Читать книгу The Sixth Birthday - Arnd Frenzel - Страница 9

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Alexa hat sich auf den letzten freien Platz in der Klasse gesetzt und schaut sich enttäuscht um. Sie hatte jetzt einen Mix aus verschiedenen Altersklassen erwartet, aber hier befinden sich nur gleichaltrige und die meisten von denen hat sie noch nie gesehen. Dass ihr erster Schultag der neuen Stufe direkt auf ihren Geburtstag fällt, muss also ein Zufall sein, sie kann sich nämlich nicht vorstellen, das alle anwesenden am gleichen Tag die 16 erreicht haben.

Ihr spätes Auftauchen hat keinen Ärger gebracht, David hat ihr einmal zugenickt und sich dann wieder abgewandt. Er gehört schon zur älteren Generation und sieht mit seiner Glatze auch nicht wie ein Ausgestoßener aus. Seine Lehrerrolle beherrscht er dafür perfekt, streng soll er sein, dafür aber gerecht.

Nur was soll das Ganze jetzt hier? Alle anderen Schauen gespannt nach vorne und warten auf den erneuten Beginn des Lehrers. Der Schulraum selber ist ziemlich groß und es sind weit mehr als 30 Schüler anwesend. Trotzdem fehlt ein wichtiges Detail, keiner hat einen Tisch vor sich, niemand wird irgendwelche Unterlagen bekommen und so hat Alexa sich ihre erste Stunde wirklich nicht vorgestellt.

David schaut sich nacheinander jeden Schüler einmal an und setzt sich dann auf einen Stuhl, der allen anderen gegenüber steht. Sein Blick bleibt am Ende bei Alexa hängen, was ihr ein noch ungemütlicheres Gefühl beschert.

»Wir sind jetzt vollzählig, daher kann ich endlich beginnen«, fängt David seinen Unterricht an. Seine Augen haben sich wieder der ganzen Klasse zugewandt, so kann Alexa zur Ruhe kommen und dem Gesagten lauschen.

»Ihr habt sicher eine Menge Fragen, das kann ich natürlich verstehen, aber es wäre jetzt angebracht, erst einmal zuzuhören.« Er legt eine kurze Pause ein, streichelt sich dabei unbewusst über seine Glatze und beobachtet seine Klasse. Wieder bleibt sein Blick bei Alexa hängen, vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie den hintersten Platz besetzt und nach ihr niemand mehr kommt.

»Die letzte Klasse bedeutet auch der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Lange habt ihr darauf gewartet, vielleicht sogar die Tage gezählt, aber nichts ist aufregender als die erste Stunde.«

Alexa rutscht ein wenig auf ihren Stuhl herum und kommt sich gerade sehr einsam vor. Die Erwartungen, heute schon einen großen Schritt zu machen, sind völlig nach hinten losgegangen. Ihre Mitschüler schauen aber weiter gespannt nach vorne, als ob jetzt der Weltuntergang drohen würde, dabei geht es nur um unwichtigen Dreck.

»Alexa?« Schreit David von vorne. »Langweile ich dich vielleicht mit meinem Unterricht? Du kannst auch gerne wieder gehen und dich einer anderen Klasse anschließen. Wie wäre es denn mit Technik? Soll ich für dich mal nachfragen gehen, die haben sicher noch etwas frei, das würde mir auch nichts ausmachen.«

Das hat gesessen, Alexa richtet ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne und schaut ihren Lehrer unschuldig an.

»Nein David, es ist alles gut. Ich dachte halt nur….«

»Das Denken wird in der ersten Stunde aufs Zuhören beschränkt, das zählt auch für dich. Wenn ich jetzt aber deine Aufmerksamkeit wieder habe, kann ich ja fortfahren.«

Sie kann es zwar nicht sehen, aber es scheint, als würde sie tatsächlich rot anlaufen. In einem ist sie sich aber jetzt sicher, David ist wirklich streng, denn diese Szene war genau sein Ding.

