Читать книгу Berliner Miniaturen - Attila Schauschitz - Страница 20
ОглавлениеUrsula Sax
Looping, 1992
Messedamm/Halenseestraße
Purzelbaum
Die große Frage einer großen Stadt ist, ob sie nur auf Autos oder auch auf Menschen zugeschnitten ist. Das Straßennetz des künftigen Berlins mit mehreren Millionen Einwohnern wurde im Jahre 1862 von einem 37jährigen Stadtrat, James Hobrecht, gezeichnet. Er bestimmte die Breite der Straßen und die Höhe der Häuser. In die Zukunft konnte er nicht sehen, und irgendwie hat er es doch getan. Infolge seiner Geräumigkeit ist Berlin die einzige mitteleuropäische Stadt, die auch 150 Jahre später dem Sturm von Autos standhält.
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war das traditionelle Stadtbild Westberlins von einer Zerstörung bedroht, die das Werk des 2. Weltkriegs vollendet hätte. Entsprechend der Idee einer modernen Großstadt wurden Wohnsiedlungen anstelle der alten Mietshäuser geplant, und man dachte die wichtigste Funktion der Stadt im freien Strom von Kraftfahrzeugen gefunden zu haben. Große Theoretiker der modernen Architektur und Beamte des Berliner Senats hatten ihr gemeinsames Schlüsselwort: Autobahn!
Um die Stadt des 19. Jahrhunderts zu schützen, entfaltete sich eine einzigartige soziale Bewegung. Nach ihrem Prinzip, das heute freilich als völlig absurd erscheint, sollten über die Zukunft einer Stadt ihre Bewohner und nicht die mit ihren Modellen spielenden Architekten, die städtischen Bürokraten sowie Immobilienspekulanten entscheiden. Es gelang schließlich, die Zerstörung wenigstens zu begrenzen.
Eine Autobahn ist zweifellos zeitgemäß, weil man darauf rasend vorwärtskommen kann. Man sollte nur den Nachteil einkalkulieren, dass die Verödung der Seele proportional zur Geschwindigkeit wächst. Die Arbeit von Ursula Sax steht in einer solchen Gegend Berlins, die von der Stadtautobahn beherrscht wird, wo ein Fußgänger als Fremdkörper erscheint. DasLooping bäumt sich heiter und ungezwungen gegen eine Situation auf, welche die Künstlerin als »Un-Stadt« bezeichnete. Der Druck in den Händen, die das Lenkrad krampfhaft umklammern, wird durch die Lockerheit des sich munter drehenden und windenden gelben Bandes gelöst.