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Die Zwecke von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und der Eingliederungshilfe

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Art und Umfang der Leistungen bei Pflegebedürftigkeit richten sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird. (§ 4 Abs. 1 SGB XI).

Häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege wird für die Pflegegrade 2–5 gewährt; bei häuslicher und teilstationärer Pflege ergänzen die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. Bei teilstationärer und vollstationärer Pflege werden die Pflegebedürftigen von ihren pflegebedingten Aufwendungen entlastet; Unterkunft und Verpflegung tragen sie selbst (§ 4 Abs. 2 SGB XI). Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach SGB XI sind nicht bedarfsdeckend ausgestattet.

Bei häuslicher Pflege werden Pflegesachleistungen gewährt, die sich aus körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung zusammensetzen. Die körperbezogenen Pflegemaßnahmen kompensieren insbesondere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen der Mobilität und Selbstversorgung (GKV-Spitzenverband, 2019, S. 127).

Während die körperbezogenen Pflegemaßnahmen und die Haushaltshilfen bestehende Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten kompensieren wollen, zielen pflegerische Betreuungsmaßnahmen auf die Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld (GKV-Spitzenverband, 2019).

Die Maßnahmen in vollstationärer Pflege gleichen die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für die Betreuung und die medizinische Behandlungspflege aus (§ 43 SGB XI).

Tab. 2.2: Leistungen bei Pflegebedürftigkeit (GKV-Spitzenverband, 2019)



Bereiche (Pflegegrad 2 – 5)Art der LeistungBezugMaßnahmenZweck der Maßnahmen

Demgegenüber dienen die Leistungen der Eingliederungshilfe anderen Zwecken.

• Die Leistungen zur Beschäftigung zielen darauf ab, die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behinderungen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit der Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern (§ 56 SGB IX).

• Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung zielen auf eine gleichberechtigte Wahrnehmung von Bildungsangeboten (§ 75 SGB IX).

• Die Leistungen zur sozialen Teilhabe wollen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern und Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum befähigen oder sie hierbei unterstützen (§ 76 Abs. 1 SGB IX). Hierzu gehören u. a. Maßnahmen ersetzender und/oder befähigender Assistenzleistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen und die Freizeitgestaltung (§ 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX in Vbg. mit § 78 SGB IX).

• Die Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten schließlich zielen auf eine Befähigung zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten, eine Vorbereitung auf die Teilhabe am Arbeitsleben, eine Verbesserung von Sprache und Kommunikation sowie die Befähigung, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen (§ 113 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX in Vbg. mit § 81 SGB IX).

Ein Vergleich der Zwecke der jeweiligen Leistungen und Maßnahmen in den einzelnen Leistungssystemen zeigt deren Unterschiedlichkeit bei aller Nähe in den Formulierungen.

• Bei den Leistungen zur sozialen Teilhabe dienen die Assistenzleistungen unter anderem der selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung der allgemeinen Erledigungen des Alltags wie der Haushaltsführung, der Gestaltung sozialer Beziehungen sowie der Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten im eigenen Wohnraum und im Sozialraum.

• Pflegerische Betreuungsmaßnahmen zur Kompensation kognitiver und kommunikativer Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und Fähigkeiten, bei Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen sowie zur Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte dienen der Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens.

Tab. 2.3: Leistungen der Eingliederungshilfe nach Inhalt und Zweck der Maßnahmen


Leistung der EingliederungshilfeBezugZweck der Maßnahmen

Der Unterschied liegt im Detail, ist jedoch deutlich erkennbar:

Bei den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen fehlen die Attribute »selbstbestimmt« und »eigenständig«: Selbst bestimmen kann, wer die Wahl hat. Eigenständig ist, wer auf eigenen Füßen steht24. D. h. erneut gehen die Assistenzleistungen in ihrem Zweck über die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen hinaus. Hier ist der Zweck, das schwierige Verhalten

Tab. 2.4: Pflegerische Betreuungsmaßnahmen (GKV-Spitzenverband, 2019) und Assistenzleistungen


Module nach SGB XIZweck der pflegerischen Betreuungsmaßnahmen bzw. der Hilfen bei der HaushaltsführungZweck der Assistenzleistungen

einzustellen, die Situation zu beruhigen; dort geht es darum, der Person Wahlmöglichkeiten zu eröffnen und Verantwortungsübernahme zu ermöglichen.

Außerdem sind die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen auf die jeweilige Häuslichkeit bzw. das nähere häusliche Umfeld begrenzt, während die Leistungen zur Sozialen Teilhabe immer auch auf den Sozialraum und gleichberechtigte Teilhabe zielen.

Bei den Hilfen zur Haushaltsführung bzw. der Assistenz zur Bewältigung der Haushaltsführung ist es ebenso: Geht es hier darum, dass die erforderlichen Aufgaben im Haushalt möglichst selbstständig getan werden, steht dort nicht die Verrichtung, sondern die Selbstbestimmung, somit die Auswahl unterschiedlicher Optionen und die Entscheidungen zu deren Umsetzung im Mittelpunkt von Bedarfsermittlung und Bedarfsdeckung.

Die Kompensation von Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten in der Mobilität und der Selbstversorgung im häuslichen Bereich durch körperbezogene Maßnahmen sind regelmäßig keine Assistenzleistungen und insoweit keine Maßnahmen der Eingliederungshilfe. Außerhalb des häuslichen Bereiches können sie als Pflege Teil der Eingliederungshilfe sein und von dieser umfasst werden (s. u.).

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