Читать книгу The Sixth Birthday - Arnd Frenzel - Страница 8

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»Verdammt«, sagt Kylian zu sich selbst und schaut die enge Gasse herunter. Er hatte extra diesen Weg gewählt, weil der bedeutend kürzer ist und er so schneller sein Ziel erreicht. Nur konnte er nicht damit rechnen, dass sich genau in diesem Moment diese blöden Gestalten hier herumtreiben.

Kylian ist mit seinen 17 Jahren recht schmächtig, auch sind seine 1,73 m Körpergröße nicht gerade hilfreich und Muskeln sucht man bei ihm vergeblich. Nur seine Beine können sich wirklich sehen lassen, was natürlich auch an seinem Job liegt, denn er ist ein Fahrradkurier. Genau das ist auch der Grund, warum er jetzt hier mit seinem Bike in dieser schäbigen Gasse steht und seine nächsten Schritte überdenken muss.

Sollte er den Weg wieder zurückfahren, wird er höchstwahrscheinlich zu spät zur Auslieferung kommen. Nebenbei wäre er dann auch nicht pünktlich zu Hause, dabei hat er seiner Mutter versprochen, den Haushalt zu schmeißen. Sie arbeitet als Krankenschwester im Kings County Hospital in Brooklyn und ist oft bis zu 36 Stunden im Dienst, daher hat sie kaum noch Zeit, im Haushalt etwas zu erledigen. Trotz der vielen Arbeit reicht es vorne und hinten nicht und Kylian sah sich gezwungen, neben der Schule diesen Nebenjob anzunehmen, den er aber verdammt gut beherrscht. Zusammen mit seiner Mutter bewohnt er eine kleine Dreizimmerwohnung, die sich auch in Brooklyn befindet und das direkt in einem Migrationsstarken Viertel. Sie sind Schwarze und etwas Besseres konnten sie leider nicht finden, aber genau das macht ihm gerade die Weiterfahrt so kompliziert. Etwas weiter die Hinterhofgasse hinunter halten sich einige Jugendliche mit kurz rasierten Haaren auf. Viele Tattoos zieren ihre Körper und keines davon sieht sehr einladend aus.

Kylian kennt diese Gruppe, sie nennt sich »The White Order« und er ist leider schon öfters mit ihnen aneinandergeraten. Bisher ging es immer glimpflich aus, nur diesmal sind die Gegebenheiten anders. Noch haben sie ihn nicht entdeckt, da sie zu sehr damit beschäftigt sind, ihre Flaschen zu leeren und dummes Zeug zu quatschen. Diesen Ort scheinen sie auch nur zu nutzen, um sich zu betrinken, denn sonst sind sie auf der Straße und produzieren jede Menge Ärger.

Behutsam fährt sich Kylian mit einer Hand durch seine lockigen kurzen Haare, er könnte sie sich gerade alle ausreißen, warum hat er sich nur für diese Abkürzung entschieden? Nachdenklich schätzt er seine Chancen ein und welche Möglichkeiten ihm jetzt bleiben. Einfach mit voller Geschwindigkeit durch sie hindurchfahren? Das wäre sicher riskant, vor allem wenn ihn einer packt, aber es könnte trotzdem funktionieren. Oder er fährt alles wieder zurück und nimmt den Umweg in Kauf, dann wäre aber der Kunde enttäuscht, denn normal ist Kylian immer pünktlich. Auch seine Mutter wäre nicht glücklich, denn sie würde vor ihm nach Hause kommen und die Hausarbeit selbst erledigen. In einem ist er sich aber sicher, wenn er hier noch länger steht, wird er gleich entdeckt und dann muss er sehr schnell handeln.

Ein umkehren kommt für ihn nicht infrage, das würde den ganzen Tag ruinieren und darauf möchte er gerne verzichten. Daher beginnt er kräftig zu trampeln und beißt die Zähne aufeinander, er fährt also direkt durch die Schwachköpfe hindurch und hofft auf das Beste.

