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Konzentration und Konsolidierung der WirtschaftWirtschaft
ОглавлениеWährend das Denken der meisten Menschen noch dem Ideal einer republikanischen Gesellschaft von Kleinproduzenten verhaftet war, vollzogen sich in der amerikanischen WirtschaftWirtschaft tief greifende qualitative Veränderungen, die heute mit Begriffen wie economies of scaleWirtschaftAspekte und corporate consolidationWirtschaftAspektecorporate consolidation beschrieben werden. Innerhalb weniger Jahrzehnte entstand eine big businessWirtschaftAspektebig business economy, in der große Konzerne den Ton angaben und die Regeln des Wettbewerbs aufstellten. Auslöser waren die vielfach chaotischen Zustände, die infolge des (bis zur Jahrhundertwende) insgesamt sinkenden Preisniveaus und des ständigen Wechsels von Überangebot und Mangel auf den Märkten herrschten. Nur große Gesellschaften (corporations) waren unter diesen Umständen in der Lage, die jeweils neuesten Maschinen anzuschaffen und sie voll auszulasten. Zugleich profitierten sie am meisten von Preisnachlässen bei Rohstoffeinkäufen und von Transportrabatten. Dieses Streben nach dem richtigen Maßstab wirtschaftlichen Handelns (economies of scaleWirtschaftAspekte) wurde ergänzt durch das Bemühen der Unternehmer, selbst für die Stabilität und Berechenbarkeit des Marktgeschehens zu sorgen. Ein erster Schritt zur „Ordnung“ und „Konsolidierung“ des Marktes waren informelle Absprachen zwischen konkurrierenden Gesellschaften, die vor allem Produktionsquoten und Preise betrafen. Solche Kartelle (pools) erwiesen sich jedoch als extrem krisenanfällig, und sie wurden zudem 1887 vom Kongress im Rahmen des Interstate Commerce ActWirtschaftAspekteInterstate Commerce Act (1887)Interstate Commerce Act (1887) als Wettbewerbshindernisse verboten. Unterdessen hatten Unternehmer wie John D. RockefellerRockefeller, John D. und Gustavus SwiftSwift, Gustavus jedoch bereits geeignetere Organisationsformen gefunden. Sie nutzten dabei die Rechtsform des trustWirtschaftAspekteTrusts aus, die es erlaubte, mehrere Gesellschaften einem zentralen Management zu unterstellen. Eine Fortentwicklung des Trust stellte die Dachgesellschaft (holding company) dar, in die alle Anteilseigner der beteiligten Gesellschaften ihren Aktienbesitz einbringen konnten. Die Voraussetzung hierfür schuf das Parlament von New JerseyNew Jersey, als es 1888 den dort inkorporierten Gesellschaften die Genehmigung erteilte, Besitz in anderen Staaten zu erwerben. Durch Zusammenschlüsse (mergers) gelang es nun, ganze Produktionsbereiche wie etwa die ErdölverarbeitungErdöl zusammenzufassen („horizontale Integration“) oder einen Wirtschaftszweig in seiner Gesamtheit von der Rohstoffgewinnung bis zur Vermarktung des Endprodukts („vertikale Integration“) zu kontrollieren. Bis zur Jahrhundertwende entstanden auf diese Weise etwa 300 große Konzerne in Form von Trusts und Holdings mit jeweils über 10 Millionen Dollar Eigenkapital.
Der EisenbahnbauWirtschaftEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. brachte die ersten Wirtschaftsmagnaten oder „industriellen Raubritter“ (robber baronsRobber Barons) wie Cornelius VanderbiltVanderbilt, Cornelius hervor, der bis zu seinem Tode 1877 die Verkehrsverbindungen zwischen New YorkNew York, den Großen Seen und dem Mittleren WestenMittlerer Westen monopolisierte. Die Krise der 1890er Jahre, in der viele Bahngesellschaften zusammenbrachen, löste einen neuen Konzentrationsschub aus. Als Sanierer sprang der New Yorker Bankier John Pierpont MorganMorgan, John Pierpont ein, der sich bei der Gelegenheit maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik der neuen Bahngesellschaften sicherte. Das Bankhaus Morgan & Co.Morgan & Co. wurde zur Inkarnation des Machtstrebens einer Finanzelite in der New Yorker Wall StreetWall Street, die über ihre Beauftragten in den Vorständen vieler Gesellschaften und durch ihre guten politischen Beziehungen das gesamte Wirtschaftsgeschehen mitbestimmte. In der Eisen- und Stahlindustrie dominierte Andrew CarnegieCarnegie, Andrew, der im Alter von 13 Jahren aus SchottlandSchottland eingewandert war und sein erstes Geld als Hilfsarbeiter in einer Textilfabrik verdient hatte. 1901 verkaufte er seine Carnegie Steel Co.Carnegie Steel Co. für die damals unvorstellbar hohe Summe von 492 Millionen Dollar an MorganMorgan, John Pierpont, der das Unternehmen mit anderen Stahlbetrieben zum ersten Milliarde-Dollar-Konzern, der United States Steel CorporationUS Steel Corporation, zusammenfügte. Auch hinsichtlich der Belegschaft von 168.000 stieß US Steel in eine neue wirtschaftliche Dimension vor. Von dem Erlös, den CarnegieCarnegie, Andrew für sein Unternehmen erzielte, behielt er selbst 225 Millionen Dollar, der Rest ging an seine Manager. Eine ähnliche Rolle wie CarnegieCarnegie, Andrew in der Eisen- und Stahlbranche spielten John D. RockefellerRockefeller, John D. in der ErdölindustrieErdöl (Standard Oil of New JerseyStandard Oil of New JerseyNew Jersey) und Gustavus SwiftSwift, Gustavus in der Fleisch- und Nahrungsmittelindustrie; in der Elektrobranche legten George WestinghouseWestinghouse, George, Thomas A. EdisonEdison, Thomas A. und Alexander G. BellBell, Alexander G. mit ihren Erfindungen das Fundament für drei mächtige Konzerne: Westinghouse ElectricWestinghouse Electric, General ElectricGeneral Electric und American Telephone & TelegraphAmerican Telephone & Telegraph Co. (AT&T). Da die Elektrizität um diese Zeit das Kerosin als Beleuchtungsmittel ablöste, schien das Erdöl an Bedeutung zu verlieren. Wenig später wurde das „schwarze Gold“ aber zum Grundstoff der chemischen Industrie, in der die hugenottische Familie Du Pont de Nemours aus DelawareDelaware den Ton angab, und zum Ausgangsprodukt von Benzin, das im beginnenden Automobilzeitalter (1903 gründete Henry FordFord, Henry seine Motor CompanyFord Motor Co. in DetroitDetroit) höchste Bedeutung erlangte.
Die Unternehmer von VanderbiltVanderbilt, Cornelius über MorganMorgan, John Pierpont bis FordFord, Henry handelten nach den Grundsätzen von Sparsamkeit, Effizienz und zentralisiertem Management, und sie verbanden Organisationstalent und Erfindungsreichtum mit Cleverness und entschlossener, zuweilen rücksichtsloser Härte im Geschäftsleben. Die patriarchalische, gewerkschaftsfeindliche Einstellung dieser Repräsentanten der industriellen „Gründergeneration“ der USA war ebenso typisch wie ihr Wunsch, den eigenen Namen durch philanthropisches Engagement oder künstlerisch-wissenschaftliches Mäzenatentum zu verewigen. Davon zeugen noch heute u.a. die Morgan LibraryMorgan Library, New York in New YorkNew York City, die VanderbiltUniversitätenVanderbilt University University in Nashville, TennesseeNashville, Tennessee, das Carnegie Endowment for International PeaceCarnegie Endowment for International Peace, die Rockefeller FoundationRockefeller Foundation und die Ford FoundationFord Foundation.
Der ökonomischeWirtschaft Konzentrationsprozess und die Monopolbildung in den verschiedenen Branchen riefen wachsende öffentliche Kritik hervor. Auf diese Stimmung reagierte der Kongress mit dem Interstate Commerce ActWirtschaftAspekteInterstate Commerce Act (1887)Interstate Commerce Act (1887), der erstmals eine unabhängige staatliche Aufsichtsbehörde, die Interstate Commerce CommissionWirtschaftAspekteInterstate Commerce CommissionInterstate Commerce Commission, für das Verkehrswesen schuf. Drei Jahre später, 1890, folgte der Sherman Antitrust ActWirtschaftAspekteSherman Antitrust Act (1890)Sherman Antitrust Act (1890), der aber schon im Gesetzgebungsverfahren verwässert wurde. Wenn die Gerichte seine Bestimmungen anwendeten, dann paradoxerweise viel seltener gegen Konzerne als gegen GewerkschaftenGewerkschaften, deren Streiks sie als illegale Behinderung der Wirtschafts- und Handelsfreiheit im Sinne des Gesetzes betrachteten. Einen neuen Anlauf zur Kontrolle der von vielen Amerikanern als schier grenzenlos und bedrohlich empfundenen Unternehmermacht wagte der Kongress erst nach der Jahrhundertwende im Zeichen der progressivenProgressivismus ReformbewegungReformbewegungenProgressivismus. Aus der Rückschau betrachtet, waren die Befürchtungen der Konzern-Gegner wenn nicht unbegründet, so doch stark übertrieben, denn in einer WirtschaftWirtschaft, die sich ständig im Umbruch befand, konnten selbst die erfolgreichsten Unternehmer Konkurrenz und Wettbewerb nicht auf Dauer ausschalten. Ihre illusorische Jagd nach Monopolstellungen trieb einen Konzentrationsprozess voran, der keineswegs nur Nachteile hatte, sondern auch für mehr Ordnung in den Marktbeziehungen sorgte und die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Industrie insgesamt erhöhte.
