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1. Sprachfassungsvergleichende Wortlautauslegung

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Die grammatikalische Auslegung durch den Gerichtshof der EU ist aufgrund der zahlreichen gleichrangigen Rechtstexte in verschiedenen Sprachfassungen höchst anspruchsvoll. Eine einsprachige Wortlautauslegung kann somit niemals der alleinige Ausgangspunkt der Interpretation sein. Vielmehr muss immer der Wortlaut aller authentischen Sprachfassungen interpretiert werden. Insofern erscheint eine Bezeichnung der grammatikalischen Auslegung als sprachfassungsvergleichende Wortlautauslegung inhaltlich treffender.

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Hierbei stellen sich dogmatische Herausforderungen. Divergieren die unterschiedlichen Sprachfassungen inhaltlich oder sprachlich voneinander, steht der Gerichtshof der EU bezüglich der Wortlautinterpretation vor einem dogmatischen Dilemma. Da alle Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind, kann keiner Fassung nur aufgrund des Wortlautes ein Vorrang gegenüber den anderen eingeräumt werden. So können die rechtsprechenden Institutionen der EU weder der mehrheitlich noch der minderheitlich vorzufindenden Lesart folgen, da dies immer eine Auslegung gegen den Wortlaut der ebenfalls verbindlichen anderen Fassungen darstellen würde. Insofern kann die Wortlautauslegung in vielen Fällen nur als erstes Indiz für die Entscheidung dienen.

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Darüber hinaus bietet die Wortlautinterpretation eine leicht zu übersehende Fehlinterpretationsmöglichkeit. So sind unionsrechtliche Rechtsbegriffe – wie auch die Begrifflichkeiten der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – ausschließlich relativ auszulegen, also in dem Sinnzusammenhang und Kontext, in welchem sie verwendet werden. Dies bedeutet, dass juristische Fachtermini, die etwa in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bereits über eine eingegrenzte oder gar eindeutige Semantik verfügen, im Unionsrecht nicht zwingend ebenso verstanden werden müssen, sondern unionsrechtlich autonom auszulegen sind (sog. Grundsatz der autonomen Begrifflichkeit des EU-Rechts).

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