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VIII. (Nr. 13.) An Nebridius

Geschrieben im Jahre 389.

An Nebridius.

Inhalt. Nebridius hatte an Augustinus die Frage gestellt, ob die vom Leibe getrennte Seele nicht eine Art von Leiblichkeit besitze und wie diese zu denken sei. Augustinus erklärt diese Frage für durchaus unlösbar und deshalb unnütz. Da Augustinus in diesem Briefe des Winters und eines vorausgegangenen Besuches bei Nebridius erwähnt, so ist er offenbar später als die vorausgegangenen geschrieben.


1.

Alltägliches mag ich nicht, Neues kann ich dir nicht schreiben; denn jenes genügt dir nicht, wie ich sehe, zu diesem aber fehlt mir die Zeit. Denn seit ich dich verlassen habe, war mir keine Muße gegeben, keine Gelegenheit, um das, was wir miteinander zu untersuchen pflegen, weiter zu erwägen und zu überlegen. Die Winternächte sind zwar lang, und ich gedenke keineswegs, sie ganz mit Schlafen hinzubringen; aber wenn ich Ruhe habe, so denke ich lieber an das, was notwendig der Ruhe ein Ende machen muß. Was soll ich also tun? Soll ich gegen dich stumm oder verschwiegen sein? Weder du noch ich wollen das. Wohlan also! Empfange denn, was der letzte Rest der Nacht mir zu entlocken vermochte, soweit sie nämlich, während ich dieses schrieb, verstrich.


2.

Du mußt dich nämlich erinnern, daß wir oft miteinander über eine gewisse immerwährende Leiblichkeit der Seele oder eine Art von Leib der Seele, den, wie du dich erinnerst, einige das Fahrzeug der Seele nennen, gesprochen haben; du weißt wohl auch, daß uns diese Sache sehr in Anspruch nahm und in Hitze brachte. Offenbar ist dies aber dem Verstande nicht faßbar, da es sich um eine räumliche Bewegung handelt. Was aber dem Verstande nicht faßbar ist, das kann man überhaupt nicht erkennen. Wenn sich aber etwas dem Verständnis entzieht, so ist es doch, wofern die Sache wenigstens den Sinnen zugänglich ist, nicht durchaus unmöglich, sich darüber irgendeine wahrscheinliche Meinung zu bilden. Wenn aber etwas ebensowenig dem Verstande als den Sinnen zugänglich ist, so kann man darüber nur eine verwegene und wertlose Meinung hegen; und so ist es im vorliegenden Fall, wofern er überhaupt vorliegt. Warum also, ich bitte dich, geben wir nicht diese armselige Streitfrage auf und wenden uns nach inbrünstiger Anrufung Gottes zur höchsten Klarheit der Natur, die den Gipfel des Lebens darstellt?


3.

Hier könntest du vielleicht einwenden: „Obwohl die Körper eigentlich nicht begriffen werden können, so kann man doch mit dem Verstande vieles begreifen, was sich auf die Körper bezieht, z, B. die Existenz eines Körpers. Denn wer sollte diese Behauptung leugnen oder sie nur für wahrscheinlich, nicht für wahr erklären? Wenn also auch das Wesen eines Körpers nur mit Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann, so ist doch die Existenz eines solchen Körpers in der Natur unbestreitbar. Deshalb erklärt man die Körper für sinnlich wahrnehmbar, die Existenz der Körper aber für geistig erkennbar; denn anders könnten sie nicht begriffen werden. So weiß ich nicht, was jener fragliche Körper sei, dessen sich die Seele bedienen soll, um sich von einem Orte zum anderen zu bewegen, wiewohl er, wenn auch nicht unseren Sinnen, so doch gewissen anderen weit kräftigeren Sinnen wahrnehmbar sein mag; ob er aber wirklich existiere, kann nur geistig erschlossen werden.“


4.

Wenn du diesen Einwurf machst, so erinnere dich bitte daran, daß das, was wir ‚erkennen’ heißen, in uns auf zweierlei Weise geschieht: entweder innerlich durch den Verstand und die Vernunft selbst, so z. B. wenn wir erkennen, daß es eine Erkenntnis gibt, oder durch Anregung von seiten der Sinne, z. B. wenn wir, wie bereits gesagt, erkennen, daß ein Körper vorhanden ist. Von diesen beiden Erkenntnisarten vollzieht sich die eine durch uns selbst, d. h. indem wir, so viel an uns liegt, Gott zu Rate ziehen. Die zweite Art aber vollzieht sich, indem die körperlichen Dinge und die Sinneswahrnehmungen auf uns einwirken, wobei wir nichtsdestoweniger ebenfalls Gott zu Rate ziehen müssen. Wenn sich dies nun so verhält, so kann niemand wissen, ob es einen solchen Körper gibt, außer es hätten ihm die Sinne hierüber Auskunft gegeben. Da wir aber über seine Existenz keine Gewißheit haben können, so glaube ich auch durchaus, daß, wie ich schon vorher sagte, die Frage, zu welcher Gattung von Wesen er — seine Existenz vorausgesetzt — gehöre, nicht von uns zu lösen sei. Möchtest du dies wiederholt bedenken und mich wissen lassen, zu welchem Ergebnis du hierbei gekommen bist.

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