Die Entfernung zwischen ihm und der Gruppe wird geringer, sie haben ihn immer noch nicht entdeckt und seine Geschwindigkeit nimmt weiter zu. Wenn ihn jetzt einer vom Bike reißt, dann könnte das echt schmerzhaft enden, aber dieser Gedanke wird wieder verdrängt, es muss einfach klappen.

Einer der Kerle dreht sich zu ihm herum und schlägt einem anderen kräftig in die Seite. Dieser nimmt von dem näher kommenden Fahrrad aber keine Notiz, sondern donnert dem ersten seine Faust gegen den Kopf. Durch den Schlag taumelt der nach hinten, lässt dabei seine Bierflasche fallen und alle anderen beginnen zu lachen. Kylian ist nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt, seine Chancen haben sich gerade merklich erhöht und er hat es fast geschafft.

Der Schläger dreht sich aber wieder herum, nimmt einen Schluck aus der Flasche und schaut direkt in seine Richtung. Ungläubiges Entsetzen breitet sich auf dem Gesicht aus und vor Schock fällt das Bier aus der Hand. Kylian kann noch erkennen, wie ein Arm nach vorne schnellt und versucht nach ihm zu greifen. Dieses gelingt leider auch und er kommt leicht ins Straucheln, mittlerweile ist er aber viel zu schnell, reißt sich im gleichen Augenblick wieder los und rast durch den nächsten Durchgang auf die Hauptverkehrsstraße, die direkt dahinter liegt.

Das war verdammt knapp, dieser Säufer hatte ihn schon an der Jacke, es hat nicht mehr viel gefehlt und er wäre gestürzt. Seine Beine bringen ihn jetzt noch ein wenig weiter und anschließend hält er am Rand der befahrenden Straße. Ein kurzer Blick zurück zeigt ihm die Gruppe am Eingang der Gasse, sie haben die Verfolgung aufgegeben und verschwinden in die entgegengesetzte Richtung. Was soll hier auch passieren, die Straße ist sehr belebt, an beiden Seiten stehen Wohnhäuser und dazwischen ein paar kleinere Geschäfte. Überall laufen Passanten herum und keiner würde es wagen, ihn jetzt vor Zeugen anzugreifen. Leider kommt so etwas in New York trotzdem vor, also einmal durchatmen, die Gedanken wieder in Ordnung bringen und weiterfahren, nur noch zwei Querstraßen und er hat seinen Kunden erreicht.

Nicht mal eine halbe Stunde später schiebt Kylian sein Vehikel in den Keller des alten Mehrfamilienhauses und stellt es dort an eine Wand. Ein kleines Schloss aus seiner Tasche wird befestigt und sein Arbeitstag neigt sich dem Ende.

Er hat es tatsächlich geschafft, nur noch schnell die Treppe hinauf und er ist zu Hause. Seine Mutter kommt erst in 45 Minuten, also genügend Zeit, um alles zu erledigen und sie damit glücklich zu machen. Oben angekommen greift er in seine Jackentasche und sucht nach seinem Schlüssel, aber da ist nichts, die Tasche ist leer und an der unteren Seite schaut seine Hand heraus.

»Das gibt es doch nicht«, kommt von ihm und das Warten auf seine Mutter beginnt.

Er lässt sich auf der Fußmatte nieder und hält sich seine Hände vors Gesicht, wie konnte er nur so dumm sein? Das wird eine Menge Stress geben. Seine Mutter ist öfters mit der Miete im Verzug, wenn jetzt auch noch herauskommt, dass der Schlüssel verloren ging, dann könnten sie eine Abmahnung erhalten. Dieser Typ in der Gasse muss ihm die Jacke zerrissen haben und dabei wird der Bund herausgefallen sein. Nur diesen braucht er unbedingt zurück, denn daran befindet sich auch der Spindschlüssel von seiner Schule und den Ärger kann er nicht gebrauchen. Die kleine Nachbarin von nebenan gesellt sich zu ihm und schaut traurig auf ihn herab. Sie ist gerade einmal fünf, hat aber jetzt schon ein Gespür für Menschen, denen es nicht gut geht. Noch 25 Minuten, bis seine Mutter von der Arbeit kommt…

The Sixth Birthday

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