»Das, was ich euch jetzt erzähle, ist auch nur für eure Ohren bestimmt. Ihr seid die Elite, ihr seid das Aushängeschild dieser Station. Ohne euch läuft hier nichts. Dafür habt ihr auch den schwierigsten Part, lebt in ständiger Angst und bekommt Aufträge, die andere niemals ausführen würden.«

Eine weitere kurze Pause entsteht, aber niemand zeigt eine Reaktion und sehr zufrieden fährt David mit seiner Rede fort. Immer wieder geht seine Hand über seinen Kopf, als ob er selber nervös wäre.

»Wir fangen jetzt mit Geschichte an, aber nicht diesen Schwachsinn aus den ersten Klassen, sondern die echte Geschichte dieser Station und unserer Herkunft.«

Darauf zeigen auch die anderen Schüler eine Reaktion. Die echte Geschichte, das hört sich irgendwie unwirklich an, aber sofort erhebt sich David von seinem Stuhl und alles ist wieder ruhig.

»Wir sterben langsam aus, das ist ein reales Phänomen, welches ihr unbedingt wissen müsst. Der Nachschub an neuen Kindern ist fast versiegt und wir können noch nicht mal die ersten Klassen vernünftig füllen. Das Ganze hat nach unseren Nachforschungen zwei Gründe ergeben. Erstens haben wir an der Oberfläche kaum noch fähige Schleuser, die uns die Nachkömmlinge bringen. Und zweitens werden auch nicht mehr viele von uns geboren. Vor 20 Jahren war jedes 1000. Kind betroffen, heute soll es nur noch jedes 10000. sein. Warum das so ist, kann sich keiner erklären, aber in ein paar Jahren gehen uns wohl die Leute aus. Wir werden immer weniger und das macht sich langsam bemerkbar. Und wenn ihr jetzt damit gerechnet habt, zu erfahren, wer oder was wir sind, muss ich euch leider enttäuschen, denn dieses Wissen habe ich nicht.«

Eine längere Pause durchzieht jetzt den Klassenraum, vielleicht haben wirklich einige damit gerechnet, endlich Antworten auf die Fragen zu bekommen. Alexa verhält sich ungewöhnlich ruhig, sie muss das Erfahrende sacken lassen, aber einer ihrer Klassenkameraden möchte gerne etwas loswerden und rutscht sehr unruhig auf seinem Platz hin und her. David erlöst den Jungen endlich und lässt ihn aufstehen. »Ich habe eine wichtige Frage zu dem Thema und die brennt mir schon den ganzen Morgen auf der Zunge.« Anstatt darauf zu antworten, nickt der Lehrer ihm zu.

»Können wir uns nicht selber fortpflanzen?« Nach seiner Frage setzt sich der junge Mann wieder nieder und lässt erkennen, dass ihm diese sehr peinlich war.

»Dillen nicht wahr?«, fragt David und fährt ohne Antwort fort. »Du meinst Sex oder das daraus resultierende Kinder gebären. Wenn dich solche Fragen so brennend interessieren, dann verstehe ich nicht, warum du nicht Biologie gewählt hast, aber die Antwort kann sogar ich dir geben. Nein, wir können uns nicht fortpflanzen. Unseren Frauen ist es leider verwehrt selber Kinder zu bekommen und unsere Männer können keine machen. Wir sind unfruchtbar, das ist leider ein Fakt, aber die genauen Einzelheiten ersparen wir uns lieber, denn das steht auch nicht an der Tagesordnung.«

Damit ist diese wichtige Frage auch geklärt, die Station stirbt langsam aus. Mit so einem Szenario hat Alexa jetzt nicht gerechnet, der Unterricht ist zwar endlich aufregend, aber die Thematik ist wirklich nichts für schwache Nerven. Ein wenig wird darüber noch gesprochen, aber richtig wichtige Punkte kommen nicht mehr hinzu. Danach ist das Thema beendet und David schließt die ersten Schulstunden ab. Er winkt allen noch einmal zu und schickt sie anschließend in die große Pause. Eine Stunde Freigang steht an und dann geht es weiter…

The Sixth Birthday

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