Читать книгу Geschichte der USA - Anke Ortlepp - Страница 86
Soziale AusgrenzungGesellschaftGilded Age und rechtliche Diskriminierung der AfroamerikanerAfroamerikanerGilded Age in den Südstaaten
ОглавлениеGroße Teile des öffentlichen Lebens spielten sich im Gilded AgeGilded Age außerhalb der Sphäre der Bundesregierung in den Einzelstaaten und Gemeinden oder gewissermaßen im „staatsfreien Raum“ des dual federalismdual federalism ab. Der Rassenkonflikt im SüdenSüden, der Kampf ums FrauenwahlrechtFrauenWahlrechtWahlrechtFrauen und für TemperenzTemperenzbewegung, der Zusammenprall der Interessen von Unternehmern und ArbeiternArbeiterGilded Age und der agrarische Protest der Populisten fanden in der Hauptstadt WashingtonWashington, D.C. verhältnismäßig wenig Widerhall. Diese sozialen Konflikte und Bewegungen berührten das Schicksal von Millionen Amerikanern aber oft weit unmittelbarer als so manche Entscheidung, die auf dem Capitol Hill oder im Weißen Haus getroffen wurde.
Zwischen 1860 und 1890 verdoppelte sich die Zahl der AfroamerikanerBevölkerungsentwicklungAfroamerikanerBevölkerungsentwicklungAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerBevölkerungsentwicklung von 4,4 auf 8,8 Millionen, wobei der Anteil an der Gesamtbevölkerung allerdings um 3 auf 13 Prozent abnahm. Die weit überwiegende Zahl der Schwarzen lebte nach wie vor im SüdenSüden, und hier verschlechterte sich ihre Situation nach den Anfangserfolgen von EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation und RekonstruktionAfroamerikanerRekonstruktion rapide. Die Gründe für das Ausbleiben einer wirklich tief greifenden Neuordnung der Rassenbeziehungen waren vielfältiger Art. ÖkonomischLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. erlebte der Süden nach dem Krieg keinen Aufschwung, sondern verharrte – vor allem wegen der fallenden Weltmarktpreise für BaumwolleBaumwolle – in einer Dauerkrise. Die Sklavenarbeit auf den Plantagen wurde durch Pachtverhältnisse, hauptsächlich jedoch durch das System des sharecroppingsharecroppers ersetzt. Im Unterschied zu den Pächtern (tenants), denen zumeist Farmgebäude, Vieh und die Werkzeuge selbst gehörten, verfügten die sharecropperssharecroppers über keinerlei Besitz, sondern lebten auf dem Grund und Boden des Pflanzers und erhielten für ihre Arbeit einen Teil (share) der Ernte. Da das Geld aus dem Verkauf der Baumwolle jedoch selten ausreichte, den Lebensunterhalt der Familien zu bestreiten, waren die sharecropperssharecroppers, aber auch die meisten Pächter bald hoffnungslos verschuldet. Auf diese Weise gerieten sie in eine Abhängigkeit von den Plantagenbesitzern, Kaufleuten und Kreditgebern, die dem SklavenstatusGesellschaftGilded Age schon wieder nahekam. Die Tatsache, dass auch viele Pflanzer in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten, erhöhte nur noch den Druck auf viele Schwarze, für geringeres Entgelt mehr zu arbeiten.
Die ökonomische Knebelung der ehemaligen Sklaven wurde nach dem Abzug der letzten Bundestruppen aus dem SüdenSüden durch eine politische und soziale Entrechtung verschärft, die weiße Rassisten als die „Erlösung des Südens“ (Redemption of the South) propagierten und feierten. Hauptziele waren dabei die Beseitigung des WahlrechtsWahlrechtAfroamerikaner für SchwarzeAfroamerikanerWahlrecht und die möglichst vollständige TrennungAfroamerikanerSegregation der Rassen. Da Terror und Einschüchterung offensichtlich nicht ausreichten, um Afroamerikaner von den Wahlurnen fern zu halten, führte man nun verstärkt gesetzliche und verfassungsmäßige Restriktionen ein. GeorgiaGeorgia beschloss 1877 eine Kopfsteuer (poll tax) für Wähler, die sich hauptsächlich gegen AfroamerikanerAfroamerikanerWahlrecht richtete und bald von allen anderen Südstaaten kopiert wurde. Als die Not in der LandwirtschaftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. Ende der 1880er Jahre eine Solidarisierung von armen Weißen und Schwarzen möglich erscheinen ließ, änderten die Staaten – ausgehend von MississippiMississippi (Staat) – sogar ihre Verfassungen, um AfroamerikanerWahlrechtAfroamerikanerAfroamerikanerWahlrecht vollends vom politischen Leben auszuschließen. Die neuen Bestimmungen, wonach nur derjenige wählen durfte, der seine Lese- und Schreibfähigkeit in einem literacy test nachwies oder die Bestimmungen der VerfassungVerfassung „richtig“ erklärte, machten die Stimmabgabe für Schwarze praktisch unmöglich. Parallel dazu wurden die inoffiziellen, „unsichtbaren“ Rassenschranken durch eine Flut von Staatengesetzen und lokalen Verwaltungsordnungen zum formalen System der „SegregationAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerSegregationSegregation“ ausgebaut. Nach einer populären Unterhaltungsfigur der minstrel-Shows, in denen seit den 1830er Jahren weiße Schauspieler mit schwarz angemalten Gesichtern (blackface) afroamerikanische Charaktere in stereotyper Weise darstellten, nannte man diese Vorschriften Jim Crow lawsJim Crow laws (s.a. Afroamerikaner Segregation, Süden). Sie verbannten Schwarze aus Parks, Theatern, Hotels, Gaststätten etc., benachteiligten sie in öffentlichen Verkehrsmitteln und wiesen ihnen separate Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse und Friedhöfe zu. Vor Gericht war es mancherorts sogar verboten, dass weiße und schwarze Zeugen bei der Eidesleistung dieselbe Bibel benutzten. Die systematische Diskriminierung der Schwarzen führte am Ende dazu, dass die Afroamerikaner neue, eigene Institutionen innerhalb der US-GesellschaftGesellschaftGilded Age schufen.
