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Ingeborg Hunzinger

Frauenprotest 1943 (1995)

Rosenstraße

Straße der Rosen

Geht man in der Karl-Liebknecht-Straße spazieren, kann man die kleine Nebenstraße leicht übersehen und auch sonst keinen Grund haben, in ihre Richtung einzuschlagen. Der Weg, der jetzt einem beliebigen Übergang zwischen den verbliebenen Kulissen des Sozialismus scheint, existierte bereits im 16. Jahrhundert und hieß – aus gutem Grund – Hurengasse. Hundert Jahre später bekam die Straße ihren derzeitigen Namen, der damals immer noch den gleichen Sachverhalt – nur sanfter und spielerischer – beschrieb. Die Straße hatte auch danach einen Sinn, denn in der Weimarer Zeit fuhr dort, in der dicht bebauten, von den sozialistischen Stadtplanern zu jener Zeit noch nicht zerstückelten Gegend des Alexanderplatzes, immerhin eine Straßenbahn.

Anfang März 1943 passierte etwas Einmaliges und auch im Nachhinein Unglaubliches in der Rosenstraße. Eine Woche lang demonstrierten nichtjüdische Mütter und Ehefrauen für die Freilassung ihrer jüdischen Söhne und Ehemänner vor dem ehemaligen Wohlfahrtsgebäude der Jüdischen Gemeinde. Die Protestierenden sind heil davongekommen, die Gefangenen wurden freigelassen, sogar die von ihnen bereits nach Auschwitz Deportierten zurückgeholt.

Bis vor einigen Jahren setzte man einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem als unmöglich erscheinenden Protest und der überraschenden Freilassung voraus. Neuere Forschungen und Dokumente widerlegten diese Annahme – wenn auch nicht die Adjektive.

Die Nazis begannen Ende Februar 1943 die noch nicht verschleppten Juden einzusammeln und zu deportieren. Diesbezügliche Verordnungen belegen jedoch, dass für die in »Mischehen« lebenden Juden lediglich eine Registrierung vorgesehen war. Warum sollte man jene registrieren, die bereits ohnehin aufgelistet waren? Welche Rolle spielte die Demonstration dabei, dass sie nicht verschleppt wurden? Waren jene, die von ihnen nach Auschwitz mussten, irrtümlich abtransportiert?

Man kann nur raten. Nach Goebbels Tagebuch war für die Naziführung die Stimmung der Berliner Bevölkerung, besonders nach den Bombenangriffen auf die Stadt, nicht völlig gleichgültig. Die Demonstration der Frauen in der Rosenstraße als einzigartiger Akt des öffentlichen Protestes im Dritten Reich stellt eine wichtige Frage nach den Möglichkeiten des Widerstandes in der NS-Zeit und lässt sie zugleich ohne eine schlüssige Antwort.

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