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X. (Nr. 16.) Maximus Madaurensis an Augustinus

Geschrieben im Jahre 390.

Von Maximus Madaurensis an Augustinus.

Inhalt. Der heidnische Philosoph Maximus in Madaura bittet Augustinus, ihm in schlichten Worten das Wesen der Gottheit zu erklären. Er verteidigt den Polytheismus der Römer, obwohl er anerkennt, daß all die vielen Götter nur Ausstrahlungen des einen, unbekannten Gottes seien, und verspottet die merkwürdigen Namen der punischen Heiligen.


1.

Da ich wünsche, häufig durch Nachrichten von dir erfreut zu werden, und Verlangen nach deiner Logik trage, mit der du mich kurz vorher auf so angenehme Weise, ohne Verletzung des Taktes, angegriffen hast, so unterlasse ich es nicht, dir in demselben Geiste zu antworten, da du sonst mein Schweigen als ein Eingeständnis meiner Niederlage ansehen könntest. Doch bitte ich dich: leihe diesen Sätzen ein freundliches Gehör, auch wenn du in ihnen die Schwäche des Alters spüren solltest.

Die griechische Mythologie berichtet uns, allerdings ohne genügende Sicherheit, daß der Olymp die Wohnung der Götter sei. Aber tatsächlich sehen wir, daß das Forum unserer Stadt von einer Menge gütiger Götter in Besitz genommen ist; und wir billigen es. Wer könnte denn auch so toll und verblendet sein, in Abrede zu stellen, daß es einen höchsten Gott gibt, ohne Anfang, ohne Erzeugung, der in der Tat der große und mächtige Vater des Alls ist? Seine Kräfte, die durch das ganze Weltall verstreut sind, sind es, die wir unter vielen Namen anrufen, da wir ja alle seinen eigentlichen Namen nicht kennen. Denn ‚Gott’ ist ein allen Religionen geläufiger Begriff. So kommt es, daß wir uns einzelnen Gliedern von ihm in mannigfachen Bitten nähern, in Wirklichkeit aber offenbar ihn, in dem sich all diese Teile vereinigen, verehren.


2.

Aber daß ich unmöglich über die Größe deines Irrtums hinwegsehen kann, will ich dir nicht verheimlichen. Könnte in der Tat jemand schweigen, wenn dem Blitze schleudernden Jupiter ein Miggo vorgezogen wird? Der Juno, Minerva, Venus, Vesta eine Saname? Allen unsterblichen Göttern aber — o Frevel! — der Erzmärtyrer Namphanio? Wird doch auch unter jenen Lucitas mit nicht geringer religiöser Verehrung betrachtet, und ebenso andere in unbegrenzter Zahl (Namen, die verabscheut sind von Göttern und Menschen), die dann, wenn sie das schmachvolle Ende fanden, das ihnen Charakter und Haltung verdient hatten, ihre Verbrechen krönten, indem sie einen edlen Tod vortäuschten, obwohl sie sich doch ihrer verabscheuungswürdigen Taten bewußt waren. Solcher Personen Grabmäler (wenn man es überhaupt erwähnen soll!) besuchen nun die Toren, die unsere Tempel verlassen und die Götter ihrer Vorfahren vernachlässigen, so daß die Weissagung jenes grollenden Dichters erfüllt ist: „In Tempeln der Götter schwört Rom bei Schatten von Menschen.“18.

Mir wenigstens scheint es, als ob zu dieser Zeit ein zweiter aktischer Krieg begonnen habe, in dem ägyptische Ungeheuer, zu baldigem Untergange bestimmt, es wagen, ihre Waffen gegen die Götter der Römer zu kehren.


3.

Aber, du weisester Mann, ich beschwöre dich: laß doch beiseite jene Kraft der Beredsamkeit, durch die du bei allen berühmt bist, und verzichte auf sie; laß auch die Beweisgründe eines Chrysippus19, die du in der Debatte zu verwenden pflegtest; laß auch auf kurze Zeit deine Dialektik, die doch niemandem etwas Rechtes sagen kann, auch wenn sie alle Kräfte aufbietet. Zeige mir lieber mit schlichten Worten, wer jener Gott ist, den ihr Christen wie euer eigen für euch in Anspruch nehmt und den ihr an verborgenen Orten gegenwärtig zu sehen behauptet. Denn wir verehren unsere Götter im hellen Tageslicht, offen, vor aller Sterblichen Auge und Ohr, mit frommen Gebeten, wir stimmen sie uns durch wohlgefällige Opfer gnädig, und wir tragen Sorge, daß das von allen gesehen und gebilligt wird.


4.

Doch Erörterungen darüber hinaus muß ich ablehnen, da ich alt und krank bin, und aus freien Stücken pflichte ich der Meinung des gelehrten Mantuaners bei:

„Denn jeglichen zieht sein Vergnügen“20.

Zum Schluß noch eins. Ich zweifle nicht, erlauchter Mann, der du dich von dem, was ich bekenne, abgewandt hast, daß dieser Brief von irgendeinem Dieb gestohlen werden oder durch Feuer oder auf andere Weise untergehen kann. In diesem Falle ist nur das Papier verloren, nicht mein Brief, da ich von ihm eine Abschrift zurückbehalten will, die allen Frommen zugänglich sein soll. Mögen dich die Götter behüten, mit deren Hilfe wir alle, die wir sterblich auf der Erde wandeln, zwar auf tausendfache Weise, aber doch in tatsächlicher Harmonie, ihn, der da ist der gemeinsame Vater der Götter und aller Sterblichen, verehren und anbeten.

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