Читать книгу The Sixth Birthday - Arnd Frenzel - Страница 16
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Zwei Züge sind ihr bisher entgegengekommen, aber Alexa hat dadurch nichts an ihrer Schnelligkeit eingebüßt. Noch ist die Nacht nicht angebrochen, trotzdem ist es schon so dunkel, dass sie nicht großartig auffällt.
Die Welt fliegt an beiden Seiten an ihr vorbei und sie nimmt alles in sich auf. Dieser erste Ausflug ist fantastisch, die vielen gelesenen Bücher konnten so etwas gar nicht wiedergeben.
Weit ist es nicht mehr, vor einer Unterführung drosselt sie erst ihre Schritte und bleibt ein wenig später stehen. Vor ihrem inneren Auge tauchen die Straßen von New York auf. Seit der zweiten Klasse wurden Karten studiert, erst fiktive, dann eine Großstadt nach der anderen. Es wurde ihnen eingetrichtert, dass dieses Wissen im späteren Leben noch einen großen Nutzen haben wird.
Jetzt steht sie hier an einem rostigen Geländer und weiß genau, wo sie sich befindet. Jede Straße ist ihr bekannt, von jedem Park kennt sie den Namen, diese Übungen in der Schule waren wirklich Gold wert.
Konzentration, dieses Wort hat Marie ihr noch mitgegeben, nur damit funktioniert eine unentdeckte Reise. Nicht auffallen und keiner erkennt das wahre ich, genau das versucht Alexa genaustens einzuhalten. Sie entfernt sich von der Bahnstrecke und erreicht ein belebteres Gebiet, ab hier könnte jeder Fehler böse enden. Die aufkommende Angst, die sich unter die Aufregung mischt, erleichtert ihren Auftrag nicht gerade. Wie soll sie sich hier draußen bewegen? Was unternimmt sie, wenn sie angesprochen wird? Sie kommt sich gerade sehr klein vor, hineingeschmissen in eine Welt, die ihr völlig fremd ist. Aber vielleicht ist das alles nur ein Test, den sie einfach noch bestehen muss, um endlich aufgenommen zu werden. So viele Fragen und niemand gibt ihr eine Auskunft.
Nur was würden die unten in der Station von ihr denken? Oder was würde David denken, wenn sie das hier vermasselt? Sie kann es aber immer noch nicht glauben, dass er sie wirklich leiden mag. Denn eigentlich mag er niemanden, aber so kann man sich täuschen, Marie hat keinen Grund zu Lügen.
Über eine kleine Rasenfläche erreicht Alexa die erste betonierte Straße, auch die ersten Häuser beginnen an dieser Stelle. Viele der Fenster sind beleuchtet, ihr fällt natürlich ein, dass niemand hier oben in der Dunkelheit sehen kann. Für sie ist es aber nichts Ungewöhnliches.
Jetzt ist es soweit, der erste New Yorker kommt ihr entgegen und hat ein Tier an einer Leine. Es handelt sich wahrhaftig um einen Hund, der beste Freund des Menschen. Niemand unten in der Station hat dafür Verständnis, wie kann ein Tier ein Freund sein? Das redet noch nicht mal und hat auch sonst keinen logischen nutzen. Langsam und konzentriert geht sie an den beiden vorbei und versucht nicht aufzufallen, aber weder der Mensch noch das Tier haben eine Notiz von ihr genommen.
Der Weg führt sie jetzt tiefer hinein, tiefer in die Straßen der City, die natürlich auch voller werden. Autos fahren herum, die aber für Alexa nicht wirklich von Interesse sind. Es sind Gegenstände, die einen Befördern und sonst bieten sie nichts Aufregendes. Nur die Menschen hier oben sind sehr langsam und auf diese Hilfsmittel angewiesen.
Alexa versucht sich bedeckt zu halten und das ist für sie extrem schwierig. An einer Straße anhalten, die stinkenden Dinger vorbeilassen und dann langsam auf die andere Seite gelangen, total unlogisch. Normal wäre sie in einem Schwung herüber, aber diese Gedanken sind zu vermeiden, die Konzentration darf nicht nachlassen.
An einer Hausecke sitzt ein Mann auf dem Boden. An seiner Seite befindet sich einer dieser Hunde, der aber zu schlafen scheint. Alexa interessiert sich auch nicht für das Tier, aber dieser Mensch hat etwas Besonderes an sich. Er sitzt auf einer Decke und hat einen Becher vor sich stehen. In diesem befindet sich das metallische Geld, ein Zahlungsmittel, welches hier oben benötigt wird. Darüber hat Alexa schon einiges in der Schule gelernt, aber der Sinn dahinter ist für sie nicht ersichtlich. Hier oben ist alles in großen Mengen vorhanden, warum wird dann dieses Geld dafür verwendet? Sollte dieses zur Neige gehen, muss man tatsächlich verhungern und das ist furchtbar und ungerecht. Dieser Mann sitzt hier aber herum und sammelt das in einem Becher. Andere Menschen gehen an ihm vorbei, schauen traurig auf ihn herab und werfen Münzen hinein, einfach so.
»Kannst du mal verschwinden, du stehst mir in der Sonne.«
Sehr verwundert über die Aussage des Mannes geht Alexa weiter. Welche Sonne? Die ist doch gar nicht mehr am Himmel. Sie blickt noch einmal zurück und belässt es dabei. Dieser Mensch war sicher verwirrt, aber das mit der Sonne ist sehr interessant, denn sie möchte gerne mal einen Auftrag bei Tag erledigen. Einmal die Sonne sehen, das ist ein Traum von ihr. 10 Jahre ist es her, solange hat sie das Licht nicht mehr erblickt, aber am Tage dürfen nur die Erfahrensten nach draußen. Zu groß ist die Gefahr, geschnappt zu werden, also wird das vorerst ein Wunsch bleiben.
Alexa hat ihren Zielpunkt erreicht und befindet sich jetzt in einer unheimlichen kleinen Straße. Viele Bäume sind hier aber nicht, daher ist es für sie ein leichtes, den richtigen zu finden. Dort deponiert sie das Päckchen und entfernt sich wieder. Sie bleibt aber in der Nähe und geht auf die Lauer. Warum diese Handelspartner überhaupt diesen Ort ausgewählt haben, kann sie nicht verstehen. Überall liegen kaputte Dinge herum, alles ist schmutzig und zugemüllt. Keine Lampe beleuchtet die Gegend und die Häuser sind alle sehr unansehnlich. Ab und an hört sie Geräusche aus dem Inneren. Etwas weiter oben schreit ein Kind und auf der anderen Seite sind welche in Streit geraten. Sie kann jedes einzelne Wort verstehen, nur begreifen kann sie es nicht. Wenn das hier das Paradies sein soll, dann bleibt sie doch lieber im Untergrund, denn schön sieht anders aus.
Jetzt heißt es warten, irgendwann wird der Austausch schon stattfinden und sie kann zurück zu Marie…