Читать книгу Sex, Drugs & Symphonies - Bernd Franco Hoffmann - Страница 21
Оглавление13. Mister Klarmann
Nach dem „Nichts“ muss aber was gekommen sein, sonst säßen wir jetzt wohl nicht hier.
Klar kam da was, aber was! Okay, ich war mittlerweile so fanatisch aufs Schlagzeugspielen, dass ich mir keinen Tag ohne Drumming vorstellen konnte. Beim Trommeln fühlte ich mich sicher und kraftvoll. Nachdem ich am Nachmittag das Kit aus dem Gemeinderaum geholt hatte und auf den Anhänger meines alten Fahrrads packte, fuhr ich sofort in den Stadtpark, stellte dort das Set auf und spielte einfach weiter, obwohl es im Herbst schon recht kühl war.
Du hast tatsächlich einfach draußen im Park getrommelt?
Ja, aber nicht lange.
Du wurdest wieder vertrieben?
Nee, engagiert. Ich trommelte so vor mich hin als wäre ich Buddy Rich persönlich. Plötzlich merkte ich, dass ’n Typ vor mir stand, der mich die ganze Zeit anglotzte.
Ich hörte auf, zu spielen.
„Was is?“, fragte ich.
„Hey Mann, nicht aufhören, spiel weiter, du bist super, Mann“, forderte der Freak.
Wer war der Freak?
’N Typ mit schulterlangen Haaren und wild wucherndem Bart, der aussah wie ’ne Kreuzung aus Ian Anderson und Peter Ehlebracht. Dazu trag er ’ne abgewetzte Cordhose, Sandalen ohne Strümpfe und ’nen Trenchcoat. Bisschen kalt für die Jahreszeit, dachte ich. Und seine Füße sahen zudem sehr ungepflegt aus.
Ian Anderson von Jethro Tull kenne ich ja, aber wer ist Peter Ehlebracht?
Na, dieser bärtige Wurzelsepp von Insterburg & Co, der spielte bei denen auch Schlagzeug. So ’n Minimalschlagzeug, bestehend aus ´ner kleinen Basstrommel, zwei Bongos und drei kleinen Becken. Fand ich schon immer total originell und witzig.
Der Typ stellte sich als Albert vor und meinte, dass ich genau der Richtige wäre. „Der Richtige für was?“, fragte ich misstrauisch.
„Um bei uns Schlagzeug zu spielen.“
„Du hast ’ne Band?“
„Band? Nun ja, is’ mehr ’n Projekt.“
„Projekt? Was heißt denn Projekt?“
„Na, wir sind ’n Duo, der Larry und ich.“
„Und was ist daran ’n Projekt?“
„Wir arbeiten auf ’n Ziel hin. In einem Monat steigt in der ehemaligen Schlachterei nämlich das Laughing-Pancake-Festival, da treten wir auf.“
Laughing-Pancake-Festival? Ich stutzte. Und dann fiel bei mir der Groschen. Stimmt, davon hatte ich in der Stadt schon kunterbunte Plakate gesehen, auf denen ‘n riesiger lachender Pfannkuchen abgebildet war. Ich hatte mich schon gefragt, was das sollte.
„Da tretet ihr wirklich auf?“, fragte ich erstaunt.
„Klar Mann, wir sind fest gebucht. Leider ist uns der Drummer abgesprungen, aber ohne Schlagzeuger funktioniert die Chose nicht.“
„Kann ja auch nicht, schließlich ist der Drummer Rückgrat und Herzschlag jeder Band“, bemerkte ich altklug.
„Klar Mann, ich merk‘ schon, kennst dich aus.“
„Was spielt ihr für Musik?“
„Also, ich spiele den Bass und der Larry die Orgel.“
„Aha, mit ‘nem Drummer seid ihr dann wie The Nice. Nicht schlecht.“
„The Nice? Nee, nee, bloß nicht. Sag das nicht dem Larry, der findet den Keith Emerson absolut zum Kotzen, der steht mehr auf United States Of America.“
„Welche Musik aus den USA hört er denn gern?“, hakte ich nach.
„Oh Mann, mit United States Of America ist doch nicht das Land gemeint, sondern die Band.“
„Was, es gibt ’ne Band, die United States Of America heißt?“
„Klar Mann, und wir nennen uns ja auch ‚Baden-Württemberg‘.“
„Wieso das denn?“, fragte ich entgeistert.
„Wieso, wieso?“, erwiderte Albert leicht genervt, „is’ doch egal, is’ doch nur ’n Name. Beatles bedeutet übersetzt doch auch nur Käfer. Und was hältst du von Bands, die sich Die Wer, Die Rassler oder Die Sahne nennen?“
„Was spielt ihr denn nun für Musik?“, fragte ich ungeduldig.
„Wir nennen das Neue Destruktive Kunst.”
„Ach, ihr seid Free-Jazzer? Oh nee, darauf steh’ ich ja überhaupt nicht.“
„Nee, kein Jazz, aber wir sind schon very free, so absolutely free wie Frank Zappa.
