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1 Historische Entwicklungen

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Aus der historischen Entwicklung lässt sich eine Legitimation und disziplinäre Identität einer Pädagogik für Menschen mit zugewiesener geistiger Behinderung ableiten (vgl. Musenberg & Riegert 2013). Auch wenn man eine Geistige Behinderung als soziale Konstruktion versteht ( Kap. I, 3.4), lässt sich nicht verleugnen, dass es mit Blick auf die historische Entwicklung eine Art Legitimationsverpflichtung und Mandat durch die real existente Bedrohung eines Lebens- und Bildungsrecht bei einer Personengruppe gab und immer noch gibt: »Eine wesentliche Erfahrung der Geschichte der Zwangssterilisation und der Euthanasie im Nationalsozialismus ist die absolute Notwendigkeit der Menschenrechtsgarantie für jeden einzelnen« (Wunder 2006, 231).

Nun kann man die Position einnehmen, dass das Phänomen einer Geistigen Behinderung in jeder historischen Epoche in irgendeiner Form diskursiv hervorgebracht wurde. Man sollte hierbei jedoch Folgendes nicht vergessen: »Die Tatsache, dass etwas sozial konstruiert ist, darf nicht in einem Kurzschluss enden, der suggeriert, dass ohne das Konstrukt auch das Problem weg wäre« (Boger 2015a, 272). Daher ist es uns ein zentrales Anliegen, mit dieser Publikation auch einen kleinen Beitrag zum Geschichtsbewusstsein zu liefern. Der historische Blick auf den gesellschaftlichen Status von Menschen, die in verschiedenen Epochen als geistig behindert galten, soll als ›Kraft des Erinnerns‹ dabei helfen, aktuelle Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. Gleichzeitig soll sie die Wurzeln der Disziplin und ihre Diskurse anhand einer zeithistorischen Einordnung aufzeigen und damit auch Erklärungen für Gewordenes liefern.

Entgegen dem Anliegen der Disability History (vgl. Bösl, Klein & Waldschmidt 2010), welche als Disziplin den Anspruch verfolgt, durch eine (Re)Historisierung von Behinderung eine »neue Geschichte von Behinderung zu schreiben« (Bösl 2010, 29), schauen wir in den folgenden Kapiteln zunächst auf die traditionelle Geschichtsschreibung, in welcher jede Form zugeschriebener Behinderung als Normverletzung betrachtet wurde und dementsprechende Exklusions- und Selektionspraktiken zur Anwendung kamen. Wir möchten hier explizit thematisieren, welche Rolle man Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung im Kontext historischer Entwicklung zugewiesen hat und welche Konsequenzen damit für die Situation eines Lebens- und Bildungsrechtes verbunden waren. Die ausgewählten Zeitkontexte sollen jeweils einen Einblick in die Geschichtskultur der entsprechenden Epoche geben und »objektive Bedingtheiten und Funktionen und damit Praktiken des sozialen Lebens« veranschaulichen (Rüser 2008, 132).

Pädagogik bei zugeschriebener geistiger Behinderung

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