der Gedanke, Regierungen und Parlamente hätten nicht viel mehr zu tun, als dem „freien Spiel der Kräfte“ Raum zu schaffen, diente zur Rechtfertigung des laissez faire-KapitalismusWirtschaftAspektelaissez faire-Kapitalismus, der sich in den USA um diese Zeit besonders vehement durchsetzte.

Bis zum BürgerkriegBürgerkrieg hatten die Einzelstaaten das WirtschaftslebenWirtschaft in ihrem jeweiligen Bereich kontrolliert und reguliert. Ihr Einfluss ging aber in dem Maße zurück, wie die wirtschaftlichen Aktivitäten die Grenzen von Staaten und Regionen zu überwinden begannen. Die BundesregierungGewaltenteilungUnion war vorerst weder zur nationalen Wirtschaftsregulierung befähigt, noch hielt man sie für berechtigt, eine solche Aufgabe zu erfüllen. Von ihr wurde allenfalls erwartet, dass sie die WirtschaftWirtschaft durch Subventionen und Zölle stimulierte und dass sie durch die Verhinderung von Monopolen für Chancengleichheit sorgte. Auf diese Weise entstand im föderativen System der USA gewissermaßen eine „staatsfreie“ Sphäre, in der die Unternehmer unbehindert von gesetzlichen Vorschriften und parlamentarischer Kontrolle schalten und walten konnten. Juristen und Richter des Supreme CourtSupreme Court förderten diese Tendenz mit der Doktrin des dual federalismGewaltenteilungUniondual federalism, derzufolge Bundesregierung und Staatenregierungen in getrennten Sphären operierten, zwischen denen eine breite Zone gesellschaftlicher Eigenverantwortlichkeit lag. Nur sehr langsam gewann die Überzeugung an Boden, dass die Bundesregierung diese „Lücke“ füllen müsse, um den Missbrauch privater Macht zu verhindern.

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