Und als Schlagzeuger bekommst du bei uns die absolute Freedom, wir improvisieren nämlich.“
Hörte sich doch eigentlich ganz verlockend an oder?
Naja, Ich wollte eigentlich in ’ner Rockband spielen und nicht in so ’ner merkwürdigen Freakshow. Aber es gab drei Dinge, die für mich das Ganze doch überlegenswert machten: Erstens bestand die Möglichkeit aufzutreten, wenn auch meiner Meinung nach unter ’nem völlig bescheuerten Bandnamen, zweitens war die versprochene Freiheit als Drummer schon reizvoll und bot vielleicht die Möglichkeit, mich auszuprobieren. Und da war noch ’ne dritte Sache.
„Habt ihr ’nen Proberaum?“, fragte ich.
„Klar Mann, wir spielen praktisch jeden Tag dort.“
„Jeden Tag? Kann ich mein Schlagzeug mitbringen und dort hinstellen?“
„Klar Mann, komm doch einfach jetzt mit.“
Für mich war dieser Albert spätestens jetzt nur noch ‚Mister Klarmann‘.“
„Jetzt gleich?“, fragte ich verwundert.
„Klar Mann, der Larry ist schon da. Is’ doch grad mal früher Abend.“
Und dann du bist mitgegangen?
In erster Linie ging’s mir erstmal darum, ’nen Platz für mein Schlagzeug zu finden. Ich konnte mir Albert und diesen Larry ja zumindest mal anhören. Na, jedenfalls baute ich mein Schlagzeug wieder auseinander, verlud es auf den Anhänger und schlurfte dann mit dem Albert mit. Dabei sagte meine Mutter doch immer, ich solle mit keinem Fremden mitgehen, das war damals noch wegen der Jürgen-Bartsch-Morde.
Aber die Verlockung, endlich in einer Band mitzuspielen, war dann wohl größer.
Albert sah ja nun wirklich nicht aus wie ’n Kindermörder, sondern eher wie ’n Kindergärtner. Er war spindeldürr mit so ’nem gebückten schlurfenden Gang, gegen den hätte sogar ich mich zur Wehr setzen können. Durchs ständige Schlagzeugspielen war mein Körper nämlich schon ziemlich muskulös. Dann kamen wir nach zehn Minuten an ’nem Gebäude an, das an ’ner ziemlich abseits gelegenen Straße lag, in der ich noch nie gewesen war. Das Haus selbst wirkte verlassen und ziemlich heruntergekommen, an sämtlichen Fenstern waren die Rollläden heruntergelassen. „Wir sind da!“, verkündete Albert.
„Hier probt ihr? Das ist ja ’n Geisterhaus“, entgegnete ich entgeistert und dachte wieder an Mutters Warnung.
„Nee, is ’ne ehemalige Bäckerei. Wir müssen hinten rum rein.“
Hattest du nicht ein merkwürdiges Gefühl?
Etwas mulmig war mir schon, zumal ich bereits ’ne Orgelmusik hörte, die absolut unheilschwanger klang, als wollte ’ne schwarze Sekte gleich ’ne Jungfrau opfern. An der Rückseite der stillgelegten Bäckerei war dann ’ne Tür, hinter der sich ’n riesiger Raum verbarg, der tatsächlich entfernt an ’ne Backstube erinnerte.
Der einzige Backofen hatte allerdings wohl schon lange keinen Brotteig mehr gesehen. Innen drin lagen verkokelte Zeitungen, als hätte jemand versucht, damit ’n Feuerchen zu machen. Und in ’ner dunklen Ecke hockte offensichtlich dieser Larry, der ’ne Art Lammfellweste trug und halb gebückt wie ’n Kretin stoisch seine düsteren Akkorde drückte.
Da muss ich an das „Phantom der Oper“ denken.
War eher ’ne komische Oper. Larry trug wie Albert an den ungepflegten Füßen abgewetzte Kreuz-Sandaletten, obwohl es, wie ich schon erwähnte, schon herbstlich kühl war. Und das mir, der ungepflegte Männerfüße in Sandalen so ekelhaft findet. Oje, ob ich bei diesem permanenten Ekel-Feeling überhaupt Schlagzeug spielen konnte?
Dann merkte dieser Larry endlich, dass wir in die gute Backstube gekommen waren. Er drehte sich um und jetzt sah ich sein Gesicht: Mit seinem langen Bart sah er aus wie Rübezahl, allerdings mit wesentlich helleren, ja fast weißen schulterlangen Haaren. Ich schätzte ihn wie Albert so um die Mitte Zwanzig.
„Wen haste denn da mitgebracht?“, nuschelte Larry kaum vernehmbar.
„Unsern neuen Drummer“, antwortete Albert.
„Hehe, erst mal abwarten“, meinte ich, denn das ging mir ’n bisschen schnell. Ich wollte mich erstmal ’n wenig umschauen.
Wie ich feststellte, sah das Equipment gar nicht mal schlecht aus. Larry saß an ’ner einmanualigen Orgel, die an ’nem relativ großen Verstärker angeschlossen war. Albert besaß ebenfalls ´nen Verstärker mit Fender-Jazz-Bass, den er sich sofort schnappte.