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ОглавлениеXX. (Nr. 34.) An Eusebius
Geschrieben im Jahre 396.
An den verehrtesten Herrn, den nach Verdienst hochzuachtenden und ehrwürdigen Bruder Eusebius
Inhalt. Der heilige Augustinus wendet sich im vorliegenden Briefe an Eusebius, der Staatsbeamter gewesen zu sein scheint und die Donatisten begünstigte, um ihm einen schweren Fall donatistischer Wiedertaufe, der sich in Hippo ereignet hatte, zu berichten; er ersucht ihn, feststellen zu lassen, ob Proculeianus, der donatistische Bischof von Hippo, jene Wiedertaufe angeordnet oder ob sie der Priester Victor aus eigener Vollmacht vollzogen habe. Wiederum bietet der heilige Augustinus dem Proculeianus durch Eusebius ein Religionsgespräch an.
1.
Gott, dem die Geheimnisse des menschlichen Herzens offenkundig sind, weiß, daß ich zwar den Frieden unter den Christen überaus liebe, ebenso aber auch die gottesräuberischen Handlungen derer verabscheue, die in unwürdiger und gottloser Weise unaufhörlich diesen Frieden in Zwiespalt verkehren. Er weiß, daß ich trotz dieses Abscheues in meiner Seele nach Frieden verlange, daß ich auch nicht beabsichtige, jemanden wider seinen Willen zur Gemeinschaft mit der katholischen Kirche zu zwingen. Vielmehr soll allen Irrenden die offenbare Wahrheit erklärt werden, damit sie mit Gottes Beistand durch unsere Vermittlung ans Licht komme und sich selbst jeglichem empfehle, daß er sie annehme und ihr folge.
2.
Kann es aber, ich frage dich, etwas Abscheulicheres geben, als was — um von anderem zu schweigen! — eben jetzt geschehen ist? Von seinem Bischof wird ein junger Mann bestraft, der häufig mit Schlägen gegen seine Mutter wütet und seine ruchlosen Hände nicht einmal an jenen Tagen, an denen die Strenge der Gesetze sogar der ärgsten Verbrecher schont123, ruhen läßt, sondern auch dann den Leib, der ihn geboren hat, mißhandelt. Ja er droht derselben Mutter, auf die Seite der Donatisten zu treten und sie, die er mit unglaublicher Wut zu schlagen pflegt, auch noch zu töten. Er droht es ihr, geht zu den Donatisten über, wird in der Raserei seines Zornes getauft und, lechzend nach dem Blute der Mutter, mit weißen Kleidern angetan. Da steht er innerhalb des Chores an hervorragender Stelle, allen sichtbar; den Augen der seufzenden Menge wird er, der auf Muttermord sinnt, als ein Wiedergeborener vorgestellt.
3.
Kann dir, einem durchaus ernst zu nehmenden Manne, solches Tun gefallen? Das kann ich unmöglich von dir glauben; ich kenne ja dein gewiegtes Urteil. Die leibliche Mutter wird an dem Körper geschlagen, der den Undankbaren geboren und ernährt hat; und da die Kirche, die geistige Mutter, es verbietet, so wird auch sie verwundet, und zwar in den Sakramenten, mit denen sie den Undankbaren geboren und ernährt hat. Hat er nicht offenbar mit dem Knirschen eines Muttermörders zu dir gesprochen: „Was soll ich der Kirche antun, die mir verbietet, meine Mutter zu schlagen? Ich weiß, was ich tue. Auch ihr soll alle mögliche Unbill zugefügt werden; ich will tun, worüber ihre Glieder Schmerz empfinden sollen. Ich will mir das Vergnügen machen, zu jenen zu gehen, die es verstehen, die Gnade, in der ich der Kirche geboren bin, wegzuwischen, die Gestalt, die ich in ihrem Schoße empfangen habe, zu zerstören. Meine beiden Mütter will ich mit grausamen Qualen martern. Die mich später geboren hat, erfahre es zuerst. Bei dem Schmerze der einen werde ich dem Geiste nach sterben, durch den Mord der anderen dem Fleische nach leben.“ Was erwarten wir anderes, verehrter Eusebius, als daß er, der nunmehr zu den Donatisten übergegangen ist, gegen das altersschwache Weib, die hilflose Witwe, die Waffen ergreift, da die katholische Kirche ihn bisher von solchem Mord zurückgehalten hat? Hat er denn einen anderen Entschluß in seinem rasenden Herzen gefaßt, als er zu seiner Mutter sprach: „Ich will zu den Donatisten übertreten und dein Blut trinken“? Sieh, mit blutbeflecktem Gewissen, aber in weißen Gewändern hat er den ersten Teil seines Versprechens schon erfüllt; den zweiten, das Blut der Mutter zu trinken, muß er noch wahr machen. Finden solche Vorsätze deinen Beifall, dann mögen seine Kleriker und Heiligmacher ihn drängen, noch innerhalb der Oktave sein ganzes Gelübde zu erfüllen.
