Читать книгу Sex, Drugs & Symphonies - Bernd Franco Hoffmann - Страница 10

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2. Biedere Typen hinter nussbraunen Kästen

Irgendwann bist du dann ja wohl mit der Beat-Musik in Berührung gekommen?

Ja, so ab 1964, da war ich zwölf Jahre alt und hörte ich die Beatsachen im Radio oder auf meinem kleinen Plattenspieler. Mich faszinierten diese Songs, die rasanter und rhythmischer klangen als diese scheintoten Schlager.

Wenn es mein Taschengeld erlaubte, kaufte ich mir gelegentlich Singles von den Beatles, Hollies oder Kinks. Das waren allerdings Bands, bei dem kaum ein Keyboard zu hören war. Eine Band mit Keyboarder war damals die Ausnahme, die meisten Bands waren gitarrenorientiert.

Warum war das deiner Meinung nach so?

Ein Orgel war damals in der Beatmusik, na ja, die Leute würden heute sagen uncool. Die Keyboarder waren meist bieder aussehende Typen, die hinter einem nussbraunen Kasten saßen. So wie dieser Manfred Mann, der 1964 mit „5-4-3-2-1“ in England einen Nummer-1-Hit hatte. Der Mann sah ja mit Bart und Brille so spießig aus wie mein Chemielehrer, der sinnlose Formeln an die Tafel kritzelte.

Ein Klavier war im Gegensatz zur E-Gitarre kein Instrument der Rebellion und kein Instrument, das sich ein Arbeiterkind leisten konnte.

Es gab allerdings schon die Beach Boys, bei denen öfter eine Orgel zu hören war oder auf dem Stück „California Sun“ von den Riveiras.

Aber die waren bei uns nicht so populär.

Was ist denn mit „A Whiter Shade Of Pale“ von Procol Harum?

Toll, dass du dieses Stück erwähnst, das war nämlich sozusagen mein Aha-Erlebnis, weil es im Frühjahr 1967 ein Riesenhit war und von der Orgel dominiert wurde. Zudem orientierte sich das Orgelspiel von Matthew Fisher an Johann Sebastian Bach, den ich anfangs sehr verehrte.

Im selben Jahr wurden auch The Nice mit Keith Emerson an der Orgel bekannt, die ich auch großartig fand. Besonders „America“ und „The Thoughts Of Emerlist Davjack“ sind eine großartige Verbindung von Klassik- und Rockelementen, wenn auch saumäßig schlecht produziert.

Das Feuer in mir war entfacht, so eine außergewöhnliche Musik wollte ich auch machen. Ich spielte mittlerweile fast jeden Tag mindestens vier Stunden und komponierte zwischendurch kleine Stücke, die ich aber niemandem vorspielte. Mein Vater ging das dauernde „Geklimper“, wie er abfällig meinte, aber auf die Nerven, deshalb musste ich abends immer leiser spielen. Dafür hasste ich meinen Vater. So musste ich notgedrungen nachmittags nach der Schule spielen, wenn mein Vater noch arbeitete. So entwickelte ich mich zum Stubenhocker, den das Leben draußen immer weniger interessierte.

Du hast den ganzen Tag nur noch in deinem Zimmer Klavier geübt und komponiert?

Ja, aber auch aus einem anderen Grund.

Welchen?

Ich glaube, du bist du der erste, mit dem ich darüber spreche, vielleicht hat es ja eine therapeutische Wirkung. Ich glaube es fing an, da war ich 13 oder 14.

Was fing an?

Dass ich Pickel bekam. Nein, keine Pickel, viel schlimmer: Furunkel.

Furunkel?

Ja, so heißen diese dicken Eiterbeulen, die im Gesicht wucherten. Ich merkte das immer, wenn ich so eine verhärtete Druckstelle auf der Haut spürte. Oh nein, bitte nicht schon wieder, dachte ich jedes Mal. Aber es war immer dasselbe: Diese schmerzhafte Druckstelle wuchs in den nächsten Tagen zu eine großen roten Beule an. Es war eine Tortur, denn diese Dinger pulsierten förmlich, weil der Eiter nach außen ausbrechen wollte wie bei einem brodelnden Vulkan.

Wenn diese Beule dann platzte, war das eine ungeheure Erleichterung. Ich bekam diese Beulen auf der Wange, zwischen den Augen und an den Ohrläppchen.

Bist du nicht zu einem Hautarzt gegangen?

Doch, aber keiner von diesen Quacksalbern konnte mir helfen. Einer verschrieb mir eine fleischwurstfarbene Salbe namens „Akne Compren“, die musste ich mir über das ganze Gesicht schmieren. Diese Schmiere stank nach Autoreifen und zog überhaupt nicht in die Haut ein. Ich muss im Gesicht ausgesehen haben wie Frankensteins Monster.

Hinzu kam noch meine unreine Haut mit vielen Mitessern. Ich hab mich vor mir selbst geekelt. So hatte ich bei den Mädchen natürlich keine Chance, obwohl ich als Teenager bereits 1,80 Meter groß war. Diese Erinnerung ist für mich immer noch sehr schmerzlich.

Das war ich also mit 16 Jahren: ein verschüchterter, todunglücklicher von Furunkeln geplagter langer Lulatsch, der dafür von den Mitschülern gehänselt wurde und vor denen sich die Mädchen ekelten. Keiner wusste oder interessierte sich dafür, dass ich Klavier spielte.

Und deine Eltern?

Zu denen verlor ich jegliches Vertrauen, wir lebten in völlig verschiedenen Welten. Mein Vater hielt das Klavierspielen für reine Zeitverschwendung: „Sieh zu, dass du die Schule schaffst und dann ab in die Lehre.“ Schon das Wort „Lehre“ hasste ich, hat so was Unterwürfiges.

Und zu meinen Furunkeln gab er mir den genialen Ratschlag: „Du musst mit einem Mädchen schlafen, dann gehen die Dinger weg.“ Klar, nichts leichter als das, wo die Mädchen mich Furunkelface ja geradezu umschwärmten. Mir blieb nur die Musik, sonst hätte ich mich vermutlich umgebracht. Ich war völlig orientierungslos und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Bis ich, …ja bis ich auf dem Schulfest den Skandal-Auftritt von Michael Riggbert erlebte.

Sex, Drugs & Symphonies

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