Читать книгу The Sixth Birthday - Arnd Frenzel - Страница 18
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Die aufkommende Langeweile interessiert Alexa nicht. Sie hat auch keine Ahnung, wann der Handelspartner endlich erscheinen wird. Also einfach hinter den Mülltonnen ausharren und die Zeit im Freien genießen. Der Streit aus dem Haus ist genauso verstummt wie das Kind auf der anderen Straßenseite. Allerdings dringen Motorengeräusche zu ihr durch, und sie begreift sehr schnell, dass hier alles anders ist. In der Station herrscht immer Ruhe, hier oben spielt das Leben und das ist nicht wirklich gut. Dreck dominiert das Gesamtbild und der Gestank ist nicht zu tolerieren.
Ein merkwürdiger Lichtschein durchzieht die Gasse. Auch wenn Alexa die Dunkelheit nicht wahrnimmt, den hellen Kegel sieht sie trotzdem, da kommt also jemand. Ist das der Handelspartner und tauscht jetzt das Päckchen? Sie wartet und beobachtet die Situation. Es handelt sich um einen jungen Mann, so viel kann sie erkennen und er läuft von einer Seite zur anderen. Diese Szene ist recht sonderbar, hat sie das Päckchen zu gut versteckt? Es sollte doch der Baum mit dem Kranz sein. Angst keimt in ihr auf, die Angst, etwas falsch gemacht zu haben.
Jetzt kommen weitere Menschen hinzu, eine kleine Gruppe taucht in der Gasse auf und bewegt sich langsam vorwärts. Die Beobachtung wird für Alexa ein wenig schwieriger. Nicht nur, dass der Junge ihr den Rücken zukehrt, auch die Straßengeräusche sind zu laut. Verstehen kann sie also nichts, aber ihre Augen erhaschen jede Einzelheit. Für sie ist das alles sehr verwirrend, denn keiner geht zum Baum und holt das Päckchen, dafür haben sie aber alle Spaß und lachen zusammen.
Die folgenden Szenen spielen sich sehr schnell ab. Einer aus der Gruppe schlägt der einzelnen Person ins Gesicht, ein anderer boxt ihn ebenfalls und das Opfer geht zu Boden. Von dort wird er wieder hochgezogen und weiter bearbeitet. Warum wehrt sich der mit dem Lockenkopf nicht und warum prügeln die anderen auf ihn ein? Das ist für Alexa völlig inakzeptabel und bringt ihren eigenen Auftrag in Gefahr.
Mit einem Satz steht sie zwischen den Kontrahenten. Die anschließende Auseinandersetzung dauert nur einen Augenblick und die fünf Angreifer liegen kurz darauf am Boden. Der Junge schaut entsetzt auf ihre dunkele Silhouette, aber viel kann er nicht erkennen, denn durch den Kampf sind alle Lichter erloschen. Nach einer kurzen Pause greift Alexa nach seiner Hand und zieht ihn ein Stück nach hinten.
»Verdammt, was geht hier vor?« Fragt der Fremde sehr verwirrt und zieht einen kleinen Kasten aus seiner Hose. Kurz darauf erscheint wieder dieses Licht.
»Bist du unser Handelspartner?« Versucht Alexa zu erfahren, aber sie bekommt keine Antwort. Der Junge leuchtet in die Gasse und schaut auf die verteilten Körper am Boden.
»Warst du das etwa?« Fragt er Alexa und wechselt mit der Lampe direkt auf sie.
»Was hast du da in deiner Hand?« Er schaut auf sein Handy und versteht die Frage nicht.
»Was meinst du damit?« Fragt er daher sehr verwundert.
»Das leuchtende Ding meine ich«, kommt wieder von Alexa.
»Ach so, das ist mein Handy, aber warum fragst du?« Verdutzt schaut sie weiter auf das Teil in seiner Hand. Eine flache Taschenlampe, so etwas hat sie bisher noch nicht gesehen. Sie belässt es aber dabei und wiederholt ihre erste Frage. »Bist du unser Handelspartner?«
Erneut leuchtet er in die Gasse, als ob er einen neuen Angriff erwartet, aber die Gruppe liegt weiterhin am Boden und bewegt sich kein Stück.
