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2. Die Entwicklung in Großbritannien

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Besonders hohe Wellen geschlagen hat die Compliance-Idee im Strafrecht auch in Großbritannien, wo mit dem Bribery Act 2010[28] (sog. „UK Bribery Act“) das vermeintlich schärfste Antikorruptionsstrafgesetz der Welt in Kraft getreten ist.[29] Nach den Einschätzungen in der deutschen Literatur kommt dem Gesetz auch für Deutschland immense Bedeutung zu.[30] Es ist im Vereinigten Königreich Großbritannien zum 1.7.2011 in Kraft getreten und geht in nahezu jeder Hinsicht über das US-amerikanische Pendant des FCPA (s.o. Rn. 18) hinaus. So wird neben einer individuellen Strafbarkeit wegen aktiver und passiver Bestechung sowie sog. „facilitation payments“ – also Zahlungen, mit denen die Vornahme an sich rechtmäßiger behördlicher Handlungen beschleunigt werden soll – insbesondere die Möglichkeit eröffnet, im Gegensatz zum deutschen Recht das Unternehmen selbst dann strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn es versäumt hat, Bestechungshandlungen zu unterbinden.[31] Dabei betrifft Section 7 nicht nur britische, sondern Unternehmen aus aller Welt, sofern sie nur Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich betreiben (Sec. 7 Abs. 5 UA 2 (b): „any other body corporate [wherever incorporated] which carries on a business, or part of a business, in any part of the United Kongdom“). Gem. Section 7 des Bribery Act 2010 („Failure of commercial organisations to prevent bribery“) tritt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens ein, wenn eine mit dem Unternehmen verbundene Person („associated person“) irgendwo auf der Welt im Interesse des Unternehmens eine Bestechungshandlung vornimmt (Sec. 7: „A relevant commercial organisation („C“) is guilty of an offence under this section if a person („A“) associated with C bribes another person intending (a) to obtain or retain business for C, or (b) to obtain or retain an advantage in the conduct of business for C“). Eine Person soll dann mit dem Unternehmen „assoziiert“ sein, wenn sie Dienste für das Unternehmen oder im Namen des Unternehmens erbringt (vgl. Sec. 8 Abs. 1).[32] In welcher Eigenschaft diese Dienste erbracht werden, soll unerheblich sein (Sec. 8 Abs. 2 und 3).[33] Für Mitarbeiter des Unternehmens wird widerleglich vermutet, dass sie „assoziierte Personen“ in diesem Sinne sind (Sec. 8 Abs. 5). Nach einhelliger Ansicht der bislang veröffentlichten Stellungnahmen in Deutschland[34] ist damit z.B. der Fall erfasst, in dem ein Mitarbeiter eines griechischen Joint Venture eines deutschen Unternehmens, das eine einmalige geschäftliche Beziehung zu einem Unternehmen in Großbritannien – und sei es bereits vor geraumer Zeit – unterhielt, einen Amtsträger in Bulgarien in Zusammenhang mit einem Geschäft besticht, das selbst keinerlei Bezug zu Großbritannien hat.[35] Hier soll dann die Möglichkeit bestehen, das deutsche Unternehmen mit einer – theoretisch unbegrenzten – Geldstrafe zu belegen. Auch kann das Unternehmen für Aufträge der öffentlichen Hand gesperrt werden.[36]

