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14 Mailand, Dachkammer Vicolo Giovanni, Oktober 1776

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Marcello ging es von Tag zu Tag besser. Dank einer Ringelblumensalbe und einer braunen Tinktur, die ihm Signora Cuccini hatte zukommen lassen, erholte er sich recht schnell von seinem Sturz. Mittlerweile langweilte er sich und wartete jeden Abend ungeduldig auf Armando, der ihm erzählen musste, wie die Arbeit voranging. So auch heute.

Endlich hörte Marcello seinen Freund mit müden, schweren Schritten die Treppe heraufkommen. Nach Luft schnappend stieß dieser die Tür auf.

„Marcello, ich bete zu Gott, dass du bald wieder zur Arbeit kommst. Wenn ich noch länger täglich diese tausend Treppen zu dir hochsteigen muss, kündige ich dir die Freundschaft auf. Das ist ja anstrengender als ein ganzer Tag auf der Baustelle. Santo cielo, gib mir was zu trinken, meine Kehle ist ganz ausgetrocknet. Ich bin am Verdursten.“

Marcello sah seinen Freund an und deutete auf ein Glas Wein, das bereits auf dem wackeligen Tisch stand.

„Bedien dich. Ich bin auch weiß Gott froh, wenn ich wieder arbeiten kann. Seit ich der alten Vettel, meiner Hausbesorgerin, ein paar Münzen gegeben habe, damit sie mir was zu essen kauft, hab ich sie ständig hier oben. Frag mich nicht, was ich alles anstellen muss, um sie wieder loszuwerden. Was gibt es Neues?“

Armando setzte sich auf Marcellos Pritsche, die sich daraufhin gefährlich durchbog.

„Dein Lager hält auch nicht mehr lange! Von der Baustelle gibt’s keine Neuigkeiten. Wir bereiten den Platz für die Ausschachtungsarbeiten vor.“ Gähnend nahm Armando einen Schluck Wein zu sich und beugte sich unentschlossen zu Marcello hinüber: „Eigentlich wollt ich’s dir gar nicht erzählen, aber wenn du schon was Neues hören willst: Gestern Abend bin ich noch auf einen Krug Wein mit Claudio und ein paar andern in die Trattoria Rosario gegangen. Wir wollten nach der Schufterei noch ein bisschen würfeln und ein paar Becher trinken. Ich dachte mir, ich kann da ruhig mal wieder hin.“

„So, so, das sind ja spannende Neuigkeiten.“ Marcello schaute Armando gelangweilt an.

„Die haben eine neue Schankmagd eingestellt. Aber sie kann Carla – Gott hab sie selig – nicht das Wasser reichen. – Was macht dein Bein? Was ist mit deinem Arm?“

„Wird immer besser!“

„Eines war allerdings komisch im Rosario.“ Armando machte eine bedeutungsvolle lange Pause.

„Was, Armando? Was war komisch? War die Suppe versalzen oder hast du nur Pasch gewürfelt? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!“ Marcello war sichtlich gereizt. „Na ja, da waren zwei Männer, die gingen von Tisch zu Tisch und haben nach Carla gefragt.“

„Was wollten die?“

„Na, sie wollten halt wissen, ob wir sie kannten, die Carla.“

„Und?“ Marcello wurde immer ungeduldiger. „Was hast du denen gesagt?“

„Na, was wohl? Dass ich sie gekannt habe, natürlich.“

„Armando, überlege ganz genau. Was wollten diese Männer in Erfahrung bringen? Wie sahen sie denn aus?“

„So genau weiß ich das nicht mehr, wir hatten Etliches getrunken. – Wie sahen die aus?“, wiederholte Armando nachdenklich. „Der eine war ein schmächtiger Kerl, nicht groß, nicht klein, ganz normal eben. Und der andere war auf jeden Fall noch kleiner als der, der nicht groß und nicht klein war …“

Wütend warf Marcello seine Decke nach Armando.

„Deine dämliche Beschreibung trifft so ziemlich auf die Hälfte aller Mailänder zu. Du wirst doch wenigstens noch wissen, was sie dich gefragt haben?“

„Meine Güte“, erwiderte Armando, der sich zu Unrecht angegriffen fühlte, „dir erzähl ich gleich überhaupt nichts mehr. Hättest du besser aufgepasst, wärst du nicht vom Glockenturm gestürzt. Dann hättest du ganz gemütlich mit uns ins Rosario gehen können und jedes Wort selbst gehört, das die zwei Kerle gesagt haben.“

„Armando, lass uns wegen so einer Kleinigkeit nicht streiten.“ Während Marcello nachdachte, wer wohl die Männer im Rosario gewesen sein könnten, griff er gedankenverloren zu Carlas Ring, der an einem Lederband um seinen Hals baumelte.

„So einen Ring, wie du ihn um den Hals trägst, trug der kleinere der beiden auch“, sagte Armando im selben Moment, als sein Blick auf den Ring fiel.

Marcello spürte, wie seine Schläfen anfingen zu pochen.

„Bist du ganz sicher, Armando, dass es genau so ein Ring war?“

„Ganz sicher bin ich natürlich nicht. Aber so ähnlich sah er ganz bestimmt aus. Jedenfalls war er auch rund und glänzte silbern.“

Marcello verdrehte die Augen und rief wütend: „Ringe sind meistens rund!“ Trotzdem machte es ihn nachdenklich, was Armando gerade berichtet hatte. Was hatte das zu bedeuten? Suchten die beiden den Ring? Wahrscheinlich war das Schmuckstück wertvoll und die Unbekannten waren Milizionäre. Hinter seinem Rücken war etwas Ungutes im Gange, dessen war sich Marcello mit einem Mal sicher.

Die Schlangenmaske

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