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3. Besonderheiten des Kernenergierechts nach dem EAG-Vertrag

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Der EAG-Vertrag sieht im Vergleich zum EU-Vertrag oder auch AEU-Vertrag eine viel geringere Bedeutung des Europäischen Parlaments bei der Normsetzung vor. Ein echtes Mitentscheidungsverfahren gibt es hier nicht, sondern nur eine Anhörung des Europäischen Parlaments (Art. 31 EAGV). Dies wird teils kritisiert, teils aber auch damit begründet, dass der Bereich der Kerntechnik aufgrund seiner hohen sicherheitspolitischen wie militärischen Bedeutung ein besonderes Maß an Vertraulichkeit erfordert, was einer ständigen parlamentarischen Behandlung kerntechnischer Einzelfragen entgegenstehe.

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Nach Art. 86 EAGV (der insofern dem Vorbild einer älteren, in den USA bestehenden Regelung folgt) stehen alle „besonderen spaltbaren Stoffe“ i. S. v. Art. 197 Nr. 1 EAGV, d.h. Plutonium 239, Uran 233 oder sonstige mit Uran 233 oder 235 angereicherte Uranisotope, im Eigentum der EAG; dies bedeutet in praktischer Hinsicht, dass diese Stoffe ohne Zustimmung der EAG nicht privatisierungsfähig, nicht pfändbar (str.) und nicht vollstreckungsfähig sein sollen. Dabei ist freilich im Auge zu behalten, dass dieses „Eigentum“ als ein „im Gemeinschaftsrecht einmaliger Typus des öffentlichen Sachenrechts“ (Jürgen Grunwald) quasi als ein „lediglich rechtliches Eigentum“ (Wolf-Georg Schärf) zur Erleichterung der allgemeinen und umfassenden Atomaufsicht zu denken ist, wohingegen das wirtschaftliche Eigentum sehr wohl bei den Verwendern und Betreibern der kerntechnischen Anlagen verbleibt (sog. Bucheigentum). Ansonsten bleibt die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt (Art. 91 EAGV).

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Da der EAG-Vertrag jedoch nur die friedliche Nutzung der Atomenergie zum Gegenstand hat (früher teils bestr.), erstreckt sich diese Regelung nicht auf die durch das Vereinigte Königreich wie auch Frankreich militärisch genutzten spaltbaren Stoffe, sei es als spaltbares Material in atomaren Gefechtsköpfen wie auch als Kernbrennstoff für Kriegsschiffe, d.h. vor allem U-Boote. Kernbrennstoffe werden derzeit, soweit bekannt, nur von drei Wirtschaftsunternehmen geliefert, nämlich Areva (Frankreich), TVEL (Russland) und Westinghouse (USA, von Toshiba/Japan übernommen). Innerhalb der EAG wird der Handel mit Kernbrennstoffen gem. Art. 65 Abs. 1, Art. 60 EAGV über die Euratom-Versorgungsagentur (s. o. Rn. 827) abgewickelt. Diese Abwicklung ist jedoch formalrechtlicher Natur und dient Kontrollzwecken; in der Sache beschaffen sich die Kernenergiebetreiber die Kernbrennstoffe selbst bei ihren Anbietern, d.h. die Versorgungsagentur übt ihr (Allein-)Bezugsrecht (das immer schon Ausnahmen kannte) nicht mehr aus. Hintergrund dessen ist letztlich, dass entgegen den Erwartungen bei Schaffung der EAG heute kein Mangel oder Unterangebot an Kernbrennstoffen besteht.

EEuropäische Atomgemeinschaft (EAG) (Ulrich Vosgerau) › IV. Ausblick

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