4.
Mächtig ist zwar die Hand des Herrn, seine Wut gegen die arme, verlassene Witwe zu bändigen und ihn auf erprobten Wegen von seinem verbrecherischen Vorhaben abzuschrecken. Sollte aber ich nicht wenigstens bei einem so schmerzlichen Vorfalle meine Stimme erheben? Soll jenen solches erlaubt sein, während man mir zuruft: „Schweige!“? Der Herr bewahre mich vor der Torheit, daß ich mich durch ihren Zorn erschrecken lasse und schweige, während er mir doch durch seinen Apostel befiehlt, der es als Aufgabe des Bischofs bezeichnet, „zu widerlegen die, die falsche Lehren aufstellen“124. Wenn ich also Sorge trug, daß ein so ungeheurer Frevel in den Staatsakten verzeichnet werde, so geschah dies deshalb, damit niemand, vorzüglich nicht in anderen Städten, sobald es ihm paßt, meine, ich hätte, was ich beklage, nur erdichtet. Sagt man ja sogar schon zu Hippo, Proculeianus habe gar nicht das befohlen, was ihm amtlich zugeschrieben wird.
5.
Kann ich also vorsichtiger vorgehen, als eine so wichtige Sache durch dich zu verhandeln, einen Mann, der sich in den höchsten Würden befindet und mit so ruhiger Besonnenheit zu Werke geht? Noch einmal bitte ich, wie ich dich schon durch gute und ehrbare Männer gebeten habe, die ich zu deiner Erhabenheit gesandt: forsche doch nach, ob Victor, der Priester des Proculeianus, von seinem Bischof den Auftrag erhalten hat, das zu tun, was der amtliche Bericht enthält, oder ob etwa auch Victor eine andere Erklärung gegeben, die Zeugen aber, da sie seiner Kirchengemeinschaft angehören, falsche Angaben zu Protokoll gegeben haben. Ist aber Proculeianus geneigt, in friedlicher Verhandlung alle zwischen uns schwebenden Streitfragen zu verhandeln, so bin ich gern zufrieden, damit der offenbare Irrtum sich noch offenbarer zeige. Wie ich nämlich gehört habe, hat er den Wunsch ausgesprochen, es möchten unter Vermeidung jeglicher Aufregung des Volkes zehn ernste und gewissenhafte Männer von jeder Partei aus der Heiligen Schrift die Wahrheit erforschen. Hat er aber etwa, wie mir von einigen berichtet worden ist, sein Erstaunen geäußert, warum ich nicht nach Constantina125 gegangen bin, als sich ihrer mehrere dort befanden, oder die Forderung aufgestellt, ich solle nach Mileve126 gehen, wo sie, wie man behauptet, nächstens ein Konzil halten wollen, so ist das lächerlich; denn es handelt sich nicht um meine eigene Person, sondern um die Kirche von Hippo. Ich habe es in der ganzen Angelegenheit vorzüglich mit Proculeianus zu tun. Wenn er sich mir nicht gewachsen glaubt, so mag er die Hilfe irgendeines Amtsbruders in Anspruch nehmen. Denn wir tun in anderen Städten nur, was uns unsere Mitbrüder und Mitbischofe, die in den betreffenden Städten ihren Sitz haben, gestatten oder auftragen.
6.
Indessen verstehe ich nicht, was er, der sich seit so vielen Jahren Bischof nennt, eigentlich von mir, dem Neuling, befürchtet, daß er sich in kein Gespräch einlassen will. Was die Kenntnis der freien Künste anbetrifft, die er vielleicht gar nicht oder weniger als ich erlernt hat, was hat sie mit der Frage zu tun, die uns beschäftigt und aus der Heiligen Schrift und kirchlichen und weltlichen Aktenstücken zu entscheiden ist? Mit solchen Dingen beschäftigt er sich jedoch schon seit so vielen Jahren, daß er in ihnen mehr bewandert sein sollte als ich. Doch befindet sich hier mein Bruder und Amtsgenosse Samsucius, Bischof von Turris127, der jene Kenntnisse nicht erlernt hat, vor denen sich offenbar Proculeianus fürchtet. Er soll sich ihm stellen und mit ihm verhandeln. Ich will ihn bitten — und er wird mir, wie ich im Namen Christi vertraue, gern den Gefallen erweisen —, in dieser Sache meine Stelle zu vertreten. Und der Herr wird ihm, wie ich ebenfalls hoffe, zur Seite stehen, da er für die Wahrheit kämpft und im Glauben unterrichtet ist, mag auch seine Rede der Glätte entbehren. Es liegt also keine Veranlassung vor, die Sache auf irgendwelche andere Leute zu schieben, bloß damit sie nicht unter uns ausgetragen werde, obwohl sie uns angeht. Will jener sie jedoch zu Hilfe rufen, so habe ich, wie bemerkt, gar nichts dagegen.