»Sorry, ich weiß ehrlich nicht, was du damit meinst, aber trotzdem danke, du hast mich wohl gerettet. Nur wie hast du das angestellt? Bist du eine von diesen Kampfsportfrauen? Karate? Taekwondo oder sogar Ninjutsu?«
Alexa bewegt sich leicht zurück, erst jetzt begreift sie das Dilemma. Die anderen am Boden sind ihre Handelspartner, nicht dieser Junge mit den Locken. Sie reibt sich ihre Augen und wird nachdenklich. Was genau ist eigentlich geschehen? Warum kann sie sich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern? Alles ist verschwommen, aber trotzdem ist es passiert.
»Bist du verletzt?« Fragt er besorgt und beleuchtet jedes ihrer Körperteile. Beim Gesicht bleibt er hängen und öffnet seinen Mund.
»Das gibt es doch nicht, du bist eine von diesen Ausgestoßenen. Das kann jetzt echt nicht wahr sein.«
Total verblüfft schaut Alexa ihren Gesprächspartner an, eine Antwort bekommt er aber nicht.
»Ich bekomme eine Krise, du hast tatsächlich ein braunes und ein violettes Auge. Du bist wirklich eine von denen, das ist nicht zum Aushalten.«
Er beobachtet Alexa weiter und sie begreift endlich seine Worte. Eine der Kontaktlinsen muss sich gelöst haben, dieser Auftrag wird sicher ihr letzter sein.
»Kann ich deinen Namen erfahren?« Fragt er weiter. »Ich heiße Kylian und du hast mir wirklich das Leben gerettet. Wie kann ich mich dafür erkenntlich zeigen?«
»Das beste wäre, du verschwindest ganz schnell von hier. Ich bin keine von den Guten und wir sollten uns auch nicht unterhalten«, antwortet Alexa endlich auf das drängen. »Außerdem ist das Lila und nicht Violett.«
»Jetzt komm schon, nur ein Name, ich möchte mich doch an dich erinnern. Viel Zeit werden wir nicht mehr haben, denn die rappeln sich bestimmt gleich wieder auf.«
Kylian schaut noch mal in die Gasse und sieht weiterhin keine Regung, die müssen echt hart getroffen worden sein. Im Augenwinkel nimmt er eine Bewegung war, seine Retterin hatte sich kurz entfernt und hält jetzt ein kleines Päckchen in der Hand.
»Ich muss dich leider enttäuschen, aber die stehen nicht mehr auf«, sagt Alexa ohne ein Gefühl in ihrer Stimme. »Ich hoffe sie haben dir nichts bedeutet.«
»Was meinst du damit? Die stehen nicht mehr auf?« Fragt Kylian fast schon erschrocken.
»Sie sind nicht mehr am Leben, also stehen sie auch nicht mehr auf. Jetzt verstehst du hoffentlich, dass ich kein Umgang für dich bin.«
Einen Moment weiß Kylian sich nicht zu helfen, diese Ausgestoßene hat die Kerle doch nicht wirklich getötet? Das kann nicht stimmen, die sind nur bewusstlos, aber Angst vor dem Mädchen verspürt er trotzdem nicht.
»Sag mir bitte deinen Namen, das ist mir echt wichtig.«
»Alexa«, kommt noch von ihr und dann ist sie verschwunden. Kylian schaut sich um, sie hat sich einfach aufgelöst, also war sie wirklich eine Ausgestoßene. Niemals hätte er damit gerechnet, einen von denen mal zu begegnen und jetzt hat er sogar mit einer geredet.
»Alexa«, wiederholt er leise ihren Namen. Dieses Mädchen wird ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen, aber jetzt muss er hier weg. Wenn diese Jungs wirklich tot sind, befindet er sich in großer Gefahr und was wird Sascha wohl dazu sagen?
Zurück durch die Gasse möchte er nicht, die Körper am Boden sind sehr unheimlich, dieses Mal nimmt er lieber den Umweg in Kauf. Das Gespräch mit der Unbekannten hat ihn vollkommen aus der Bahn geworfen, sogar seine eigenen Schmerzen hat er dabei vergessen. Aber langsam werden sie ihm bewusst, auch seine Lippe scheint zu bluten. Sein Magen fühlt sich verschoben an und jeder Schritt lässt ihn aufstöhnen. Wenn das Mädchen nicht aufgetaucht wäre, würde er jetzt dort liegen. Aber sind die wirklich nicht mehr am Leben? Hat sie die alle umgebracht, einfach so ohne ein Hilfsmittel? Das kann nicht sein…