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XXI. (Nr. 35.) An Eusebius

Geschrieben im Jahre 396.

An den erlauchten Herrn, den nach Verdienst zu verehrenden und geliebtesten Bruder Eusebius.

Inhalt. Eusebius hatte auf den vorigen Brief gereizt geantwortet, er könne nicht den Schiedsrichter abgeben zwischen Proculeianus und Augustinus; doch hatte er den Proculeianus nicht um das gefragt, was Augustinus gewünscht hatte, vielmehr ihn wegen jenes Falles in Schutz genommen und entschuldigt. Augustinus verteidigt sich nun wegen seines ersten Briefes, bittet nochmals, Eusebius möge dem Proculeianus die gewünschten Fragen vorlegen, und zählt weitere Beispiele donatistischer Zuchtlosigkeit und Verfolgungssucht auf. Proculeianus selbst gebe ihm keine Antwort, ja nehme nicht einmal seine Briefe an; deshalb sehe er sich gezwungen, die Vermittlung des Eusebius in Anspruch zu nehmen.


1.

Nicht ich habe als lästiger Mahner und Bittsteller deinem widerstrebenden Willen die Aufgabe auferlegt, den Schiedsrichter zwischen Bischöfen zu machen. Wäre es aber auch meine Absicht gewesen, dich dazu zu bewegen, so könnte ich vielleicht unschwer nachweisen, daß du allerdings in einer so offenkundigen und unzweideutigen Sache zwischen uns richten könntest; auch könnte ich deine Handlungsweise näher beleuchten, wie du schon jetzt, ohne die Parteien gehört zu haben, unbedenklich der einen Partei das Recht zuschreibst, obwohl du von einem ordentlichen Gerichte nichts wissen willst. Ich lasse dies aber, wie gesagt, vorläufig auf sich beruhen. Nur um das eine aber hatte ich deine sehr zu verehrende Güte angesprochen, worauf ich wenigstens in diesem Briefe zu achten bitte: du mögest den Proculeianus fragen, ob er seinem Priester Victor jenen Auftrag gegeben, von dem im amtlichen Berichte die Rede ist, oder ob etwa die abgesandten Auskunftspersonen nicht, was sie von Victor gehört, sondern eine Lüge zu Protokoll gegeben haben, schließlich, was er von einer Erörterung der ganzen zwischen uns schwebenden Frage halte. Ich meine nun, daß man durch die Bitte, jemanden fragen und die erhaltene Antwort mitteilen zu wollen, noch nicht zum Richter aufgestellt sei. Auch diesmal bitte ich, diese Mühe auf dich zu nehmen; denn wie ich schon erfahren habe, will er keinen Brief von mir annehmen. Täte er dies, dann würde ich nicht durch deine Herrlichkeit mit ihm unterhandeln. Da er sich aber weigert, kann ich da milder vorgehen, als ihn durch dich, einen so angesehenen und ihm dazu noch befreundeten Mann über etwas zu fragen, wozu ich aus Amtspflicht unmöglich schweigen kann? Dein sittlicher Ernst hat sich allerdings darüber entrüstet, daß die Mutter vom Sohne geschlagen wurde. Aber so sagst du: „Wenn Proculeianus dies wüßte, würde er den jungen Verbrecher aus seiner Kirchengemeinschaft ausschließen.“ Darauf antworte ich kurz: „Jetzt weiß er es, also schließe er ihn auch jetzt aus!“


2.

Ich füge noch folgendes bei. Einem früheren Subdiakon der Kirche von Spanium128, Primus mit Namen, waren seine dem Gesetze der Kirche zuwiderlaufenden Besuche bei gottgeweihten Jungfrauen129 verboten worden; da er aber die heilsamen und ordnungsgemäßen Vorschriften verachtete, wurde er aus dem geistlichen Stande ausgeschlossen. Aus Zorn gegen die Zucht des Herrn ging er zu den Donatisten über und wurde von ihnen wiedergetauft. Zwei gottgeweihte Jungfrauen, die sich gleich ihm auf einem Grundstücke katholischer Christen angesiedelt hatten, verführte er zu dem gleichen Schritt oder gab ihnen wenigstens das Beispiel. Auch sie wurden wiedergetauft. Jetzt jubelt er stolz unter den abscheulichsten Ausschweifungen der Trunksucht mit den Sklaven der Circumcellionen und umherirrenden Haufen von Weibern, die deshalb keinen Mann haben, damit sie zuchtlos sein können. Er freut sich, daß ihm jetzt volle Freiheit zu schlechtem Umgange gegönnt sei, während ihm in der katholischen Kirche dies nicht gestattet war. Vielleicht weiß Proculeianus auch dieses nicht. Möge er also durch dich, einen so strengen und milden Mann, davon in Kenntnis gesetzt werden. Möge er befehlen, daß der aus seiner Kirchengemeinschaft ausgeschlossen werde, der sie nur erwählt hat, weil er in der katholischen Kirche wegen Ungehorsams und schlechter Sitten aus dem geistlichen Stande ausgeschlossen worden war.