Im Bereich von Wissenschaft und BildungBildungswesen fanden die USA nach dem BürgerkriegBürgerkrieg Anschluss an den europäischen Standard, der um diese Zeit mehr und mehr von den deutschen UniversitätenUniversitäten bestimmt wurde. Der interkulturelle Austausch zwischen den USA und DeutschlandDeutschlandBeziehungen zu Deutschland vor 1949Vor dem Ersten Weltkrieg hatte schon am Ende der napoleonischen Kriege eingesetzt, als – beginnend mit George TicknorTicknor, George, Edward EverettEverett, Edward, Joseph CogswellCogswell, Joseph und George BancroftBancroft, George – eine wachsende Zahl von Amerikanern an den Universitäten von BerlinBerlin, GöttingenGöttingen, MünchenMünchen, LeipzigLeipzig, HeidelbergHeidelberg, HalleHalle und BonnBonn studierte. Die Gründung der University of MichiganUniversitätenUniversity of Michigan in Ann ArborAnn Arbor, Michigan durch Henry Philipp TappanTappan, Henry Philipp markierte 1852 den ersten Versuch, das höhere amerikanische BildungswesenBildungswesen im Sinne deutscher Ideale der akademischen Lehr- und Lernfreiheit und der Einheit von Forschung und Lehre umzuformen. Weitere Bemühungen folgten, als der Kongress im Krieg durch den Morrill Act die Errichtung von einzelstaatlichen Universitäten erleichterte und als industrielle Geldgeber im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs, den der NordostenNordosten und der Mittlere WestenWesten nach dem Sieg der Union erlebten, öffentliche und private Bildungseinrichtungen förderten. Während bis dahin die Vorbereitung auf den Beruf im Zentrum der Bestrebungen amerikanischer Colleges und Universitäten gestanden hatte, wurden nun die wissenschaftliche Forschung und die Persönlichkeitsbildung als höchste Ziele proklamiert. Das galt auch für die Hochschulen, die FrauenFrauenBildung aufnahmen oder sich auf die akademische Ausbildung von Studentinnen spezialisierten wie die zur Gruppe der Seven Sisters gehörenden Radcliffe, Smith, Vassar und Bryn Mawr Colleges. Am ausgeprägtesten war der deutsche Einfluss an der New Yorker CornellUniversitätenCornell University, Ithaca, New York University, an der Johns HopkinsUniversitätenJohns Hopkins University University in BaltimoreBaltimore und an der University of ChicagoUniversitätenUniversity of ChicagoChicago, deren Graduiertenseminare neue Maßstäbe für das Studium in den USA setzten. Das traf auf die Naturwissenschaften ebenso zu wie auf die Geisteswissenschaften: So bildete etwa der Historiker Herbert B. AdamsAdams, Herbert B., der in Heidelberg promoviert worden war, an der Johns Hopkins University eine ganze Generation amerikanischer Geschichtsforscher aus und gehörte darüber hinaus zu den Mitbegründern der American Historical AssociationAmerican Historical Association. An allen drei Universitäten lehrten auch deutsche Professoren, die ihrerseits halfen, zusätzliche Kontakte zwischen Studenten und Dozenten diesseits und jenseits des Atlantiks zu knüpfen. Aufs Ganze gesehen erfolgte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten keine kritiklose Übernahme, sondern eine kreative Anverwandlung des auf Wilhelm von HumboldtHumboldt, Wilhelm v. zurückgehenden deutschen Universitätsmodells an die amerikanischen Verhältnisse, die sich durch das Vorherrschen des demokratischen Geistes und durch das FrontierFrontier-Erlebnis doch erheblich von denen im gerade geeinten Deutschen KaiserreichDeutschlandBeziehungen zu Deutschland vor 1949Vor dem Ersten Weltkrieg unterschieden. Zweifellos wurden in diesen Jahrzehnten die Grundlagen für die Spitzenstellung geschaffen, die amerikanische Universitäten im 20. Jahrhundert in nahezu allen Wissensbereichen eroberten.