Der Supreme CourtSupreme CourtAfroamerikaner trug durch eine einseitige Verfassungsauslegung dazu bei, dass die EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation für die meisten Schwarzen ein leeres Versprechen blieb. Die Richter stellten sich auf den Standpunkt, dass der Kongress nur für die formalrechtliche Gleichheit zuständig sei, die Frage der sozialen Gleichstellung dagegen den Einzelstaaten überlassen bleiben müsse. Im Fall Plessy v.FergusonPlessy v.Ferguson (1896) ging der Supreme CourtSupreme CourtAfroamerikaner 1896 noch einen Schritt weiter, indem er die RassentrennungAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerSegregation für rechtmäßig erklärte, wenn die Behörden Schwarzen und Weißen „gleichwertige“ Einrichtungen zur Verfügung stellten. Diese separate but equal-Doktrin bezog sich zunächst nur auf das öffentliche Verkehrswesen, diente bald aber generell zur Rechtfertigung der SegregationSegregation.
Die tiefere Ursache für die Ausgrenzung des schwarzen Bevölkerungsteils lag in dem tief verwurzelten weißen RassismusGesellschaftGilded AgeAfroamerikanerRassismusRassismus (s.a. Afroamerikaner, Süden Konservatismus), der schon JeffersonJefferson, Thomas und später auch LincolnLincoln, Abraham an der Möglichkeit eines dauerhaften friedlichen Nebeneinanders hatte zweifeln lassen. Die Überzeugung vieler Weißer, die schwarze RasseAfroamerikanerRassismus sei „minderwertig“ und für eine „höhere“ Zivilisation ungeeignet, wurde nun durch pseudowissenschaftliche Argumente noch bestärkt. So wendete beispielsweise der HarvardUniversitätenHarvard University-Historiker Louis AgassizAgassiz, Louis die von Charles DarwinDarwin, Charles entwickelte Artenlehre auf die Menschheitsgeschichte an und behauptete, die „Negro race“ habe nie eine eigenständige Regierungsorganisation hervorgebracht. Das entsprach den Bemühungen von Joseph de GobineauGobineau, Joseph de und Houston Steward ChamberlainChamberlain, Houston Steward, den europäischen RassismusAfroamerikanerRassismus und Antisemitismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf eine „wissenschaftliche“ Grundlage zu stellen. In den USA blieb die Opposition gegen eine politische und soziale GleichstellungAfroamerikanerRekonstruktion der AfroamerikanerAfroamerikanerGilded AgeAfroamerikanerEmanzipation denn auch keineswegs auf den SüdenSüden beschränkt. Im Norden gestanden nur sieben Staaten ihren schwarzenAfroamerikanerWahlrecht Bürgern das volle WahlrechtWahlrechtAfroamerikaner zu, und in der Mehrzahl der Staaten galt ein Verbot der Mischehe. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass die nationale Aussöhnung nach BürgerkriegBürgerkrieg und RekonstruktionAfroamerikanerRekonstruktion auf dem Rücken der Afroamerikaner erfolgte. Die gemeinsam gehegten Vorurteile und Antipathien gegen Afroamerikaner erleichterten es den Weißen in Nord und Süd, gegen Ende des Jahrhunderts die bitteren Erinnerungen hinter den Wunsch nach Versöhnung und nationaler Harmonie zurücktreten zu lassen. Im Laufe der 1880er Jahre verloren die BürgerkriegskontroversenBürgerkrieg an Bedeutung, und gleichzeitig machte sich ein intensiveres amerikanisches NationalgefühlGesellschaftGilded Age bemerkbar. Parallel dazu breitete sich in intellektuellen Kreisen des Nordens ein Geist der Versöhnung aus, der in der Romantisierung des Südens und der Verharmlosung der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) durch Literaten und Historiker gipfelte. Von den Zeitgenossen kaum beachtet blieben dagegen die Anfänge der afroamerikanischen Geschichtsschreibung, darunter die erste umfassende und wegweisende Geschichte der Afroamerikaner The History of the Negro Race in America 1619–1880, die George Washington WilliamsWilliams, George Washington im Jahr 1882 publizierte.