3.

Ich jedenfalls beabsichtige, mit Gottes Gnade die Regel einzuhalten, daß ein bei den Donatisten wegen seines Lebenswandels Abgesetzter, wenn er in die katholische Kirche eintreten will, nur als Büßer aufgenommen wird, und zwar in jenem Bußgrade, zu dem er wahrscheinlich auch bei ihnen im Falle seines Verbleibens angehalten worden wäre. Aber erwäge, ich bitte dich, wie abscheulich jene handeln, wenn sie die, die wir wegen ihres schlechten Lebens mit Kirchenbußen bestrafen, zu einer zweiten Taufe bereden, zu deren Erlangung sie sich als Heiden bekennen müssen. Und wieviel Märtyrerblut ist geflossen, damit dieses Wort nicht aus dem Munde eines Christen komme! Haben sie dann diese sogenannte Wiedergeburt und diese sogenannte Heiligung erlangt, so spotten sie, durch jenes Zerrbild neuer Gnade noch schlimmer geworden, mit neuer gottesräuberischer Wut der Kirchenzucht, die sie nicht ertragen konnten. Sollte ich aber unrecht tun, durch deine Wohlwollenheit eine Heilung dieser Mißstände zu erstreben, so möge doch niemand über mich klagen, wenn ich sie ihm durch amtliche Berichte zur Kenntnis bringe; denn dies kann mir nach meiner Ansicht in einer römischen Stadt130 nicht verweigert sein. Denn da uns Gott befiehlt, zu reden und sein Wort zu predigen, die „Irrlehrer zu widerlegen“131 und „zu gelegener und ungelegener Zeit“132 zu mahnen, wie aus den Worten des Herrn und der Apostel hervorgeht, so glaube ja kein Mensch, er werde mich bewegen, über diese Dinge Stillschweigen zu beobachten. Sollten sie aber an Raub und Gewalttat denken, so wird es der Herr seiner Kirche nicht am Schutze fehlen lassen; hat er doch alle Reiche der Erde in dem Schoße seiner Kirche, die über die ganze Welt ausgebreitet ist, seinem Joche unterworfen!


4.

Die Tochter eines Kirchengutspächters war bei uns Katechumene, wurde aber von den Donatisten gegen den Willen ihrer Eltern verleitet, sich bei ihnen taufen zu lassen und auch den Schleier der gottgeweihten Jungfrauen anzulegen. Als sie nun der Vater mit Strenge zur katholischen Kirchengemeinschaft zurückbringen wollte, weigerte ich mich, dieses verdorbene Weib anzunehmen, wenn es nicht selbst wollte und unbeeinflußt das Bessere erwählte. Er versuchte zwar, die Einwilligung seiner Tochter mit Schlägen herbeizuführen, doch verbot ich ihm dies sogleich. Als ich jedoch durch Spanium ging, stand der dortige Priester auf dem Grund und Boden einer achtungswerten katholischen Frau und schrie uns aufs unverschämteste nach, wir seien Traditoren133 und Verfolger. Die gleiche Beschimpfung fügte er auch der Frau zu, auf deren Grund er stand, weil sie zu unserer Kirchengemeinschaft gehört. Als ich dieses Geschrei hörte, enthielt ich mich nicht nur selbst jedes Streites, sondern besänftigte auch die mich begleitende Menschenmenge. Und doch, wenn ich sage: „Man untersuche, wer Traditor und Verfolger ist oder gewesen ist“, so antwortet man mir: „Wir wollen nicht untersuchen, wir wollen wiedertaufen. Wir wollen wie Wölfe eure Schafe mit heimlichem Bisse zerfleischen, ihr aber schweiget, wenn ihr gute Hirten seid.“ Oder meint Proculeianus wirklich etwas anderes, wenn es wirklich er selbst ist, der mir sagen ließ: „Wenn du ein Christ bist, so überlasse dies dem Urteile Gottes, wenn wir es nicht tun sollten; du schweige!“ Jener Priester hat auch gewagt, einen Landmann zu bedrohen, der Pächter eines kirchlichen Grundstückes ist.


5.

Dies alles soll, ich bitte dich, Proculeianus durch dich erfahren; möge er Einhalt tun jenem wüsten Treiben seiner Kleriker, das mich, verehrtester Eusebius, veranlaßt hat, mich an dich zu wenden. Habe also die Güte, mir zurückzuschreiben, nicht was deine Ansicht über dies alles ist — denn glaube nicht, ich wolle dir die Last des Richteramtes auferlegen! —, sondern was die Donatisten darauf antworten. Die Barmherzigkeit des Herrn bewahre dich im Glücke, erlauchter Herr, nach Verdienst zu ehrender, geliebtester Bruder!

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