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An der weitreichenden Regelung des Bribery Act ist schon grundsätzlich – unabhängig von einzelnen Regelungen (vgl. noch Rn. 26) – in mehrfacher Hinsicht Kritik zu üben. Abgesehen davon, dass durch ihn jedenfalls theoretisch für einen Großteil der international tätigen deutschen Unternehmen – Großbritannien ist der drittgrößte Handelspartner der Bundesrepublik[37] – die in Deutschland nicht existierende originäre Unternehmensstrafbarkeit[38] faktisch eingeführt ist,[39] stößt auch die mit der Verabschiedung des Bribery Act erfolgte Ausweitung der Strafgewalt Großbritanniens auf Auslandssachverhalte auf größte Bedenken. So herrscht im Völkerrecht weitgehende Einigkeit jedenfalls darüber, dass die Anwendung des eigenen Strafrechts auf Sachverhalte mit Auslandsbezug einer besonderen Rechtfertigung bedarf – Voraussetzung ist stets ein „sinnvoller Anknüpfungspunkt“ oder „genuine link“.[40] Dabei steht dem normierenden Staat zwar ein weiter Ermessensspielraum zu, wenn es um die Ausgestaltung des eigenen Strafanwendungsrechts geht. Willkürlich darf die Entscheidung freilich nicht sein.[41] Schon vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Prinzipien – die auch dem deutschen Strafanwendungsrecht zugrunde liegen – überzeugt die Regelung des Bribery Act aber nicht. Denn selbst wenn man – wie im deutschen Strafanwendungsrecht – einen sinnvollen Anknüpfungspunkt (lediglich) im Rahmen einer prozessualen Tat verlangte,[42] fehlt es hieran im Bribery Act. Besteht nämlich der sachliche Grund für eine Bestrafung etwa eines deutschen Unternehmens unter strafanwendungsrechtlichen Gesichtspunkten allein darin, dass das Unternehmen irgendwann einmal Geschäfte mit (einem Unternehmen in) dem Vereinigten Königreich betrieben hat, sind auch solche Sachverhalte erfasst, in denen man beim besten Willen nicht mehr davon sprechen kann, dass der Anknüpfungspunkt noch dieselbe – prozessuale – Tat betrifft (beachte aber noch Rn. 26 a.E.). Vor allem aber fragt sich, welche Geschäftskontakte überhaupt die Anwendung des Bribery Act völkerrechtlich legitimieren können. Handelt es sich um ein deutsches Unternehmen, das nicht im Vereinigten Königreich gegründet wurde, und wird durch eine mit dem Unternehmen in Verbindung stehende Person dort eine Bestechungstat nach dem Bribery Act begangen, kann eine Anwendung des Bribery Act sich auf das deutsche Unternehmen nicht allein darauf stützen, dass irgendwelche Geschäftskontakte mit dem Vereinigten Königreich bzw. dort ansässigen Unternehmen bestanden. Vielmehr muss es darauf ankommen, ob überhaupt eine bzw. welche Beziehung zum Bestechungstäter bestand und welche Möglichkeiten das Unternehmen gehabt hätte, auf diesen einzuwirken.[43]

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Kritisiert wird an der Regelung des Bribery Act schon bislang u.a. außerdem, dass – anders als im US-Recht – auch sog. „facilitation payments“ (s.o. Rn. 24) strafbar sind und nicht nur die Bestechung von Amtsträgern, sondern auch diejenige von Angestellten privater Unternehmen erfasst ist.[44] Inwieweit hier die Mahnungen des für die Umsetzung des Bribery Act primär zuständigen SFO („Serious Fraud Office“) zu einer restriktiven Auslegung des Gesetzes führen, muss sich noch erweisen.[45] Eine genauere Analyse des Gesetzes zeigt freilich, dass im Hinblick auf die Kritik eine durchaus differenzierte Betrachtung angezeigt ist.[46]

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Bedeutung im Zusammenhang mit Criminal Compliance kommt dem Bribery Act 2010 insbesondere deshalb zu, weil Sec. 7 Abs. 2 des Bribery Act eine Enthaftung des Unternehmens für den Fall zulässt, dass das Unternehmen die Einrichtung eines hinreichenden Compliance-Systems nachweisen kann („But it is a defence for C to prove that C had in place adequate procedures designed to prevent persons associated with C from undertaking such conduct“). In Konkretisierung der an die „adequate procedures“ zu stellenden Anforderungen sind vom britischen Justizministerium auf der Grundlage von Sec. 9 des Bribery Act Richtlinien erlassen und durch die britische Sektion von Transparency International umfassende Auslegungshilfen veröffentlicht worden.[47] Damit soll insbesondere gewährleistet werden, dass das Ziel des Bribery Acts, systematische und nicht lediglich singuläre Korruption zu bekämpfen, erreicht werden kann.[48] Die danach vorgesehenen und zu honorierenden Schutzmaßnahmen bestehen in „risk assessment“, „top level commitment“, „due dilligence“, „clear, practial and accessible policies and procedures“, „effective implementation“ und „monitoring and review“.[49] Welche Maßnahmen dabei in concreto von den betreffenden Unternehmen vorzunehmen sind, ist – wie immer im Rahmen von Compliance – eine Frage des Einzelfalles.

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