Читать книгу Pflege von Menschen mit geistigen Behinderungen - Annelen Schulze Höing - Страница 49
2.2.2 Zwischenergebnis zum Verhältnis von Eingliederungshilfe und Pflege
ОглавлениеDie bisherigen Überlegungen zum Verhältnis von Eingliederungshilfe und Leistung bei Pflegebedürftigkeit haben zum Ergebnis, dass die Zielsetzungen der beiden Leistungssysteme gänzlich unterschiedlich sind. Geht es bei den Leistungen bei Pflegebedürftigkeit im Wesentlichen um die Kompensation von Beeinträchtigungen von Selbstständigkeit und Fähigkeiten in eng umgrenzten Bereichen (Modulen), zielen die Leistungen der Eingliederungshilfe auf die Gewährleistung einer vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ab. Die Bedarfsermittlung in der Eingliederungshilfe stellt die Teilhabe und nicht die Beeinträchtigung von Aktivitäten in den Mittelpunkt und umfasst alle Lebensbereiche nach der ICF.
Hieraus folgt:
1. Während die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die hauswirtschaftlichen Hilfen auf die jeweilige Häuslichkeit und das nähere Umfeld beschränkt sind, richtet sich die Eingliederungshilfe explizit auch auf die Gestaltung von Teilhabe im Sozialraum. Auch insoweit sind die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassender; sie fördern und fordern die volle und wirksame Teilhabe am Leben der Gesellschaft (Kuhn-Zuber, 2018a).
2. Haben Pflegeleistungen im Vergleich zu den Leistungen der Eingliederungshilfe unterstützende oder begleitende Funktion (Kuhn-Zuber, 2018a), weil die Zwecke der Eingliederungshilfe im Vordergrund stehen, dann sind die Pflegeleistungen Teil der Eingliederungshilfe und werden von dieser umfasst. Dies ist beispielsweise bei den Leistungen zur Beschäftigung, den Leistungen für Bildung oder bei besonderen Regelungen wie bei Leistungen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches (§ 103 Abs. 1, Satz 1 SGB IX) der Fall.
3. Als Teil der Eingliederungshilfe behalten sie ihren bedarfsbegründenden Bezug zur Selbstständigkeit, ihre Inhalte sowie Art und Umfang ihrer Verrichtungen bei: Sie sind Pflegeleistungen unabhängig davon, welcher Träger sie finanziert. Leistungen der Eingliederungshilfe sind gegenüber Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI nicht nachrangig (§ 13 Abs. 3, Satz 3 SGB XI), d. h. die beiden Leistungen stehen gleichrangig nebeneinander, weil sie unterschiedlichen Zwecken dienen (Mrozynski, 2019, § 21a Rn27). Dies gilt auch bei einer Erweiterung des Leistungsrahmens durch Inanspruchnahme von Leistungen für Pflegebedürftige nach dem siebten Kapitel SGB XII (Hilfe zur Pflege), die im Rahmen der dort geltenden Voraussetzungen »weitergehende Leistungen als die Pflegeversicherung vorsehen« (§ 13 Abs. 3, Satz 2 SGB XI).
4. Je nach den Besonderheiten des Einzelfalls stehen somit die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach SGB XI, die Leistungen für Pflegebedürftige nach SGB XII und die Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX nebeneinander. Treffen Leistungen für Pflegebedürftige nach SGB XII und Leistungen der Eingliederungshilfe aufeinander, gilt § 103 Abs. 2 SGB IX: In diesem Fall »umfasst« die Eingliederungshilfe auch die Leistungen zur Pflege, solange die Teilhabeziele nach dem Gesamtplan erreicht werden können, womit sich die Aussage von Nr. 2 wiederholt.