Читать книгу Europarecht - Bernhard Kempen - Страница 148
b) Relative Auslegungsgrenzen des Unionsrechts
Оглавление234
Grundsätzlich unterliegen die mitgliedstaatlichen Gerichte ausschließlich den nationalen verfassungsrechtlichen Auslegungsgrenzen. Regelungen, die auf der Transformation von Unionsrechtsakten beruhen, stellen jedoch abgeleitetes Unionsrecht dar, so dass für diese Normen ggf. auch unionsrechtliche Auslegungsgrenzen in Betracht kommen können. Diese Grenzen bestehen zum einen in den Allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Union: dem Vertrauensschutz, der Rechtssicherheit, dem Bestimmtheitsgrundsatz oder dem Rückwirkungsverbot. Zum anderen sind sie in dem Verbot einer sog. horizontalen Direktwirkung von umsetzungsbedürftigen Rechtsakten (z.B. einer Richtlinie) zu sehen.
235
Gleichwohl stellen die unionsrechtlichen Auslegungsgrenzen – anders als die nationalen Grenzen – für den mitgliedstaatlichen Richter keine absoluten Auslegungsgrenzen dar. Würde eine unionsrechtskonforme Auslegung gegen die unionsrechtlichen Grenzen verstoßen, bestünde die rechtliche Folge vielmehr allein darin, dass der Richter von seiner grundsätzlichen Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung befreit würde. Allerdings bliebe ihm weiterhin die Möglichkeit, eine nationale Vorschrift unionsrechtskonform auszulegen, wenn dieses Ergebnis von den absoluten Auslegungsgrenzen des jeweiligen Mitgliedstaates gedeckt wäre. Dementsprechend können die Grenzen des Unionsrechts als relative Auslegungsgrenzen des nationalen Richters bezüglich der Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung bezeichnet werden.
A › Auslegung des nationalen Rechts (Nico S. Schmidt) › II. Grenzen der Auslegungszuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte